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aus: noch härtere zeiten

Postkoloniale Angst

Der ba´thistische Irak

Prolog

Eine Kritik am linken Aktionismus gegen den eventuell stattfindenden Krieg der USA gegen den Irak setzt eine dialektisches Verhältnis zu gesellschaftsveränderenden Dynamiken voraus. Sie bedeutet außerdem eine endgültige Abkehr vom alten linken Mythos, die Welt in Gut (aufrecht sich gegen Unterdrückung wehrende und mit vielen anti-Präpositionen bewaffnete Gruppen von Menschen oder sogar Völker) und Böse (kapitalistisch-imperialistische, monolithische Unterdrückerstaaten) einteilen zu können, an dessen Ende durch revolutionäre Prozesse kein "Böse" mehr übrig bleibt. Diese dialektische Erkenntnis läßt sich vielleicht mit der Analyse zum zweiten Irakkrieg, die in der KONKRET erreicht worden ist und die sich jetzt auch wieder aufrecht erhalten lässt, am besten beschreiben. Die Linke muß anerkennen, dass wieder einmal die falschen Leute - eine christlich fundamentale, rechtskonservative Regierung der USA - mit falschen Mitteln - einen Virilität perpetuierenden Krieg - möglicherweise das Richtige - die Beendigung eines genuin faschistischen Regimes und das Eröffnen eines neuen Raumes, in dem das Verhandeln über einen Minimalkonsens des menschlichen Zusammenlebens jenseits regressiver kollektiver Zwangszuschreibungen theoretisch in Frage kommt - erreichen.

Das Aushalten dieser irren Situation und das Ausformulieren einer grundsätzlichen Kritik an einer grausamen Positionierung linker politischer Gruppen, Zusammenhänge und Einzelpositionen, welche gefährlichen Antiamerikanismus, verkürzte Kapitalismuskritik, Antisemitismus, eine verheerende prämoderne westeuropäische Zivilisationskritik und deutsches Hegemonialstreben vor dem Hintergrund des dritten eventuellen Irakkriegs durch die Bush-Administration unverblümt, mit einem linken Label versehen, der Öffentlichkeit zumutet, ist eine der wichtigen Leistungen antideutscher Gegenwartspolitik.

Für das Verweigern einer Positionierung gegen den drohenden Krieg im Irak mit dem Verweis auf die unerträgliche Anwesenheit des Ba`th Regimes im Irak, seiner Bedrohung für Israel und die zarte Chance zur Emanzipation durch das militärische Entfernen des Ba`th Regimes gibt's von großen Teilen der Linken gegen antideutsche Gruppen und Zeitschriften massive Proteste.

Die härtesten Vorwürfe sind dabei die des Bellizismus(1) und eine eurozentristische, rassistische Einstellung gegenüber den unter den Folgen der historischen kolonialen Besetzung leidenden postkolonialen Staaten - wie es der Irak ist.

Da dieser Eurozentrismus eine unkritische Bejahung westlicher Zivilisation, die ja als Verursacherin jeder menschlichen Unterdrückung analysiert worden ist, zur Folge hat, wird das Selbstverständnis aufgegeben auf das die Linke doch immer so stolz gewesen ist (als überlegene moralische Instanz aufgrund der unbedingten Negation gesellschaftlicher Verhältnisse) so die gewichtigen Argumente.

Penguin meinte einmal in einer Bar, zweifelnd auf mich schauend, dass er sich ganz bestimmt nicht vor die rollenden Panzer legen wird. Dieser Aussage ist unbedingt zuzustimmen und ich möchte sogar noch ein Stück darüber hinausgehen und anmerken, dass ich fast nur noch Kaffee bei Starbucks trinke. Misstrauen gegenüber den Kriegsstrategien der politischen Entscheidungsträger in den USA und ihren Zielen ist weiterhin angesagt, nur zu gut sind die unglücklichen oder katastrophalen militärischen Interventionen der letzten Jahre noch in Erinnerung. Auch sind die USA nicht der Ort gesellschaftlicher Emanzipation, denn auch da geschehen durchaus gefährliche konservative "roll backs". Jedoch sollten und müssen - und da kann man ruhig apodiktisch sein - Fakten, die das Ba´th Regime im Irak geschaffen hat und die zudem noch Konsequenzen über den Irak hinaus haben jedem Menschen, der versucht sein Gehirn zu benutzen und sich informiert, das emotional betroffene No-War-Geschrei im Hals ersticken lassen.

Der Artikel versucht, einige dieser Tatsachen transparent zu machen.Er beruft sich im wesentlichen auf Thesen, die in der "Bibel der Bellizisten"(2), dem von Thomas von der Osten-Sacken und Arras Farrah herausgegebenen Aufsatzband "Saddam Husseins letztes Gefecht? Der lange Weg in den III. Golfkrieg" aufgestellt worden sind. Die Aufsätze geben einen wesentlichen Beitrag zur Analyse des Ba´th Regimes, zur Entlarvung der deutschen Antikriegsbewegung und dem Aufzeigen historisch gewachsener Interessen Deutschlands in dieser Region, ohne dabei die umgekehrte Kapitulation, die bei der Bahamas immer mitzudenken ist, mitzumachen. Denn von einer durch den linken deutschen Mainstream unterstellten Kriegsfreude ist nichts zu merken.

Ich werde mich aus Platz- und Zeitgründen ausschließlich auf eine Charakterisierung des Ba´th Regimes als einem menschenverachtenden und vernichtenden Gesellschaftsmodell und seinen Besonderheiten beschränken. Und oben genannte Vorwürfe nehme ich dabei gerne in Kauf.

Koloniale Geschichte

Franz Fanons düstere Einschätzung von der Unmöglichkeit der Befreiung von Kolonialisierten aus kolonialen Zwangsverhältnissen fand seine Verwirklichung in der tragischen Umkehr von sozialistischen antikolonialen Befreiungsbewegungen in Diktaturen, korrupten Regimes und neoliberalen Umstrukturierern. Auch in den ehemaligen britischen Mandatsgebieten des nahen Ostens, zu dem der heutige Irak gehört, ist von einer postkolonialen gesellschaftlichen Ordnung, die den Menschen ein Recht auf ein würdiges Leben oder überhaupt erst ein Leben zugesteht, trotz des immensen Reichtums an ökonomischer Verwertbarkeit, nichts zu spüren.

Als 1917 die westeuropäischen Siegermächte der Entente Cordiale beschlossen, die lokalen Aufstände im Nahen Osten gegen das zerfallene osmanische Reich zu beenden und den Nahen Osten zwischen Großbritannien und Frankreich aufzuteilen, begann die kurze und eigentümliche Geschichte der kolonialen Phase, die im Irak mit dem ersten Putsch der Ba´th Partei 1963, nachdem es 1932 ein formal unabhängiges Mandatsgebiet geworden war und 1958 zur Republik ausgerufen wurde, endgültig zu Ende ging. Der wesentliche Unterschied in der Sicherung der kolonialen Herrschaft zu den anderen Kolonien in Afrika und Asien lag darin, dass diese im Nahen Osten nicht unmittelbar durch koloniale Repräsentanz der westeuropäischen Machthaber sondern durch ausschließlich vermittelte Kontrolle über einheimische Eliten gesichert wurde- die als selbstverwaltete Mandatsträger, durch die kolonialen Herrscher eingesetzt, fungierten.

Im Irak war es die hashemitische Clique unter dem König Faysal, der auch schon an den Aufständen gegen die osmanischen Machthaber beteiligt war. Somit trat die eigentümliche geschichtliche Entwicklung in Kraft, in der ein Kampf gegen koloniale Herrschaft nicht durch eine soziale Massenbewegung von unten wie im Mahgreb oder in Asien stattfand, sondern als eine widersprüchliche Rhetorik der Eliten, die zugleich gegen eine koloniale Unterdrückung durch Großbritannien und Frankreich argumentierten, aber gleichzeitig durch dieses vermittelte und durch die Kolonialmächte geschützte Machtgefüge an politischer und ökonomischer Macht partizipierten.

Panarabismus

Die oftmals feudalen Eliten als Träger der kolonialen Herrschaft und später auch das Ba´th Regime sicherten ihre politische Macht und verhinderten den nation-building-Prozess durch die Theorie des Panarabismus. Und zwar als einen Rekurs auf ein angenommenes arabisch-islamisches Großreich, welches ausschließlich durch koloniale Zwangsverhältnisse jetzt in viele einzelne Staaten zerfallen ist, das aber immer noch in gemeinsamen kulturellen Wurzeln existiert. Das Theorem, welches Teilhabe und Zugehörigkeit zum Panarabismus sichert, bezog sich wie alle Bewegungen die mit "pan" anfangen, nicht auf Zivilisation (Politik und Institutionen) sondern konstruiert dies durch Geist, Religion, Kultur oder Blut.

Die schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert begonnene antikolonial-panarabische Bedrohungsrhetorik gegen einen äußeren Feind (den vermittelten Koloniestatus kontrollierende westeuropäische Staaten und ihre Kapitalpräsenz) und die inneren Feinde, die durch das Inklusionsraster der Panarabismusideologie durchfielen - wurde bald zu einem wichtigen Theorem in vielen arabischen Mandatsgebieten: Zum Beispiel Syrien, Saudi Arabien und dem Irak fielen schon am Anfang die selbst zugeschriebene Funktion der panarabischen Führungsrolle, aufgrund der besonderen Leistungen des historischen Mesopotamiens, zu.

Die prä-Ba´th-Herrscher auf dem Gebiet des Irak waren allerdings nicht in der Lage, den Panarabismus deckungsgleich mit dem Konzept einer einheitlichen irakischen Nation zu formulieren. Der auf dem kolonialen Reißbrett entstandene Irak war zu heterogen, als dass sich die verschiedenen Mitglieder (sunnitische Araber, Schiiten, Kurden u.a.) auf ein einheitliches Konzept einigen konnten. Insofern es überhaupt ein Interesse daran gab. Darüber hinaus erwiesen sich die alten Eliten unfähig, den ökonomischen Modernisierungen durch den beginnenden Ölfluß adäquate gesellschaftliche Modernisierungen folgen zu lassen. Hilflos agierten sie zwischen den Interessen der neuen städtischen Bourgeoisie, denen der Arbeiter und den Einflüssen der Stammeseliten.

Ba´thismus - "Gesellschaft im Ausnahmezustand" (3)

Den revolutionären Prozess, Panarabismus und Konstruktion einer Nation zusammenzubringen und damit das Leben der Menschen im Irak zu barbarisieren, fiel dem durch einen erneuten Putsch ab dem Jahr 1968 permanent an der Macht befindlichen Ba´th Regime zu. Ba´th bedeutet Wiederauferstehung, das Regime sah sich in einer direkten Nachfolge der babylonisch-mesopotamischen Hochkulturen und definierte den Versuch der Konstruktion einer irakischen Nation, die alles Große Arabiens in sich vereint, als Idealtypus des noch zu schaffenden panarabischen Großreichs. Die Stabilisierung des Ba´th Regimes und Schaffung einer irakischen Nation war nur durch das Zuspitzen der Bedrohung von Außen und Innen zu bewerkstelligen. Erreicht wurde dies durch eine Synthetisierung von antikolonialer, panarabischer und sozialistischer Programmatik. Das Ba´th Regime hielt an einer Rhetorik des Panarabismus fest. Weiterhin wurde die gesamtarabische Nation gepredigt, an dessen Nichtverwirklichung lediglich äußere Mächte, die von nun an die imperialistische USA, seine Speerspitze Israel und auch der Iran darstellten, Schuld gewesen sind. Die Bedrohung stellten jetzt nicht mehr die kolonialen Mächte dar, sondern sie wurde durch den Allgemeinplatz des Begriffs Imperialismus ersetzt. Ohne eine konkrete Definition von imperialem Wirken hegemonialer Staaten wurde ein supranationales imperialistisches Netz gegen das panarabische Streben herbei halluziniert. Der Pan-arabismus als Mythos zur nationalen Befreiung - von Anfang an ein Projekt zur Sicherung der Macht der Eliten. Auf Kosten von innenpolitischen Auseinandersetzungen zur Deckelung von Widersprüchen entwickelte sich unter der Herrschaft des Ba´th Regimes im Irak eine vollends paranoide Feindrhetorik, die den Eindruck erwecken sollte, dass die arabische Halbinsel durch das Wirken der imperialistischen Mächte in ihrer Existenz bedroht wäre, sie vor der unmittelbaren Vernichtung stünde und nur ein Zusammenhalten der immer noch zersplitterten arabischen Staaten, die wohlgemerkt ab den Fünfzigern alle ihre volle Souveränität besaßen, den Untergang verhindern könne.

Von dieser imperialistischen Außenbedrohung ist die ba´thistische Untergangsrhetorik, durch zersetzende Kräfte im Innern der Keimzelle des Panarabismus hervorgerufen, nicht zu trennen. Der Machtsicherungsprozess des Ba´th Regimes muß als ein permanenter Zuspitzungsprozeß von angenommenen Bedrohungen verstanden werden. Im Inneren wurde ein übermächtiger Gegner ausgemacht, der dem panarabischen Projekt willentlich Schaden zufügt. Der Irak wurde durch das Ba´th Regime als ein Staat dargestellt, der durch Verschwörungen von jüdischen Zionisten, iranischen Persern und Schiiten oder Kurden, die sich dem ba´thistischen Projekt versuchen zu entziehen, am Rande des Abgrunds steht. Der ausgemachte innere Feind ließ sich laut Dogma der Ba´th Ideologie nicht mehr in den panarabisch-irakischen Korpus integrieren, ihm blieb nur die Exklusion und Entmenschlichung(4), in Form von Vertreibung, Verhaftung, Verstümmelung und Hinrichtung.

Das Ba´th Regime vermochte diese Feindprojektion durch das Außen und Innen zu revolutionieren und untrennbar voneinander zu verklammern. Es schuf eine Stimmung der Verfolgung und Bedrohung und legte damit die Grundlage für eine Gesellschaft, die sich in einer permanenten kriegerischen Auseinandersetzung gegen die Feinde des Panarabismus befindet. Dem erst propagandistischen Krieg folgte notwendig der tatsächliche Krieg.

Dieses perfide Konstruieren einer Doppelbedrohung ist ein elementarer Teil des ba´thistischen Versuchs einer Konstruktion der irakischen Nation. Wie schon beschrieben, hatten die alten Eliten Schwierigkeiten, den Begriff einer irakischen Nation inhaltlich zu füllen. Das Ba´th Regime füllte diese Lücke in einem grausamen Prozess der Vernichtung.

Als das Ba´th Regime sich an die Macht putschte, konnte der Irak nicht als eine Gesellschaft bezeichnet werden, die durch eine gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte, Grundannahme oder Verfassung gekennzeichnet war, aber von denen einige vorhanden sein müssen, um als Nation eine Gesellschaft zu kreieren. Das Regime, damals eine Gruppe von Desperados ohne eine elementare Verbindung zu großen Teilen der Bevölkerung Iraks, an die Schlüsselstellen der Macht gelangt, baute den Irak als Ba´th auf. Das ist ein permanenter Revolutionsprozess mit ständigen Säuberungen, Gewalttaten und paranoiden Feindzuschreibungen, welcher bis zum heutigen Tag nicht abgeschlossen ist. Übereinstimmend mit anderen autoritären Gesellschaftskonzepten strebte Ba´th eine Gesellschaft an, in der sämtliche Widersprüche nivelliert werden und an dessen Ende die konfliktfreie Ba´th Nation steht. Das ist nur durch eine absolute Homogenisierung der Gesellschaft zu erreichen.

Ba´th als Nation ist als eine völlig neue Form kollektiv-autoritärer Zwangsgemeinschaft zu verstehen, dessen Exklusionen jedoch nicht konfessionell oder nach ausschließlich rassistischen Rastern vor sich gehen. Das Ba´th Regime konnte sich nicht damit zufrieden geben, als eine Avantgarde dem Land vorzustehen. Der angestrebte Prozess der ba´thistischen Gleichschaltung des Landes führte dazu, jede kleinste Lebensäußerung unter die Kontrolle des Regimes zu bringen. Aus dem öffentlichen und dem privaten Raum wurde der Raum Ba´th. Diesem Regime ist es gelungen, jede autonome Struktur des Lebens zu zerstören, alles ist von ba´thistischen Zwangsverhältnissen durchzogen. Ein menschliches Leben als Individuum ist nur durch ein Bekenntnis zu Ba´th möglich. Wenn dies nicht geschieht, greifen die Exklusionsmechanismen. Zur Stabilisierung dieser totalitären Verhältnisse griff das Ba´th Regime auch auf sozialistische Rhetorik zurück. Wie bei der Verwendung des Begriffs Imperialismus als Label gegen die äußere Bedrohung, war der Verwendung des Begriffs einer sozialistischen irakischen Nation keine emanzipatorische Bedeutung immanent. Sozialismus wurde von Analysen gesellschaftlicher Unterdrückung losgelöst und fand seine Entsprechung in den Vorstellungen sozialistischer Kollektive und Massenbewegungen. Der ba´thisitsche Chefideologe Michel Àflaq sprach dann auch vom Sozialismus der "edlen Seelen". Gemeint war damit die Unterordnung unter panarabisch-sozialistische Kollektivzuschreibungen.

Das Leben im Irak vollzieht sich in einem Zustand der ständigen Angst. Ba´th bestimmt, wer zur panarabischen Gemeinschaft gehört und definiert die Feinde. Widerstand und ein Entziehen innerhalb ihres Machteinflusses ist unmöglich. Das nicht mehr öffentliche Leben wird kontrolliert durch mehrere Geheimdienste und ein Klima der öffentlichen Denunziation gegen angeblicher Spione und Zersetzer. Das ganze Land wird durchzogen von spektakulären Enthüllungen vermeintlich zionistischer Spione und anschließenden Schauprozessen, es folgen öffentliche kollektive Verstümmelungen und Hinrichtungen. Gewalt dient im Irak nicht nur als ein rationales Mittel zur Durchsetzung ba´thistischer Interessen, sie ist eine ideologische Essenz, auf der dieser ganze Staat aufgebaut ist. Ba´th propagiert die Errichtung einer kompletten apolitischen, areligiösen(5) und atribalistischen Gesellschaft. Sie ist nicht explizit rassistisch - Kurden, Schiiten und Araber anderer Länder können integraler Teil dieses ideologischen Konstrukts sein. Ba´th sind sie, wenn der Nachweis erbracht wurde, Ba´th Ideologie verinnerlicht zu haben und diese zu leben. Ba´th ist aber genuin antisemitisch. Beweise dafür sind unzählig. Die offensichtlichsten sind die finanzielle Unterstützung der "suicide bomber"-Familien in Palästina, die Aufstellung der al quad brigaden und die permanente Wiederholung halluzinierter zionistischer Verschwörungen im Irak, die das panarabische Projekt verhindern und natürlich die Eliminierung jeglichen jüdischen Lebens im Irak durch Morde und Vertreibungen.

"Die Existenz von Feinden unserer Ideen füllt unsere Idee mit Geist und läßt unser Blut zirkulieren."(6)

Der Satz, als eine verdichtete Kernaussage der ba´thistischen totalitären Irrationalität, fand seine finsterste Entsprechung in den verschiedenen militärischen Zwangsaktionen innerhalb des Irak, die unter dem Namen Anfal(7) bekannt geworden sind.

Die erste Kampagne fand 1988 im letzten Jahr des Iran-Irak Krieges statt und richtete sich gegen den überwiegend von kurdischen "Saboteuren" und "Spitzeln" bewohnten Nordirak, der gegen die panarabische Idee immer resistent gewesen ist. Sie bedeutete die Zerstörung mehrerer tausend kurdischer Dörfer mit einhergehender Zwangsumsiedelung von tausenden Menschen in andere Gebiete des Irak. Diese waren von nun an gezwungen, in Mujamma`t Siedlungen zu leben. Das Leben für diese Menschen bedeutete ab diesem Zeitpunkt eine komplette Abhängigkeit von ba´thistischer Gnade, da die BewohnerInnen unter ständiger Kontrolle der Armee standen, diese Siedlungen nicht ohne Erlaubnis verlassen durften und jeder Möglichkeit der ökonomischen und alimentären Subsistenz beraubt wurden. Es blieb allerdings nicht dabei sondern gipfelte in einem systematischen Massenmord an den Kurden, die im Irak lebten, dessen Höhepunkt die Giftgasangriffe gegen die kurdische Stadt Halabja gewesen ist.

Die beiden darauf folgenden Anfal-Kampagnen sind die direkten Antworten, des fast schon implodierten Ba´th Regimes nach dem Ende des zweiten Golfkriegs auf eine massive Erhebung breiter Teile der irakischen Bevölkerung gegen Ba´th, die mit erneuter Vertreibung, Verschleppung und Hinrichtungen niedergeschlagen wurde. Die jüngste davon ist die systematische Vernichtung der Sumpfregion zwischen Euphrat und Tigris im Süden des Irak. In dieser Region leben Schiiten und die Ma`dan, die schwer zugängliche Sumpfregion wurde zum Sammelpunkt vieler Menschen, die sich dem direkten Zugriff durch Ba´th zu entziehen versuchten. Dieser Ort war auch der einzige, an dem es noch zu militärischen hit and run Aktionen gegen die Repräsentanten des Ba´th Regimes gekommen ist. Anfal bedeutete dort die gezielte Vergiftung des Wassers, um den Menschen ihre Lebensgrundlage zu entziehen und der ökologische Wahnsinn der kompletten Trockenlegung dieser Sumpfregion, um den ba´thistischen Zugriff zu ermöglichen. Auch hier erfolgten wieder Zwangsumsiedlungen, Verhaftungen und Massenmorde.

Anfal ist die militärische Entsprechung des durch Ba´th propagierten und vor allen Dingen umgesetzen totalen Zugriffs auf die Menschen. In Gegenden, in denen sich Widerstand gegen diese Allmacht formierte, blieb dem Ba´th Regime aus seiner Logik heraus nur die konsequente Erlangung von Zugriff und Kontrolle, das schloß Entvölkerung ganzer Landstriche im Nordirak, die Abholzung von Bergwäldern und die Trockenlegung von südirakischen Sümpfen ein.

Epilog

Die Existenz des Ba´th Regime ist eine des gewollten und geforderten Sterbens. Es überzieht die Bewohner des Irak mit einem andauernden Kriegszustand nach Innen und Aussen und schafft ein Klima der extremen Angst. Es forderte eine Unzahl an Toten im Irak, in Kuweit und im Iran. Es ist verantwortlich für eine Zahl von Binnenflüchtlingen, die in die Millionenhöhe geht und trieb mehr als vier Millionen Iraker zur Flucht ins Ausland. Die Herausgeber des Buches "Saddam Hussein letztes Gefecht? Der lange Weg in den III. Weltkrieg" beschreiben den Weg des Irak durch das diktatorische Ba´th Regime als einen Prozeß der aus postkolonialen Widersprüchen entsprungenen inneren Kolonisation. Parallel zur irrationalen inneren Repression findet auch eine vergleichslose ökonomische Ausbeutung durch das Ba´th Regime statt. Keinem, auch nicht dem ärgsten neoliberalen System, ist es gelungen ein Land zu einer solch extremen Wertabschöpfung zu bringen wie es das Ba´th Regime im Irak getan hat. Die extremen Reichtümer des Landes durch die vorhandenen Ölquellen wurden nach einer kurzzeitigen Infrastrukturstärkung in den 70ern zum Zwecke der Maximierung von Kontrolle, unmittelbar der militärischen Aufrüstung der Armeen und dem Ba´th Apparat zugeführt während alle anderen Bereiche wie Industrie oder Landwirtschaft nie finanziell unterstützt wurden. Folglich befindet sich der Irak in einer Situation, in der gesellschaftliches Leben nur durch Importe abgesichert werden kann. Der daraus entstehende Verteilungsmechanismus wurde durch Ba´th wieder als Instrument von Kontrolle und totalem Zugriff benutzt.

Die totalitäre Herrschaftssicherung, die sich im Irak täglich vollzieht, läßt sich nur teilweise mit den faschistischen und nationalsozialistischen Gesellschaften vergleichen. Allen gemein ist der unbedingte Versuch einer Homogenisierung der Gesellschaft, dies geht nicht ohne eine gewalttätige Auslöschung von Widersprüchen. Während sich das faschistische Italien noch die Möglichkeit, ihre Ideologie an die Wirklichkeit anzupassen offenhielt, kann Ba´th als der Wille der absoluten Unterwerfung der Wirklichkeit an die aufgestellte Ideologie aufgefasst werden. Mit der nationalsozialistischen Irrationalität verbindet das Ba´th Regime die Halluzination von inneren und äußeren Verschwörungen und revolutioniert damit permanent das Leben. Bei beiden ergibt sich ein gemeinsamer Link durch den Antisemitismus, das Verständnis von einer organisch gewachsenen Pangesellschaft gegen die aufgezwungene Zivilisation und die unglaubliche Menschenverachtung. Zum Teil rekrutierten sie ihre Theoretiker und Ideologen aus enttäuschten und gewendeten ehemaligen Linken - was nicht unbedingt für die Linke spricht.

Was das Ba´th Regime grundsätzlich von den beiden anderen unterscheidet und gleichzeitig ein Fenster der Hoffnung öffnet, ist der Entstehungsprozeß der Machtergreifung. Die italienischen Faschisten und die deutschen Nationalsozialisten bauten ihre Macht auf einer soliden Basis in einer Gesellschaft auf, die Nazis konnten sogar auf einen rassistischen und antisemitischen Konsens innerhalb der Gesellschaft, der über die politischen Lager ging, zurückgreifen. Zur Totalisierung des Lebens musste der überwiegende Teil der Menschen nicht lange überredet werden. Die Vorraussetzung bei Ba´th ist reziprok, sie konnte ihre Macht nur durch eine gewaltätige Konstruktion von Ba´th als Gesellschaft erringen und diese nur auf Kosten einer umfassenden repressiven "Gesellschaft im Ausnahmezustand" sichern. Die sunnitischen Araber, aus denen sich Ba´th rekrutiert, bilden weiterhin eine Minderheit.

Die Aufstände 1991, die mit einer Zerstörung des Porträts Saddam Husseins durch eine Panzergranate auf dem Sa´ad Platz in Bassra begannen und durch die republikanischen Garden nur mit großer Mühe niedergeworfen werden konnten, legen die Schlußfolgerung nahe, dass die ba´thistische Homogenisierung nicht verwirklicht werden konnte. Vielleicht könnte es ja sein, dass Ba´th, innen hohl und zerbrechlich, sich ausschließlich durch die Potenzierung von Angst als dem bestimmenden Element im Irak am Leben hält und durch Druckanwendung - und die kann nur durch außen geschehen - endgültig implodiert!

Thomas Uwer und Thomas von der Osten Sacken stellen in allen ihren Artikeln die These auf, dass dies nicht nur eine Möglichkeit sondern eine objektive Tatsache ist. Der panarabische ba´thistische Irak hat eine Symbolfunktion für alle korrupten und antisemitischen Regimes im Nahen Osten. Mittlerweile kommt es gegenüber dem "tapferen" Antiamerikaner und Antizionist Saddam Hussein auch zu Solidaritätsbekundungen der islamischen Ummakrieger, die sich um Bin Ladens Al Quaida, die Hamas und den heiligen Djihad scharen. In ihm sehen sie einen Verbündeten und Hoffnungsträger für ihren antisemitischen und feudalen antikapitalistischen Kampf. Eine weitere Stabilisierung des ba´thistischen Regimes durch ein Einstellen des Drucks gegen dieses, wie es immer wieder gefordert wird, bedeutet nicht nur deswegen eine Destabilisierung jeglicher zivilisatorisch-emanzipatorischer Kräfte und wenn es auch nur die Forderung nach Demokratie, Pressefreiheit, Diskussion und die Forderung nach der freien Wahl, ob ich mich nun selbst ausbeute oder nicht, betrifft.

Es kann bei der aktuellen Diskussion nicht nur um die Klärung des Bedrohungspotentials durch den Irak durch die frühere und vielleicht noch gegenwärtige Existenz von Massenvernichtungswaffen gehen. Dass die Armeen des Ba´th Regimes ihre technischen Möglichkeiten auch umsetzen, bewiesen sie im Iran Irak Krieg - ohne dies öffentlich zu verheimlichen ( die Bilder der durch Giftgas getöteten iranischen "Insekten" liefen stundenlang im irakischen Fernsehen) - und auch in der Stadt Halabja. Die Vernichtungslogik des Ba´th Regimes schließt einen Einsatz der entsprechenden Waffen ein. Auf die Gefahr durch Massenvernichtungswaffen fand die IDF die einzig richtige Antwort. Als im Irak 1986 ein Atomreaktor, betrieben mit atomwaffenfähigen Material, unmittelbar vor der Inbetriebnahme stand, wurde dieser durch eine Staffel F-16 Jäger zerstört.

Hannah Arendt formulierte in ihrem Fernsehinterview mit Günther Gaus die Forderung, dass die Nazifunktionäre, die immer noch den öffentlichen Raum der BRD besetzten, in dem das politische Leben, ergo die Gesellschaft, stattfindet, aufgrund ihrer Taten und der Eliminierung dieses Raumes in der Vergangenheit aus dem öffentlichen in den privaten Raum vertrieben werden müssen. In diesem seien sie dann nur noch Menschen ohne öffentliche Funktion.

Das Ba´th Regime hat den öffentlichen Raum im Irak besetzt. Dort findet keine politische Lebensäußerung mehr statt - nur noch das Spektakel der Repression. Das Minimalziel muss die Wiederherstellung dieses Raumes sein! Chomskys Feststellung, dass Hussein ein Monster ist - aber unser Monster - ist richtig. Doch rechtfertigt diese Reflexion die Forderung, dass er es deswegen auch bleiben muss? Ist die analytische Wundertat der Reflexion, welche die Linke sich täglich an WG-Tischen, auf Plena und in den Gruppen von sich einfordert ausschließlich auf diesen Mikrokosmos abonniert und sind imperialistische Unterdrücker wie die USA dazu unfähig, da sie ja die Unterdrücker sind?

Eine Linke, die sich den Zuständen im Irak und dem Recht der Menschen auf ein Leben mit dem Recht der Negation gesellschaftlicher kapitalistischer Zustände verweigert und dem Sturz des Ba´th Regimes durch eine militärische Intervention der USA mit dem Verweis auf das imperialistische Gehabe des Cowboys George W. Bush ablehnend gegenübersteht und deswegen für Frieden und antiglobale Folklore auf die Straßen geht, reiht sich damit in die antiamerikanischen Reihen ein, die von den offiziellen Parteien über deutsche Künstler bis zu freien Kameradschaften und der NPD reichen. Damit existiert wieder eine Volksgemeinschaft, die Politik durch verbindenden Antiamerikanismus ersetzt und das permanente Absterben jeder Perspektive der Menschen im Irak, die nicht Teil von Ba´th sind, unterstützt .

Dagegen gilt es mit Verve anzudenken und anzuschreiben.


Osten-Sacken/Farrah (Hg.):
Saddam Husseins letztes Gefecht?
Der lange Weg in den III. Golfkrieg,
Konkret Literaturverlag, 2002. 14,80 Euro


(1) linke Kriegsbejahung und sogar Verherrlichung
(2) Jürgen Elsässer in der "Jungen Welt" irgendwann im Dezember 2002, schaut im internet nach
(3) Arras Farrah: Herrschaft und Vergesellschaf-tungsprozeß, Rahand 2000.
(4) Zionistische Spione, iranische Perser, Kurden wurden als Viren, Bakterien, Schädlinge usw. bezeichnet, die vernichtet werden müssen
(5) Auch wenn das Ba´th Regime ein originär säkuläres ist, versuchte es jedoch immer die Vorgeschichte des Islam zu einer Vorgeschichte des Irak zu konstruieren und somit auch den Islam unter seine Deutungsgewalt zu ziehen.
(6) Michel Áflaq
(7) Koransuren

in: noch härtere zeiten 1/ 2003 - januar/februar 2003


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