"Befürchtet
wird eine Lockerung der diplomatischen Isolierung des Regimes."
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Joachim Guilliard [mailto:Joachim.Guilliard@t-online.de]
Gesendet: Dienstag, 8. Oktober 2002 00:30
An: Mathias Kohler
Cc: DFG-VK Ba-Wue; Arbeitsausschuss Friedensratschlag
Betreff: Re: WG: [Fwd: Internationaler Irakkongress
1./2.11 in Berlin]
Hallo Mathias,
die DAG ist wohl doch etwas mehr als Möllemann.
Und ich weiß auch nicht, was am Solidaritätsflug
nach Bagdad dubios gewesen sein soll, an
dem z.B. auch Prof. Gottstein von den IPPNW
teilgenommen hat.
Mit dem Dekan aus der Bagdader Universität
kommt tatsächlich jemand aus dem Irak
zu Wort, der dem Regime wahrscheinlich nahe
steht. Wir halten es aber für richtig,
dass die Regierung des bedrohten Land ebenfalls
seine Position darlegen kann, unabhängig
davon, was wir in-haltlich von ihr halten.
(Es war z.B. auch im Vorfeld des Jugoslawienkrieg
ein Skandal, dass hierzulande keine Originalstellungnahmen
von der jugoslawischen Regierung zu hören
und zu lesen waren.) Zentral sind doch aktuell
die Vorwürfe gegen den Irak, mit den
die USA einen Krieg rechtfertigen wollen.
Aus welchem Grund sollte dem "Angeklagten"
nicht das Recht eingeräumt werden,
dazu Stellung zu nehmen und seinerseits
Vorschläge für eine Lösung
des Konflikts zu unterbreiten?
Wenn Du Dir die übrigen Referenten
anschaust, wirst Du sehen, dass die anderen
Aspekte durchaus zur Sprache kommen werden
und in der Summe bestimmt niemand aus dem
Kongress eine Parteinahme für das irakische
Regime ableiten kann. Leider scheinen die
Vertreter der hier lebenden irakischen Opposition
nicht bereit zu sein, auf dem Kongress ihre
Haltung darzulegen. Prof. Habib jedenfalls
hat abgelehnt, ich hoffe er lässt sich
noch zu einer Teilnahme bewegen.
Ich denke, die Frage, um die es sich hier
dreht, ist nicht die Befürchtung, dass
der Kongress eine "ungewollte Parteinahme
für ein verbrecherisches Regime"
sein könnte. Befürchtet wird eine
Lockerung der diplomatischen Isolierung
des Regimes. Daher rührten ja auch
die Vorwürfe gegen den "Solidaritätsflug".
Aber wer einen Krieg verhindern, das Land
selbst - im Interesse seiner Bürger
- aus der Isolierung befreien und das mörderische
Embargo beenden will, wird dies nicht an
der aktuellen Regierung vorbei tun können.
(Die Alternative wäre der rasche Sturz
des Regimes und der wäre unter den
heutigen Bedingungen nur durch den US-Krieg
möglich.) Wer an einer politischen
Lösungen des Konflikten interessiert
ist, der sollte auch ein Interesse daran
haben, das alle Seiten gehört werden.
(s. hierzu auch einen aktuellen Text Jan
Obergs von der Transnational Foundation)
Die notwendige Normalisierung der wirtschaftlichen,
wie diplomatischen Beziehungen würde
keinesfalls - wie wohl viele aus der irakischen
Opposition befürchten - eine Rehabilitierung
des Regimes bedeuten. Die Kritik bzgl. Menschenrechte
und Demokratie im Irak wäre dadurch
ja nicht vorbei und vergessen.
Der Kongress am 1. und 2. November wird
jedenfalls Gelegenheit geben diese Fragen
zu diskutieren.
Soviel in Kürze. Anbei auch, falls
es Dich interessiert, das Schreiben von
Prof. Habib und meine Antwort.
Beste Grüße
Joachim