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WADI Projekte: Frauenzentrum

Projekte zur Stärkung von Frauen in Germian

Frauenzentrum in Kifri, Trainingskurse, Mobile Teams und Kampagnen gegen Genitalverstümmelung. Das Programm von WADI in der Region Germian.


Im Jahr 1995 eröffnete Wadi zusammen mit der kurdischen Frauenorganisation Komalla Afretan in der damals von drei Seiten von irakischer Armee umzingelten Stadt Kifri in Germian eine Frauenbibliothek.

Die Frauen in Germian wollen eine bessere Zukunft für ihre Töchter - © Foto: WADIGermian ist eine besonders arme Region. Frauen leiden am meisten unter der Armut. Viele von ihnen haben noch nie in ihrem Leben einen Arzt gesehen. Zusätzlich sind sie häufig häuslicher Gewalt ausgesetzt. Gewalt gegen Frauen, Zwangsheirat, Ehrenmord und Frauenbeschneidung sind hier weit verbreitet. Meist dürfen Frauen weder ihren Ehemann selbst aussuchen, noch arbeiten. Viele Frauen leiden unter psychologischen Problemen und haben schwere Traumata. Die meisten Frauen haben keine Gelegenheit, mit jemandem über ihre Probleme zu sprechen. Doch Frauen, die Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt wurden, werden nicht als Opfer betrachtet, sondern gebrandmarkt und als „Verrückte“ ausgeschlossen.

Doch seit der Befreiung ist viel Hoffnung aufgekommen und langsam beginnt erneut die Herausbildung einer Zivilgesellschaft. In Kifri schloss sich eine Gruppe engagierter junger Frauen und Männer zur Germian development society zusammen und setzte sich zum Ziel, sich noch aktiver für die Stärkung der Frauenrechte und die Demokratisierung der kurdischen Gesellschaft einzusetzen.

Im August 2005 wurde das erste Zentrum für Frauen in Kifri eröffnet - © Foto: WADIWadi unterstützt diese junge, dynamische lokale Initiative und so konnte die Germian development society im Juli 2005 ein Frauenzentrum in Kifri eröffnen.

Das Zentrum bietet den Mädchen und Frauen einen ungestörten Ort, an dem sie sich treffen und über ihre Probleme reden können. Es ist für die meisten Frauen der einzige Ort, an dem sie sich mit anderen Frauen austauschen können und außerdem oft eine willkommene Abwechslung im tristen Alltag, der nur aus Hausarbeit besteht.

Das Zentrum ist täglich von 8 bis 16 Uhr geöffnet und bietet den Frauen Alphabetisierungskurse, psychologische und medizinische Hilfe sowie verschiedene berufsbildende Kurse an. Außerdem finden regelmäßig Seminare über Frauengesundheit und Kinderpflege statt.

Women empowerment programm im Frauenzentrum Kifri

* psychologische und medizinische Hilfe
* rechtliche Aufklärung und Unterstützung von Frauen in Not
* medizinische Aufklärungsseminare
* Alphabetisierungskurse
* Bibliothek
* Nähkurse
* Friseurworkshop
* Computerkurse
* Englischkurse

Bei den Müttern ist besonders der Nähkurs sehr beliebt. Die Frauen lernen mit Schablonen und bunten Stoffen, die neusten Modelle selbst zu schneidern und nehmen die neuen Kleidungsstücke anschließend mit nach Hause.

Die jüngeren Frauen besuchen meist lieber den Computerkurs, denn in Kifri gibt es für Frauen ansonsten keine Möglichkeit.

Lautes Lachen gemischt mit der neusten kurdischen Popmusik tönt aus dem Frisörworkshop. Haartönung, Crêpe-Eisen, und Schminke von der Mascara bis zum Lippenstift gehören hier mit zum Equipment. Wer Lust hat kann sich nach dem Unterricht den neusten Modeschnitt verpassen oder die Haare hochstecken lassen.

Seit Neuestem gibt es auch Englischkurse. Viele Frauen kommen aber auch einfach nur, um in der Bibliothek Zeitschriften oder Bücher auszuleihen oder um sich mit anderen Frauen zu treffen.

Regelmäßig werden nachmittags Vorträge über Frauengesundheit, Kinderpflege und die rechtliche Situation von Frauen gehalten. Anschließen ist Gelegenheit, heiß darüber zu diskutieren.


Mobile Teams

Täglich besuchen die mobilen Teams abgelegene Dörfer in der Region Germian - © Foto: WADITäglich macht sich ein Team des Frauenzentrums Kifri in den frühen Morgenstunden mit Autos in die Dörfer der Region Germian auf. Das Team besteht aus einer Frauenärztin, einer Krankenschwester und einer Sozialarbeiterin. Alle Mitarbeiterinnen stammen aus Kifri und der Umgebung, denn die aufsuchende Hilfe ist Vertrauenssache. Sie besuchen die entlegensten Dörfer im Umkreis, deren Bewohnerinnen noch heute extrem isoliert leben.

Das mobile Team bietet den Dorfbewohnerinnen in der Schule, der örtlichen Moschee oder einem Wohnzimmer eine offene Sprechstunde an. Es wird über gesundheitliche oder auch familiäre Probleme gesprochen. Häusliche Gewalt ist ein häufiges Thema. Das mobile Team hat für alle Fragen ein offenes Ohr und bringt bei Bedarf bedürftige Frauen in ein Frauenhaus oder ins Krankenhaus. Wichtigste Aufgabe der Teams ist jedoch die präventive Aufklärungsarbeit gegen die verbreitete Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung geworden. 

Inzwischen sind die mobilen Teams für viele Frauen zu einer festen Institution geworden, der man vertraut und die ein Teil des Lebens in Germian geworden ist.


Mobile Cinema

Alle Frauen des kleinen Dorfes sind versammelt, um den Aufklärungsfilm anzuschauen und danach gemeinsam über das bisher Unausgesprochene zu diskutieren - © Foto: WADISeit Oktober 2005 bricht täglich ein weiteres mobile Team in die Dörfer der Region Germian auf. Im Gepäck ist ein DVD-Player und eine Video-CD. Das Team besteht aus einer Sozialarbeiterin und einer Krankenschwester. Die Dorfbewohnerinnen der Region kennen die beiden bereits, denn sie haben zuvor in Wadis mobilem Team gearbeitet und sich so das Vertrauen der Frauen erworben. Und dieses Vertrauen ist nötig, denn das Team hat eine besondere Aufgabe: Es zeigt den Frauen einen in der Region produzierten Aufklärungsfilm gegen weibliche Genitalverstümmelung. 

Das Mobile Cinema hat eine Schlüsselrolle in Wadis Anti-FGM-Kampagne. Die mobilen Teams hatten bereits im Jahre 2003 bei ihrer täglichen Arbeit festgestellt, dass ein erschreckend hoher Prozentsatz von Frauen im Nordirak Opfer von Klitorisamputationen wird. Die Existenz von weiblicher Genitalverstümmelung war bisher sowohl von der internationalen Forschung ignoriert oder geleugnet, als auch von den kurdischen Behörden verschwiegen worden. Damit ist Irakisch-Kurdistan keine Ausnahme. Sexualität ist im Nahen und Mittleren Osten ein Tabuthema. Und auch über Genitalverstümmelung, der jährlich Tausende von jungen Mädchen im Nordirak zum Opfer fallen, sprach hier niemand. Auf die Inititaive der lokalen Mitarbeiterinnen Wadi Germians beschloss Wadi nach ersten Indizien im Herbst 2004, eine erste Befragung zu unternehmen. Das Resultat war schockierend: über 60 % aller Mädchen und Frauen über 10 Jahren, die befragt wurden, gaben an, Opfer dieses äußerst schmerzhaften und frauenverachtenden Eingriffs geworden zu sein.

Was tun, um Tausende von jungen Mädchen vor dieser menschenverachtenden Zurichtung zu retten?

Noch im Winter 2004 erklärte sich ein kurdischer Filmemacher bereit, in Kooperation mit dem mobilen Team Wadi Germian einen Aufklärungsfilm gegen FGM zu drehen. Seit Herbst 2005 zeigen mobile Teams diesen Film auf den Dörfern. Das Ziel des Programms „ Mobile Cinema“ ist es, die Frauen auf die psychischen und physischen Folgen des Eingriffs aufmerksam zu machen und sie zu überzeugen, ihren Töchtern diese lebenslängliche Tortur zu ersparen. Das Mobile Cinema in Germian ist Teil einer groß angelegten Kampagne, die Wadi im Nordirak durchführt. Ein zweites Mobile Cinema arbeitet im Raum Erbil, weitere Teams sind bereits geplant.

Die Kursteilnehmerinnen empfangen ihre Urkunden, die ihnen helfen sollen, eine Arbeit zu finden oder sich beruflich weiterzuqualifizieren - © Foto: WADIZur Kinositzung werden alle Frauen in den größten Raum des Dorfes eingeladen. Der Film zeigt in klarer, einfacher Weise, warum FGM nicht mehr praktiziert werden soll. Neben den Mitarbeiterinnen des mobilen Teams wurden dazu eine Frauenärztin aus Suleymania und ein muslimischer Geistlicher interviewt, der erklärt, dass der Islam die Beschneidung von Frauen nicht vorschreibe.

Nach dem Film haben die Frauen Gelegenheit, dem Team Fragen zu stellen. Nicht selten kommt es zu heißen Diskussionen. Doch dies gehört zu den Zielen des Mobile Cinema: die Dorfbewohnerinnen sollen das Tabuthema Frauenbeschneidung kontrovers diskutieren und auf Dauer lernen, es kritisch zu betrachten und in Frage zu stellen.


First Aid – Kurse in Germian

Im Frühjahr 2005 bot das mobile Team Erste-Hilfe-Kurse für die Bewohner einiger abgelegener Dörfer in der Region Germian an. Vor dem Hintergrund der schlechten Infrastruktur und der Tatsache, dass es in den Dörfern der Region keine medizinische Versorgung gibt, stellen Erste-Hilfe-Kurse eine überlebensnotwenige Qualifikation für die Bewohner dar.

Wadis mobiles Team stellte den Teilnehmer/innen einen Kleinbus zum Transport zur Verfügung. In Schulgebäuden fanden die Kurse in Form von Kompaktseminaren statt, an denen Frauen und Männer gemeinsam teilnahmen. Die TeilnehmerInnen lernten neben herkömmlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen Verletzungen und giftige Reptilien- und Insektenbisse fürs Erste zu versorgen, damit der Patient den bis zu 3-stündigen Weg bis ins nächste Krankenhaus überleben kann. Nach Abschluss der Kurse wurden jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer ein Erste–Hilfe-Kit und eine Urkunde überreicht.

Die Projekte in Germian werden unter anderem gefördert von:

Text: Sandra Strobel, WADI


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