"Teilnehmen
wird jetzt, der irakische Botschafter in London."
Heidelberg, den 27. Oktober 2002
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
ich möchte im folgenden einen Überblick
über den Stand der Vorbereitungen,
der Referenten/innen und der finanziellen
Situation geben, sowie in diesem Zusammenhang
auch noch einmal auf die Vorwürfe und
diversen Gerüchte eingehen, die u.a.
in einem Schreiben von Mathias Kohler im
Namen des Friedensplenum Mannheim, sowie
in einem Konkret-Artikel von v. Osten-Sacken
geäußert werden.
Der Kongress stößt auf recht
breites Medieninteresse, und es ist wahrscheinlich
auch mit einer Teilnehmerzahl zu rechnen,
die die Kapazität des Konferenzsaals
(ca. 250) übersteigt. Das heißt,
TeilnehmerInnen die von außerhalb
anreisen, sollten sich besser noch vorher
anmelden.
Zum Programm und den ReferentInnen
Die Teilnehmerliste ist nun weitgehend
komplett. Es war leider im aktuellen politischen
Kontext nicht möglich, tatsächlich
die verschiedenen Positionen auf einer gemeinsamen
Veranstaltung zu Wort kommen zu lassen.
Die Tatsache, dass Alternativen zum Krieg
und Embargo unter Beteiligung vieler Fachleute,
die beidem bekanntermaßen kritisch
gegenüberstehen, diskutiert werden
sollen, hielt die Befürworter einer
Intervention oder der Sanktionen von einer
Teilnahme ab. Sie wollten nicht eine Veranstaltung
durch ihre Teilnahme politisch aufwerten,
auf der sie einen schweren Stand haben würden.
Da es für die Auseinandersetzung mit
den Gegnern des Kongresses wichtig sein
wird, will ich etwas ausführlicher
auf das Zustandekommen der aktuellen Auswahl
von Referenten eingehen.
Trotz vieler Bemühungen ist es uns
nicht gelungen, einen regierungsnahen US-amerikanischen
Referenten zu gewinnen Der zunächst
eingeladene ehemalige Botschafter Mack sagte
nach langem Hin und Her schließlich
doch ab.
Wir fragten daraufhin u.a. beim Aspen-Institut
nach und schließlich direkt bei der
US-Botschaft in Berlin und erhielten nur
höfliche Ablehnungen oder gar keine
Antwort.
Sprechen wird jetzt, wenn nichts dazwischen
kommt, die Bürgerrechtlerin Mara Verhayden-Hilliard,
eine der Sprecherinnen des US-amerikanischen
Antikriegsbündnisses A.N.S.W.E.R
Auch Bundestagsabgeordnete zu finden gestaltete
sich schwierig. Zuerst Wahlkampf, dann Koalitionsgespräche
und dann Absagen (Weisskirchen, Erler, Klose,
die SPD-Frauen im auswärtigen Ausschuss,
die grünen Grießhaber und Nachtweih
etc.).
Zugesagt hat mit Edelbert Richter nun ein
entschiedener Kriegsgegner innerhalb der
SPD, der bis vor kurzem im Bundestag saß.
Ebenfalls letztlich einem Dialog auf dem
Kongress verweigert haben sich die hier
lebenden Angehörige der irakischen
"Demokratischen Opposition".
Prof. Habib, den wir aus ihrem Kreis eingeladen
hatten (Wirtschaftswissenschaftler und ein
sehr guter Kenner der Verhältnisse
im Irak und Nahen Osten) hat abgelehnt,
weil der Kongress zu einseitig sei. Die
Kritik am irakischen Regime käme zu
kurz, und die Beteiligung eines Referenten
der zumindest indirekt dem Regime nahe steht,
sei nicht hinnehmbar.
Schade, da ich ihn als einen sehr sachlich
diskutierenden Menschen kennen gelernt habe.
(Schriftwechsel s. Internetseite des Kongress
unter www.irak-kongress-2002.de.)
Als ich ihn telefonisch überreden wollte,
seine Ansichten doch auf dem Kongress zur
Diskussion zu stellen, sagte er mir, dass
kein Iraker und kein Kurde aus ihren Kreisen
teilnehmen könne, da es den "politischen
Tod" bedeuten würde. Offenbar
hat sich diese "Demokratisch Opposition"
darauf verständigt, nicht auf dem Kongress
zu diskutieren, sondern dagegen zu protestieren.
Evtl. wird ein Journalist teilnehmen, der
einer oppositionellen Gruppierung angehört,
die nicht zu dem obigen Kreis zählt.
Dr. Rowsch Nuri Shaways, der Präsident
der kurd. Nationalversammlung in Erbil musste
absagen, da er im Moment überlastet
und unabkömmlich sei. Da das Parlament
gerade nach sechs Jahren seine Arbeit wieder
aufnimmt und es heftige Auseinandersetzungen
innerhalb der kurdischen Parteien über
den Kurs gegenüber den Kriegsplänen
der USA gibt, ist dies verständlich.
Uns wurde auf Nachfragen explizit versichert,
politische Gründe, wie sie von der
deutschen Vertretung der kurdischen Regionalregierung
ins Spiel gebracht wurden, spielten bei
seiner Ablehnung keine Rolle.
Diese deutsche Vertretung war nicht bereit,
uns jemanden zu nennen, der anstelle von
Dr. Shaways teilnehmen könnte - "niemand"
von ihnen wäre "bereit auf
Saddam's Spielfeld zu spielen"
antwortete Dilshad Barzani.
Keine Antwort erhielten wir auf unsere Anfrage
von der PUK, der anderen großen kurdischen
Partei. Teilnehmen wird jetzt die Kurdin
Rim Farha, seit kurzem Vorstandsmitglied
der PDS und evtl. auch ein Vertreter des
Kurdischen National Kongress.
Leider war es auch nicht einfach, Referenten
zu finden, die die Haltung der irakischen
Regierung vertreten können. Neben bürokratischen
Hindernissen spielte hier wohl vor allem
auch die Kriegsgefahr eine Rolle. Teilnehmen
wird jetzt, wenn nichts mehr dazwischen
kommt, der irakische Botschafter in London.
Alle anderen Änderungen bei den Referenten
hatten keine politischen Gründe. So
ist Ulrich Duchrow leider erkrankt und muss
sich operieren lassen.
Auch Frau Prof. Eptian Al-Kibti, von der
Universität der Arabischen Emirate
musste aus Termingründen doch noch
absagen. Da es bei den anderen in Frage
kommenden Wissenschaftlerinnen der Golfregion
schwierig ge-worden wäre, noch rechtzeitig
Visa zu bekommen, haben wir an ihrer Stelle
Prof. Lara Drake vom Middle East Institute
in Washington DC eingeladen, die viele Jahre
im Nahen Osten lebte und arbeitete.
Keinen Kontakt haben wir mit José
Bustani, seit er aus New York weg ist. Wir
haben hier nun den Journalisten Andreas
Zumach und Jan van Aken (Sunshine Project)
angefragt.
Finanzen
Die Finanzierung ist leider noch nicht
gesichert.
Wir schätzen die Kosten im Moment
auf 17.000 Euro
Dem stehen gegenüber: Beiträge
der unterstützenden Organisationen
in Höhe von 2.450 Euro
(Bezahlt zw. zugesagt wurden diese Gelder
von IPPNW, Dt.-Irakische Gesellschaft, DFG/VK
und GAAA)
Bewilligte Zuschüsse vom Ev. Entw.
Dienst (ABP) und BMZ in Höhe von 3.510
Euro
Wir erwarten Einnahmen aus Tagungsgebühren
und Bewirtung in Höhe von 5.000 Euro.
Das ergibt im Moment noch ein Minus von
6.000 Euro
Über drei Anträge auf Förderung
bei der Stiftung Umverteilen, Aktion Selbstbesteuerung
und AGDF wurde noch nicht entschieden, weil
die entsprechenden Sitzungen erst nach dem
Kongress stattfinden. Alle haben signalisiert,
dass wir mit einem Zuschuss rechnen können.
Dass sie zusammen in einer Höhe ausfallen,
die unser Defizit ganz deckt, ist aber sehr
unwahrscheinlich.
Wir möchten daher die Organisationen,
die den Kongress mittragen, bzw. unterstützen
und bisher noch keinen Betrag zugesagt haben,
zu prüfen, ob und in welcher Höhe
sie etwas beisteuern können.
Außerdem bitten wir auch andere Gruppen
und Organisationen, sowie Einzelpersonen,
mit Spenden die Finanzierung sichern zu
helfen.
Überweisungen bitte auf das:
Solidaritätskonto Irak-Kongress: Kto
362 079 801 Postbank München (BLZ 700
100 80)
Bzw. individuelle Spenden wegen der Steuerabzugsfähigkeit
auf eines der folgenden Spendenkonten:
IPPNW: Konto 50000 918, Stadtsparkasse Gaggenau
(BLZ 665 512 90) Internationaler Versöhnungsbund:
Konto: 440 906 72, Sparkasse Minden-Lübbecke
(BLZ 490 501 01) Jeweils Stichwort "Irak-Kongress"
Sollten wir am Ende mehr Einnahmen als
Ausgaben haben, würden wir vorschlagen,
das Geld für die geplante Publikation
über den Kongress zu verwenden.
Stellungnahme zu den diversen Vorwürfen
Zu der Zielsetzung des Kongresses und der
Frage warum wir es für richtig halten,
auch einen Vertreter des Iraks zu Wort kommen
lassen, haben ich und andere schon häufig
Stellung genommen (s. auch Internetseite
des Kongresses), so dass ich mich hierzu
kurz fassen kann.
Mit dem Kongress wollen wir zur gesellschaftliche
Debatte über eine politische Lösung
des Irakkonflikts beitragen, eine Lösung,
die vor allem auch das Wohl der irakischen
Bevölkerung berücksichtigt.
Auch wenn die Position der US-Regierung
und der "irakischen Opposition"
aufgrund ihres Desinteresses bzw. ihrer
Weigerung nicht vertreten sind, wird der
Kongress durch die große Zahl namhafter
Fachleute und Politiker diesem Anspruch
sicher gerecht, eine nach wie vor recht
große politische Breite repräsentieren.
Wer sich die Liste der Referentinnen und
Referenten anschaut, wird sicherlich nicht
befürchten müssen, dass bei den
Vorträgen die Kritik am irakischen
Regime zu kurz kommen wird. Nicht umsonst
wurde z.B. auch die Vertreterin von Amnesty
International zu der Podiumsdiskussion eingeladen,
die genau dem Thema Menschenrechte und Demokratie
im Irak gewidmet ist.
Kritik wurde auch an einzelnen Organisationen
laut, die den Kongress unterstützen,
wobei zum einen die haltlosen Vorwürfe
aus einer Hetzkampagne gegen den Solidaritätsflug
vom letzten Jahr und seine Organisatoren
wiederholt werden (s. hierzu http://www.embargos.de/irak/frameset.htm,
-> 'Initiativen' -> '"Erster
Direktflug aus Deutschland seit 1990' )und
zum anderen versucht wird, über Assoziationsketten
mit einzelnen Namen ganze Organisationen
zu diskreditieren.
Hierzu darf ich aus dem Brief von Prof.
Gottstein (IPPNW) vom 23. Oktober zitieren,
den er aus Anlass des Schreibens von Mathias
Kohler (Mannheimer Friedensplenum) an mich
schrieb:
"4) Die Deutsch-Irakische Gesellschaft,
sowie die Deutsch-Arabische Gesellschaft
vertritt eine große Zahl von Deutschen
und gebürtigen Irakern und anderen
Arabern, die sich um gewaltfreie Konfliktlösungen
bemühen. Sicher sind unter den Mitgliedern
auch Anhänger der Baath-Partei sowie
der Anti-Saddam Opposition.
4) Der von uns sehr geschätzte Herr
Branscheidt setzt sich seit Jahren verdienstvollerweise
für die Kurden in der Türkei und
in Nordirak ein. Er ist der Meinung, dass
nur durch einen Krieg das kurdische Volk
seine Freiheit bekommen könne, und
daher plädiert Herr B. für Krieg
der USA gegen Irak. Außerdem verlangt
er, dass durch Krieg der brutale Diktator
beseitigt werde. Wir sorgen uns um das Leben
und die Gesundheit der vielen Tausend unschuldigen
Kinder, Frauen und anderer, die in dem Krieg
der USA sowie durch Bürgerkrieg umkommen
werden.
5) Der von Herrn Alkazaz organisierte Flug
von Frankfurt nach Bagdad geschah nicht
auf Einladung der irakischen Regierung,
sondern wurde von den Teilnehmern selber
bezahlt. Die Unterbringung war nicht im
teuersten Hotel Bagdads, also nicht im "Al
Rashid", sondern in einem der vielen
anderen Hotels der Mittelklasse. Dass die
Flugteilnehmer in Bagdad zu Besuchen in
Stadt und Umgebung mit Bussen eingeladen
waren, stimmt, aber nur ein Teil der Reisenden
nahm daran teil."
Es ist nicht akzeptabel, dass ein zahlenmäßig
eher kleiner Teil der hier lebenden Iraker
und ihre deutschen Unterstützer sich
anmaßen, alle anderen Iraker, die
ihre Politik gegenüber dem irakischen
Regime nicht mittragen, als Anhänger
des Regimes zu denunzieren.
Den meisten ging es immer vorrangig darum,
dass sie wieder besseren Kontakt zu ihren
Familien halten können und dass das
Embargo fällt.
Und im Irak selbst würde es sicher
auf ziemliches Unverständnis stoßen,
wenn bekannt werden würde, dass Organisationen,
die sich für einen demokratischen Irak
einsetzen, eine Veranstaltung bekämpfen,
die Alternativen zu dem sie akut bedrohenden
Krieg und zum Embargo entwickeln will, dem
sie - im Unterschied zu den hier lebenden
Landsleuten - unmittelbar ausgesetzt sind.
Wie mehrfach erwähnt, soll und wird
selbstverständlich auch das Verbrecherische
am irakischen Regime zur Sprache kommen.
Der Schwerpunkt hier in Deutschland muss
sich aber ebenso selbstverständlich
auf die Politik der deutschen Regierung
wie die ihrer Verbündeten konzentrieren
- hierin liegen sowohl unsere gesellschaftliche
Verantwortung, wie auch Möglichkeiten
der unmittelbaren Einflussnahme.
Die äußere Bedrohung und das
Embargo - die als Aggression von außen
gegen die gesamte Bevölkerung empfunden
werden, die Finanzierung und Ausbildung
irakischer Oppositionskräfte für
bewaffnete Aktionen und geheimdienstliche
Aktivitäten im Irak etc. tragen sicherlich
nicht zu einem Klima bei, indem sich fortschrittlichen
Alternativen im Irak entwickeln können.
Hans von Sponeck antworte vor kurzem der
Süddeutschen Zeitung auf die Frage,
was "außer der von Washington
zitierten Kugel" Saddam Hussein bewegen
könne, sein Amt zu verlassen:
"Er hat nach wie vor großen
Rückhalt in der Bevölkerung. Man
muss deshalb die Herzen und Seelen der Muslime
im Mittleren Osten gewinnen. Die Beziehungen
zwischen den westlichen, christlich geprägten
Staaten zu dieser Region müssen weit
über die Irak-Frage hinaus völlig
neu definiert werden. Erst wenn wir neues
Vertrauen zueinander geschaffen und Vorurteile
abgebaut haben, wird Husseins Stuhl wackeln."
(Ich füge das Interview bei.)
All diese Fragen können und werden
sicherlich auch auf dem Kongress diskutiert
werden.
Mit den besten Grüßen,
Joachim Guilliard