"This is a world that is much more uncertain than
the past.
A world of madmen, terror and missiles."
George W. Bush
"Der erbitterte Streit um den Golfkrieg erscheint heute als ziemlich übersichtliche Angelegenheit. Damals ging es den "Bellizisten" noch darum, die Legitimität militärischer Interventionen zur Wiederherstellung des Völkerrechts gegen den Vulgärmaterialis-mus der Parole "Kein Blut für Öl" zu verteidigen. (...) Heute hingegen haben in der Bundesrepublik die Befürworter bewaffneter moralischer Missionen das Sagen." (Die Zeit)
Rundbrief 2000
Liebe Freundinnen und Freunde,
Spenderinnen und Spender,
Die Geschichte, die es seit dem Ausbruch des zweiten Golfkrieges
im Januar 1991 zu schreiben gälte, ist markiert von Begriffen, deren
immer kürzer werdende politische Halbwertzeit in keinem Verhältnis zu
ihrem hochgradig ideologischen Gehalt steht. Im Krieg gegen den "Irren
von Bagdad" rief US-Präsident George Bush damals die "Neue Weltordnung"
aus, der in kurzer Folge der Neoliberalismus, die Globalisierung, die
menschenrechtsorientierte Außenpolitik und vor kurzem jener moralische
Interventionismus gegen den "Irren von Belgrad" folgte.
Ihren Niederschlag fanden diese Ideologeme in einer Politik, deren Beginn
nicht zufällig mit dem Ausbruch des Golfkrieges datiert wird. Dort begann
mit der Einrichtung eines safe haven im Norden des Irak als Unfall,
was sich in Somalia, Ruanda, Bosnien und später dem Kosovo als Programm
durchsetzte: Die humanitäre Intervention als Gemeinschaftsprojekt von
Militär, Presse und Hilfsorganisationen zur Ordnung einer aus den Fugen
geratenen Welt vor den Toren der Industrienationen.
Diese Geschichte will von ihrem Ausgangspunkt her verstanden werden,
dem Irak, wo zehn Jahre nach Beginn des Golfkrieges statt einer Alternative
ein Interimzustand zur Normalität geraten ist, die grundlegenden Herrschaftsverhältnisse
nicht verändert, sondern versteinert wurden. Im kurdischen Nordirak,
der in einem rechtlosen Zustand seit zehn Jahren existiert, wie den
anderen Enklaven und Protektoraten, stellen mehr als die Katastrophen
die Versuche der Abhilfe vor Ort die ideologische Aufbereitung in Frage
- wie die Selbstorganisation von Gefangenen oder die Politik der Frauenorganisationen
im kurdischen Nordirak, die nicht wegen, sondern trotz der gesetzten
Bedingungen entstanden.
Die Geschichte also die es zu schreiben gälte, wäre nicht jene der großen
Begriffe, sondern die des Lebens unter dem Diktat der Ideologeme. Der
Tenor dieses Diktates nämlich blieb sich trotz wechselnder Begrifflichkeit
erstaunlich gleich. Der Sohn des Präsidenten, der beanspruchte, eine
globale neue Ordnung zu erschaffen, schickt sich an das Erbe seines
Vaters zu übernehmen und betrachtet die Welt aus der Perspektive der
eingebunkerten Eliten in den Villenvororten der Drittweltmetropolen.
Wie jene nimmt er die Umwelt nur noch als feindlich wahr, voll vom Terror
der "madmen", die unter Kontrolle zu halten der Vater einst mit militärischen
Interventionen versprach.
So gegensätzlich moralischer Interventionismus und Bunkermentalität
auf den ersten Blick erscheinen, so verwandt sind sie einander dem Wesen
nach: Als Manifestationen derselben Gemütsstimmung, die der Blick auf
jene Welt erzeugt, die sich hinter den Mauern des Präsidialamtes oder
jenseits der Grenzen Europas verbirgt und jene mit Angst erfüllt, die
sie mitgeschaffen haben. Wie dem Wahn der Reichen, die mit Zäunen, Videoüberwachung
und Nachsichtgeräten gegen den imaginierten Ansturm der Armen aufrüsten,
so ist auch dem moralischen Interventionismus im Kern schon der Wunsch
nach Abschottung inhärent.
Die Geschichte der humanitären Interventionen ist eine Erfolgsstory
nur im Sinne der Abwehr von Menschen, deren prekärer Zustand in den
von internen Machtkämpfen zerütteten Staaten und ethnischen Enklaven
von einer ungewissen Zukunft, nur um die Bürde der Statuslosigkeit bereichert
wurde. Das Schicksal der irakischen Kurden, deren Selbstverwaltung,
die den Industrienationen keine Anerkennung oder bilaterale Hilfe wert
ist, ihnen als "inländische Fluchtalternative" zum Verhängnis wird,
sobald sie einen Asylantrag stellen, teilen heute die Bewohner Bosniens
und des Kosovo. 210.000 bosnische Flüchtlinge wurden seit dem Daytoner
Friedensabkommen 1995 mehr oder minder freiwillig zurückgeflogen, 161.000
davon aus Deutschland. In der selben Zeit konnten in Bosnien-Herzegovina
lediglich 16.000 Displaced Persons in ihren Herkunftsorten wieder angesiedelt
werden. Die trostlose Situation der Menschen im Kosovo, die in eine
unregierbare Bürgerkriegsregion zurückkehrten, läßt sich den täglichen
Nachrichten entnehmen.
Wenn, wie beispielsweise der Zeit, zum Golfkrieg vor allem der Wandel
der politischen Akteure von Interventionsgegnern zu Bellizisten und
umgekehrt einfällt, dann nur deshalb, weil sich ansonsten so grauenhaft
wenig verändert hat.
Die Tragik des Immergleichen liegt in der steten Verschlechterung: 800 Millionen Menschen leiden derzeit an Hunger, 1,3 Milliarden leben unter der "absoluten Armutsgrenze", die mit einem Pro-Kopf-Einkommen von einem Dollar pro Tag schon extrem niedrig angesetzt ist. Legte man die Grenze mit zwei Dollar fest, so leben 2,6 Milliarden Menschen, also mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, unter Verhältnissen, die ihr Überleben täglich neu in Frage stellen.
In den immer neuen Begriffen von einer Weltordnung, die Neues nicht zu bieten hat, rationalisiert sich eine freudlose Schützengrabenideologie und ihre Parole des Weitermachens bis zum bitteren Ende. Der New World Order, wie den angeblich heilsamen sich selbst regulierenden Kräften des Neoliberalismus, die als running gags schon durch die Leitartikel kalauerten noch bevor sie als Wahlprogramme der Regierungsparteien formuliert waren, stehen jene Feindbilder gegenüber, in denen sich die abstrakte Gewalt der bestehenden Ordnung personifiziert. Den "Irren von Bagdad", der den Vater beschäftigte und den Ussama Bin-Laden, der den Sohn umtreibt, unterscheidet als Symptome des Immergleichen einzig, dass mit dem Sieg über ersteren noch das Versprechen verknüpft war, die Ursachen für seine Untaten gleichsam mit zu beseitigen. Alle vier verkörpern die Starrheit einer Weltordnung, die in logischer Konsequenz unablässig "madmen, terror and missiles" produziert.
frauenprojekte
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt seit Jahren in der Unterstützung
von Projekten von und für Frauen. Neben den anderen Frauenprojekten
stellt die Unterstützung des "NAWA-Centers für Frauen in Krisensituationen"
einen wichtigen Bestandteil unserer Arbeit dar.
Eröffnet wurde das Zentrum im Januar 1999. Bis Ende August 2000 haben
247 Frauen sich im NAWA-Zentrum aufgehalten, viele andere haben zudem
dessen ambulanten Dienste in Anspruch genommen.
Unterstützt und mitgetragen von einem Komitee bestehend aus allen Frauenorganisationen
Suleymaniahs stellt das "NAWA-Center" einen wichtigen Bestandteil einer
Reihe von Projekten dar, mit denen versucht wird die soziale und politische
Lage von Frauen in Irakisch Kurdistan zu verbessern.
Im folgenden stellen wir Ihnen Auszüge des Berichtes einer unserer Mitarbeiterinnen vor, die im Herbst in Suleymaniah unsere Projekte besucht hat:
"Das Zentrum steht ratsuchenden Frauen Tag und
Nacht offen. Sie kommen mit ihrem akuten Problem, Mißhandlung, Scheidung,
Depression etc., zu einer der Frauenorganisationen, die ihnen dann empfehlen,
ins NAWA-Zentrum zu gehen. Im Zentrum findet sie einen Übernachtungsplatz
und ein erstes Gespräch über ihr akutes Problem. Häufig dauert es jedoch
mehrere Sitzungen, bis sie über die Ursachen der Probleme in der Ehe
oder zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter sprechen, da zunächst
viele Frauen ihr persönliches Problem als schamvoll betrachten.
Die einzelnen Biographien sind unterschiedlich: einige Frauen sind im
Zentrum, weil sie von ihrem Ehemann mißhandelt werden. Manche Mädchen
wurden jung zwangsverheiratet, verlieben sich in einen anderen Mann
und werden dann von ihrem Ehemann der Untreue verdächtigt, der ihr zum
Teil sogar mit dem Tod droht.
Endgültige Schritte, wie Scheidung oder gar Selbstmord, scheinen dabei
für viele Frauen die einzigen Lösungsmöglichkeiten ihrer Probleme zu
sein und erst nach mehreren Gesprächen gelingt es den Sozialarbeiterinnen
andere Lösungen zu finden. Dann wird diskutiert, ob Scheidung tatsächlich
der beste Ausweg aus ihrem Problem ist, da eine geschiedene Frau gesellschaftlich
sehr schlecht angesehen wird. In solchen Fällen vermittelt NAWA einen
Rechtsanwalt, der gerade auf Scheidungsfälle und die Rechte der Frau
spezialisiert ist.
Häufig sind es jedoch alltägliche Unstimmigkeiten, die sich angestaut
haben und zu einem scheinbar unüberwindbaren Problem werden, die die
Frauen dazu bewegen, im NAWA-Zentrum Rat zu suchen. Hier kann in der
Regel durch Gespräche mit allen Beteiligten vermittelt werden.
Neben den Einzelgesprächen, Familiengesprächen und Gruppengesprächen
finden tagsüber verschiedene Aktivitäten statt wie Gymnastik, Musik
und Tanz, Volontärinnen der Frauenorganisationen Workshops an. Im Garten
des Zentrums werden Blumen gezüchtet und Gemüse angebaut. Gerade diese
praktischen gemeinsamen Tätigkeiten sind den Frauen sehr wichtig, da
sie dabei ungezwungen miteinander reden können und häufig erzählt eine
Frau bei diesen Arbeite Einzelheiten aus ihrem Leben und von ihrer innerfamiliären
Situation. Mehrmals im Monat gehen die Sozialarbeiterinnen gemeinsam
mit den Frauen picknicken oder ins Theater und ins Kino.
Bei einer Fortbildung des Diakonischen Werks zum Thema Frauen und Gewalt
lernte eine Mitarbeiterin des Zentrums, Methoden, wie man mit spielerischen
und zeichnerischen Mitteln Informationen über den Lebenslauf der Frauen,
ihre positiven und negativen Lebensphasen, ihren familiären Hintergrund
und ihre sozialen Bindungen sammeln kann. Da die meisten Frauen, die
ins NAWA-Zentrum kommen, nicht oder nur schlecht, lesen und schreiben
können, war es von großem Nutzen, ihnen nun jenseits der geschriebenen
Sprache Ausdrucksformen vermittelnzu können.
Dem NAWA-Center ist auch eine Telefon-Hotline angeschlossen, bei der Frauen anonyme Beratung finden."
Das Zentrum bietet Unterkunft für bis zu 18 Frauen mit ihren Kindern, die in drei Schlaf- und Aufenthaltsräumen untergebracht sind. WADI unterhält das NAWA Center in Kooperation mit dem Ministerium für Soziales und dem Welternährungsprogramm der UN. Monat für Monat müssen die laufenden Kosten für dieses Projekt aufgebracht werden. Trotz Unterstützung vieler Organisationen, wie der "Stiftung Umverteilen", dem "Weltgebetstag der Frauen", der "Hans Böckler Stiftung" (um nur einige zu nennnen), ist die Fortführung dieses Projektes auch von Ihrer Spende abhängig. Und ausserdem sind Erweiterungen geplant, wie die Einrichtung einer "Kinderstube", in denen die Kinder der Frauen und der Mitarbeiterinnen betreut werden.
projekte in gefängnissen
Aus dem Gedanken, daß sich der Wert bürgerlicher Rechte nicht
anhand der Norm, sondern erst im Umgang mit der Ausnahme ermessen läßt,
sind unzählige Reform- und Menschenrechtsbewegungen entstanden, die
sich mit der Situation der "Ausgestoßenen" aus der Gemeinschaft der
Gleichen vor dem Recht beschäftigen: Den Illegalen, Flüchtlingen und
Gefangenen. Vor allem letztere mußten in den vergangenen Jahren ein
umfassendes Rollback erleben, von dem Abschiebehaftanstalten ebenso
zeugen wie die Rückgängigmachung bedeutender Strafrechtsreformen in
Europa.
Anders als in den Industrienationen, wo Gefängnishaft der dem Rechtssystem
zugrundeliegenden Vorstellung zufolge einen grundlegenden Ausschluss
aus der Gesellschaft darstellt, der nur durch besondere Gründe zu rechtfertigen
ist, fußt die kurdische Gesellschaft auf einer Geschichte willkürlicher
Bestrafungen und Ausschluß bis hin zum massenhaften Mord unter dem Baath-Regime.
Während in Europa Strafe und Haft zunehmend wieder als Lösung gesellschaftlicher
Konflikte gehandelt werden und Rehabilitation immer stärker durch langfristiges
Wegsperren ersetzt wird, setzt sich ausgerechnet in Irakisch-Kurdistan
seit längerem die Idee durch, daß die Demokratisierung der Gesellschaft
nicht vor den Gefängnismauern enden kann.
Gefängnisreformen und Rehabilitationsprogramme, die auf Initiative von
Gefangenen und Sozialwissenschaftlern angestoßen wurden, finden immer
stärkere Zustimmung in einer Gesellschaft, die durch die gemeinsame
Geschichte von Verfolgung verbunden ist.
Seit über fünf Jahren unterstützt WADI Projekte von und für Gefangene in Irakisch-Kurdistan. In enger Kooperation mit Gefangenekomitees und dem zuständigen Department des Sozialminsteriums konnten bislang folgende Projekte von uns durchgeführt werden:
- Alphabetisierungsklassen im Frauengefängnis
- Einrichtung einer Schmiede und Schreinerei im Männergefängnis
- Herausgabe einer Gefängniszeitung
Im Herbst diesen Jahres wurde nun die von uns finanzierte Gefängnisbibliothek
des Männergefängnisses in Suleymaniah eingeweiht.
Geleitet von einem Gefangnenkomitee bietet die Bücherei eine Auswahl
von über 600 verschiedenen Büchern und Zeitschriften an. Gezielt wurden
außerdem Herausgeber verschiedener Zeitungen und Magazine angesprochen
und um Freiabbonnements für das Gefängnis gebeten: mit Erfolg, die Redaktionen
verschiedener kurdischer Tages- und Monatszeitungen erklärten sich umgehend
bereit bis zu vier Exemplare täglich zur Verfügung zu stellen. Auch
kommen einmal im Monat Künstler oder Wissenschaftler ins Gefängnis,
um dort Vorträge zu halten.
Außerdem werden Alphabetisierungskurse für Gefangene angeboten. Seit
zwei Jahren nun arbeiten eine Schmiede und eine Schreinerei im Gefängnis,
wo Interessierte eine Ausbildung für das "Leben danach" erhalten, aber
auch Produkte zum Verkauf hergestellt werden. Mit Hilfe der Schreinerei
erneuerten die Gefangenen die gesamte Inneneinrichtung der Zellen und
Aufenthaltsräume des Gefängnisses.
Zum internationalen Tag der Menschenrechte am 12. Dezember wird eine
gedruckte Fassung der seit langem von uns mit unterstützten Gefängniszeitung
erscheinen. Ein weiteres Projekt, das nur mit Ihrer Unterstützung möglich
war.
Die Kooperation mit den Gefangenen soll weiter intensiviert werden. Unter anderem ist die Einrichtung sogenannter "Familienräume" geplant, in denen sie ihre Familien und Ehefrauen ungestört treffen können. Auch streben wir eine Ausweitung des Bildungsangebotes nicht nur innerhalb des Gefängnisses an, sondern geplant ist auch ein größeres Projekt zur Übernahme ehemaliger Gefangener in Ausbildungsstätten in Suleymaniah.
projekte für flüchtlingskinder
Seit numnmehr sechs Jahren unterstützen wird verschiede Kindergärten
für innerkurdische Flüchtlingskinder. Die systematische Vertreibung
kurdischer Bewohner der von Saddam Hussein kontrollierten Städte Kirkuk
und Khanaqin geht weiter. Immer mehr "Vertreibene" kommen in den Nordirak,
ohne sehr viel mehr zu besitzen als die Kleider die sie auf dem leib
tragen. Sie werden in sogenannten Sammelstädten notdürftig Behelfsunterkünten
untergebracht. In den Kindergärten wird den Kindern dieser Flüchtlinge
neben Betreuung und Unterhaltung jeden Tag eine warme Mahlzeit zubereitet.
Dies soll auch in Zukunft so bleiben und ist nur mit Ihrer Unterstützung
möglich.
Zudem müssen die Gebäude dringend renoviert und neue Spielsachen gekauft
werden. Ursprünglich war etwa der "Lissy-Schmidt-Kindergarten" in der
Barzian Sammelstadt für 89 Kinder gedacht, für das neue Schuljahr sind
jetzt 143 angemeldet.
flüchtlinge
Parallel zur zunehmenden Abschottung der europäischen Außengrenzen
wandelt sich die Analyse von Flüchtlingspolitik zusehends zur Katastrophenberichterstattung.
Der Reflex, der einsetzt, wenn das Unvermeidliche geschieht, ist immer
der gleiche. Als im Juni in Dover ein Container mit mehr als 80 erstickten
Flüchtlingen entdeckt wurde, die keinen anderen Weg nach Europa fanden,
als den lebensgefährlichen, versteckt in Gemüse- und Frischgutbehältern,
wurde parteiübergreifend die Forderung laut, die Bekämpfung der "illegalen
Migration" auszubauen. Genau diese Bekämpfung von Flüchtlingen, die
de jure von einer internationalen Konvention geschützt sind, die explizit
die "illegale" Migration für Flüchtlinge erlaubt, erzeugt täglich neue
Tote an den Außengrenzen Europas.
Ausgerechnet der kurdische Nordirak, aus dem täglich aufs neue Menschen
vor den Folgen einer gescheiterten Politik fliehen, die weder Schutz
vor dem irakischen Regime, noch eine nachhaltige soziale Entwicklung
der Region ermöglichte, ist dabei zum Vorbild für eine "kohärente" europäische
Flüchtlingspolitik geworden. Was unter dem Konzept der Kohärenz auch
für Afghanistan, Somalia, Sri Lanka und andere "Herkunftsländer" als
"Querschnittsaufgabe von Flüchtlings- Außen und Entwicklungspolitik"
(Papier der EU-Komission unter deutscher Ratspräsidentschaft) avisiert
wird, entpuppt sich nichts anderes als eine ausgelagerte Abschottung,
die darauf abzielt Flüchtlinge bereits am Ausgangsort ihrer Flucht zu
binden.
Dabei ersetzt zusehends eine Hilfspolitik, die eine Ordnung der Flüchtlingslager
vor Ort, aber keine Alternative bietet langfristige Entwicklungskonzepte.
In der Praxis werden zunehmend die Hilfsorganisationen in diese Abschottungspolitik
der EU eingebunden. Hilfe aber kann die grundlegende politische Änderung
vor Ort nicht ersetzen.
Unsere Auseinandersetzung mit den neuen Konzepten der Fluchtabwehr entspringt
der praktischen Arbeit vor Ort. Mit der Analyse der Entwicklung im kurdischen
Nordirak haben wir uns direkt in die Diskussion um die Programme europäischer
Flüchtlingspolitik eingeschaltet. Die praktische Unterstützung von Flüchtlingen
und die kompromißlose Verteidigung eines Asylrechts entgegen der avisierten
politischen Regulierung von Flüchtlingskontigenten mittels Hilfs- oder
Militärmandat gehört genauso dazu, wie die Analyse europäischer und
deutscher Strategiepapiere. Nachdem der Lagebericht des Auswärtigen
Amtes nach unserer ersten Kritik überarbeitet wurde, erschien im August
von uns eine Anschlußanalyse, die von Pro Asyl in Auftrag gegeben wurde.
Beide Analysen sind zwischenzeitlich zu gängigen Quellen der Verwaltungsgerichte
in Asylverfahren geworden.
Für das nächste Jahr ist eine Intensivierung dieser Tätigkeit geplant,
wobei die Analyse und Kritik der EU-Aktionspläne im Vordergrund unserer
Arbeit stehen wird.
Aber auch die individuelle Beratung von Flüchtlingen werden wir ausbauen
und fortführen.
Zehn Jahre nach dem Golfkrieg setzen wir die kontinuierliche
Arbeit fort, gegen die Kontinuität der Verhältnisse - vor Ort
wie hier, in Projekten und Hintergrundanalysen.
Texte, Analysen und Materialsammlungen zur Flüchtlingspolitik, der Entwicklung vor Ort, dem Irak-Konflikt, den Projekten können Sie telefonisch, per Post bestellen und ab dem 1. 12. 2000 auch im Internet abrufen unter www.wadinet.de. Kontinuierliche Arbeit benötigt kontinuierliche Unterstützung. Nur mit Ihrer solidarischen Hilfe war und ist dies möglich. Ihnen allen, Privatspendern, Stiftungen und Vereinen danken wir herzlich und wünschen ein frohes und erfolgreiches neues Jahr.
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