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Presseerklärung

Zum internationalen Frauentag:

Genitalverstümmelung ist keine Kultur, sondern ein Verbrechen!

Kampagne gegen Genitalverstümmelung im kurdischen Nordirak

http://www.boston.com/globe/



Berlin/Suleymaniya,
06.03.2007

Berlin/Suleymaniya(Irak): Inmitten der täglichen Gewalt, die das Bild des Irak in den internationalen Medien kennzeichnet, richten sich Frauen mit einem dringenden Appell an die kurdische Regionalregierung im Norden des Irak: Stoppt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen und schützt ihr Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit! Gemeint sind nicht Entführungen und Kriegsgewalt, gemeint ist eine Form »traditioneller« Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die in Friedens- wie Kriegszeiten existiert: FGM (Female Genital Mutilation), die Verstümmelung weiblicher Sexualorgane.

FGM ist international gebannt - durch die Kinderrechtskonvention, weil die euphemistisch »Beschneidung« genannte Operation zumeist an Minderjährigen vorgenommen wird, und durch zahllose Einzelbeschlüsse und -abkommen. Die Verstümmelung zielt darauf ab, die weibliche Fähigkeit zu eigenem (sexuellem) Lustempfinden zu vernichten. Sie ist der ultimative, körperliche Ausdruck der Unterdrückung von Frauen und Mädchen. Die Betroffenen leiden regelmäßig unter Entzündungen und dauerhaften Erkrankungen der Sexualorgane, unter Unfruchtbarkeit und anhaltendem Schmerz, oft auch unter starken psychischen Belastungen wie dem post-traumatic stress symptrom. Immer wieder sterben Mädchen infolge der Operation. International herrscht Einigkeit darüber: FGM ist keine Kultur, sondern ein Verbrechen.

Weitgehend unbemerkt von der internationalen (Fach-) Öffentlichkeit wird FGM auch im kurdischen Nordirak praktiziert. Erste Untersuchungen in einzelnen Regionen zeigten, dass bis zu 60 % der befragten Frauen der Operation unterworfen wurden. Frauenrechtsverbände vor Ort haben bereits Mitte vergangenen Jahres auf einer regionalen Konferenz, unterstützt von WADI, dazu aufgerufen, dem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die weibliche Genitalverstümmelung per Gesetz zu ächten. In einigen Regionen arbeiten Mobile Teams in Dörfern und Städten, um Frauen und Männer über die gravierenden Folgen der Praxis aufzuklären. Zum internationalen Frauentag treten Frauen und Männer aus der Region nun öffentlich dafür ein, offen über ein tabuiertes Thema zu sprechen und FGM im Nordirak auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu bekämpfen.

Innerhalb weniger Tage unterzeichneten mehr als 5.000 Personen namentlich einen offenen Brief an das Parlament der Region Kurdistan/Irak, der zum internationalen Frauentag in allen größeren Tageszeitungen der Region ganzseitig veröffentlicht wird. Fernsehspots gegen FGM in kurdischen Sendern sollen die breite Bevölkerung aufklären. Eine demokratische Gesellschaft, so der Aufruf sinngemäß, könne die beständige Verletzung der grundlegendsten Rechte von Frauen und Mädchen nicht dulden.

Öffentliche Kampagnen wie diese sind neu in einem Land, das jahrzehnte von einer totalitären Diktatur regiert wurde. Politischer Dissens und Opposition äußerten sich bestenfalls heimlich. Ein namentliches Bekenntnis kam der Todesstrafe gleich. Um so beeindruckender ist die große Resonanz, die der Aufruf binnen weniger Tage gefunden hat. Der Weg der öffentlichen Kampagne wurde bewusst gewählt. FGM fußt auf dem Schweigen der Beteiligten, die Praxis ist umhegt von einer Mauer aus Scham. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass der Bruch des Schweigens der erste, unabdingbare Schritt hin zu einer breiten Ächtung der Genitalverstümmelung ist.

Der Aufruf im Internet: http://www.stopfgmkurdistan.org


Weiterführende Informationen:

1. „Is FGM an Islamic problem?” (Middle East Quarterly, Winter 2006/2007) http://www.wadinet.de/analyse/iraq/fgm-an-islamic-problem.htm
2. Projekte gegen Genitalverstümmelung in Irakisch-Kurdistan - siehe online: http://www.wadinet.de/projekte/frauen/fgm/studie.htm

Filmmaterial:

WADI hat gemeinsam mit dem kurdischen Regisseur Nabaz Ahmed im vergangenen Jahr einen Dokumentar-Film über FGM in der irakisch-kurdischen Region Germian produziert. In dem 30 minütigen Film sprechen Frauen und Mädchen über ihre Erfahrungen mit Genitalverstümmelung, über die Ursachen und Begründungen und über die Folgen der Praxis. Der Film liegt in Originalton mit englischen Untertiteln vor. Anfragen bitte an .


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