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Arm, islamisch, demokratisch …

von Thomas von der Osten-Sacken

Seit nunmehr über einem Jahr rät mir, wenn wir uns im Irak treffen, Michael Rubin regelmäßig, ein wenig mehr über Mali zu lesen: dieses Land in Afrika, sowohl eines der ärmsten der Welt, als auch mehrheitlich von als Muslime klassifizierten Menschen bewohnt, räume ganz empirisch mit einigen der weit verbreiteten und zugleich so inhumanen Vorstellungen auf, die sowohl im NGO Bereich, als auch im „politischen Diskurs“ der EU inzwischen fast den Wert unhinterfragbarer Weisheiten haben.

Der erste „Glaubenssatz“ postmoderner Politikwissenschaft und Entwicklungstheorie, stamme sie nun von links oder rechts, lautet ja, Demokratie und Rule of Law seien nur in wohlhabenden Ländern implementierbar. Noch jeder Sozialdemokrat aus der Provinz weiß schließlich, dass erst das Fressen, dann die Moral komme. So überschlagen sich ganz antirassistische, sich um das Wohl der Dritten Welt besorgt gebende Menschen, in ihren Rechtfertigungen sog. Entwicklungsdiktaturen. Erst vor wenigen Tagen hatte ich etwa das zweifelhafte Vergnügen auf einer Konferenz an der Frankfurter Universität einem Vortrag von Prof. Dr. Harald Müller von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung lauschen zu dürfen.

Müller bezeichnete die auf Aufklärung und bürgerliche Revolution fußenden Ideen und Ideale von Individualismus, Demokratie, Emanzipation und Säkularismus als „westliche Kultur“, der eben andere Kulturen gegenüber stünden. Als recht positives Beispiel einer genuinen Entwicklung lobte er dann Saddam Husseins Irak, wo immerhin Ökonomie und Gesundheitswesen gut ausgebildet seien. Die Idee, Menschen in anderen Ländern könnte es um so westliche Vorstellungen wie Freiheit, Rechtssicherheit und der Möglichkeit gehen, sich einer Regierung in freier Wahl zu entledigen, schien in diesem Weltbild vor allem abwegig. Immer wieder wurde von Armen gesprochen, deren „Recht“ vor allem eines auf Entwicklung sei.

Ein Argument, dass ich schon so oft gehört habe und für eines der zynischsten aus dem Repertoire des europäischen Gutmenschentums halte. Damit nämlich reduziert man Menschen, die unter Armut leiden auf ihre existenziellen Bedürfnisse, erklärt sie sozusagen zu auf die Erfüllung primärer Bedürfnisse reduzierte kreatürliche Existenzen und spricht ihnen damit imlizit die Fähigkeit ab, als „zoon politikon“ sich für anderes als den Selbsterhalt zu interessieren. Aus meiner eigenen Erfahrung pflege ich dann zu antworten, dass es etwa den irakischen Kurden bei ihrem Aufstand gegen Saddam Hussein 1991 um Freiheit nicht Wohlstand ging. Sie lebten für Jahre unter einem Doppelembargo, nur weil sie sich weigerten zu Saddam, dem großen Wohltäter, nach Lesart der Müllers dieser Welt, zurück zu kehren.

Mali nun ist, wie Kay Zeric Smith schon im Jahre 2001 schrieb, ein klares Gegenbeispiel: “Although social science has established that there is a positive relationship between democracy and economic development, democracy can prosper in the absence of wealth.” Schließlich rangiere das Land unter den 10 ärmsten der Welt – ähnlich wie das benachbarte, von Freedomhouse ebenfalls als frei eingestufte Senegal – und sei doch „remained democratic since its first multiparty elections in 1992.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Robert Pringle im vergangenen Oktober: “Mali has achieved a record of democratization that is among the best in Africa.”

Über diese Freiheit informiert Freedom House und man reibt sich die Augen, liest man Zeilen wie diese:

“Freedom of assembly and association is guaranteed and respected. Many civic groups and nongovernmental organizations, including human rights groups, operate without interference. Workers are guaranteed the right to join unions, and nearly all salaried employees are unionized.”

Zu allem Überfluss ist Mali auch noch ein sog. „muslimisches Land“ mit säkularer Verfassung: “Mali’s population is predominantly Muslim, though the state is secular, and minority and religious rights are protected by law. Religious associations must register with the government, though this requirement is not burdensome or intrusive.” Mali also ist eine existierende Demokratie, die sicher in vielem Defizite aufweist, aber real-existierend mit zwei Vorurteilen aufräumt: Dass Armut Demokratisierung ausschließe und Islam und Demokratie sich nicht vereinbaren lassen – Indonesien ist lauf Freedom House ein weiteres der wenigen Gegenbeispiel zu der letzteren Vorstellung.

Grund genug also Intellektuelle, Politiker, von mir aus auch Kleriker zum Dialog zu laden, scheinen sie doch Antworten auf die brennenden aktuellen Diskussionen geben zu können. Googelt man allerdings „Mali & Dialog“ oder ähnliche Kombinationen, dann findet man NICHTS. Kein einziger Teilnehmer aus Mali (oder Senegal) scheint je an einer der tausenden Islamdialogveranstaltungen teilgenommen zu haben, Gastbeiträge malischer Politikwissenschaftler in deutscher Sprache habe ich ebenfalls keine finden können. Lediglich die Frankfurter Rundschau und einige andere Publikationen haben über Mali einiges Positives veröffentlicht, wobei auch hier die Kultur erneut im Vordergrund zu stehen kommt. (Auch in Darstellungen verschiedener deutscher Organisationen, die in Mali aktiv sind, wird in ein Schwerpunkt auf die Armut des Landes, nicht die etwa die Demokratie gelegt.)

Wenigstens, so denkt man, fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Mali nach Kräften. Wenn die Palästinenser schon Hunderte Millionen Euros erhalten, dann verdient Mali das Zehnfache. Immerhin: Mali sei „Schwerpunktland“ der Zusammenarbeit lernt man auf den Seiten des Ministeriums. Unternimmt man allerdings die Mühe, sich durch die Seiten zu arbeiten, stellt man fest, dass offenbar laufend 14,3 Millionen für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Mali gezahlt werden. Zahlen, die so für sich selbst sprechen, dass jeder Kommentar sich erübrigt.

Nun wird man zu Recht einwenden, dass in Mali die Situation von Frauen katastrophal sei, Genitalverstümmelungen ebenso weit verbreitet sind wie Ehrmorde. Nur: in Mali finden – wie in Senegal auch – vergleichsweise erfolgreiche Kampagnen, unterstützt von der Regierung, gegen diese Verbrechen statt. Und da Mali immerhin „nur“ auf Platz 99 von Transparency International rangiert (im Vergleich: Griechenland Platz 54, Russland 121) , also im Mittelfeld, ist sogar davon auszugehen, dass Hilfe auch ankommt und nicht in einer durch und durch korrupten Bürokratie versickert.

Wäre es nicht sinnvoll, deshalb eine Kampagne zu starten, die gezielt auf eine Aufwertung Malis zielt und etwa zu fordern, dass Steuergelder, die nur dazu dienen, die Palästinenser weiter in einem Zustand von Bettlern zu halten (von der allzubekannten indirekten Finanzierung des antisemitischen Terrors ganz zu schweigen), nach Mali umzuleiten, um ganz praktisch zu zeigen, dass a) Armut (die behebbar ist) und b) Islam sich mit Demokratie vereinbaren lassen und wir uns mit derartigen Bemühungen in jeder Hinsicht solidarisch zeigen?


Artikel erschienen am 27.05.2007 auf WadiBlog


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