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Saddam Husseins letztes Gefecht?

In deutscher Sprache sind seit 1992 nur fünf Bücher erschienen, die sich mit dem Irak befassen. Dagegen gab es zahllose Schriften und gibt es bis heute zahllose Artikel, der bürgerlichen, linksbürgerlichen und linken Presse, die sich mit den Interessen der USA oder der Ölkonzerne an den Mineralölvorräten im Nahen und Mittleren Osten auseinandersetzen.

Die UNO hat seit dem 2.Golfkrieg siebzehn Resolutionen verabschiedet, in denen sie sich mit dem Gewaltregime der Ba'th-Partei von Saddam Hussein befasste. Themen waren die Entwaffnung des Landes von Massenvernichtungswaffen und das Embargo zur Erzwingung dieser Abrüstung, aber über das Land selbst ist nur wenig bekannt. Das im Konkret-Verlag jüngst erschienene Buch "Saddams Husseins letztes Gefecht? - Der lange Weg in den III.Golfkrieg" versucht die Informationslücke über die innere Situation des Irak, seine Geschichte, die herrschende Ideologie, seine Landes- und Bevölkerungsteile und seine Perspektiven zu füllen. Die Herausgeber konnten zahlreiche Publizisten, Historiker und Politikwissenschaftler, z.T. Exil-Iraker für ihr Buch gewinnen. Erstmals werden mehrere, bisher nur in englischer Sprache erschienene Texte in deutsch zugänglich gemacht. Besonders für die sich stets nur einseitig informierende Altlinke der BRD bietet dieses Buch die Möglichkeit sich nicht nur ein Bild über den Irak, sondern von ihm selbst zu machen.

Es handelt sich nicht um ein emotionales, sondern um ein wissenschaftlich-sachliches Buch, dass durch seinen informativen und historischen Gehalt, aber dennoch fesselt und Ansatzpunkte zur Aufgabe selektiver Bilder der Region bereit hält.

Im Irak ist während der nur kurzen kolonialen Phase keine bürgerliche Klasse entstanden, die als ein Träger einer revolutionären Bewegung hätte dienen können. Die im Irak, nach der Kolonialzeit herrschenden Schichten, verständigten sich wohlwollend mit den ehemaligen britischen Kolonialherren und übernahmen deren Gewaltmethoden zur Unterdrückung der Minderheiten, so der Kurden im Norden des Landes. Auch wenn ihre Rhetorik der Öffentlichkeit gegenüber anderes suggerierte, wurde nach der Kolonialzeit im Irak ein System der fortgesetzten gewaltsamen inneren Kolonisierung des Landes etabliert. Im Irak entstand eine widersprüchliche Mischung aus Nationalismus und panarabischem Sendungsbewusstsein. Die Ba'th-Partei, die seit 1968 regiert, gelang es, ein ideologisches Konglomerat aufzubauen, das durch geschichtliche Konstruktionen untermauert wurde. Der Irak wurde als Motor der panarabischen Idee verstanden und bis heute behauptet Saddam Hussein, was dem Irak und damit seiner Terrorherrschaft nutzt, nutze auch der panarabischen Idee. Die panarabischen Vorstellungen und der gegen Israel gerichtete Antisemitismus waren immer ein zentrales ideologisches Moment der herrschende Klasse im Irak zur Ablenkung von ihren eigenen despotischen Methoden.

Die stalinistische Linke legte immer mehr Wert auf die Äußerlichkeit, denn auf den politischen und tatsächlichen materiellen Inhalt, war immer bereit das Schicksal der Menschen zum Zwecke ihrer Ideologie auszublenden, und findet bis heute Gefallen an der revolutionären Rhetorik des Ba'th-Regimes. Präsident Saddam Hussein ist Vorsitzender eines sogenannten Revolutionsrates, die Ba'th-Partei bezeichnet sich selbst als sozialistisch und antiimperialistisch. Die antiamerikanischen Töne welchen despotischen Regimes auch immer reichen den Pseudolinken aus, sich für dieses stark zu machen und dessen innere gesellschaftliche Realität vollständig auszublenden. Gegenstand marxistischer Wissenschaft war es aber immer sich mit der konkreten Realität, das bedeutet mit den konkreten Lebensumständen der Menschen zu befassen und nicht irgendwelche Ideologien und Glaubenssätze in den Mittelpunkt zu stellen. Wer für sich selbst den Anspruch erhebt, etwas mit Marxismus zu tun zu haben, der muss sich von jeglicher Ideologienanbetung abwenden.

Eine marxistische Herangehensweise verlangt die Berücksichtung der historischen Entwicklung und eine Stellungnahme für den fortschrittlichsten Part innerhalb dieser Entwicklung. Die Theorie des Antiimperialismus, die in manchem dem Gut-Böse-Denken der Antisemiten ähnelt, hat an sich keinerlei emanzipatorischen Gehalt. Worin sollte der auch bestehen - etwa im Hochhalten des Feindbilds USA? Die Lebensrealität der Menschen in den verschiedenen Landesteilen des Irak auszublenden ist unverkennbar eine Form europäischer oder allgemein westlicher Arroganz und Selbstbezogenheit. Die hunderttausenden Opfer im Irak, die das Ba'th-Regime unter der Herrschaft Saddam Hussein verschuldete, sind keine Legende, doch sie sind den Kriegsgegnern, deren Hauttriebfeder der Antiamerikanismus ist, keine Zeile wert. Wer verstehen will, warum die irakische Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit, wie jüngste Umfragen zeigten, das Regime zum Teufel wünscht und deshalb sein schnelles Ende durch einen amerikanisch-britischen Angriff herbeisehnt, der sollte sich dieses Buch besorgen.

Dem Teil der deutschen Linken, der sich unwissend unter dem Einfluss stalinistischer oder (national-)trotzkistischer Kräfte befindet, die sogar offen zur Solidarität mit dem irakischen Terrorregime aufrufen, bieten die Herausgeber von der Ostensacken und Fatah die Gelegenheit endlich in der internationalen Politik zu humanistischen Prinzipien zurückzukehren. Der Antiimperialismus wird stets nur vorgeschützt, als ideologische schein-materialistische Krücke benutzt, zu monokausalen Erklärungsversuchen herangezogen und zur Konstruktion eines antiamerikanischen Feindbildes aufgeplustert. Diese ideologische Haltung ist voll inhaltlich kompatibel mit den Vorstellungswelten der faschistischen Islamisten vom Schlage eines Bin Laden. Auch von Tarik Asis kann die pseudolinke deutsche Gemeinde genau dieselben Antiimp-Phrasen hören, die sie selbst - etwa in Gestalt von Attac - als Globalisierungskritik absondert. Die Inhalte der amerikanischen Politik interessieren dabei ebenso wenig, wie der Inhalt der despotischen Herrschaft im Irak. Den Focus aber auf die Menschen selbst zu richten bedeutet, die Geschichte dieses Landes anzunehmen und das Recht der dortigen Bevölkerungen zu akzeptieren eine Lebensperspektive jenseits des Terrors zu gewinnen. Wer das Schicksal der realen Menschen ausblendet, wie es die scheinmaterialistischen Öltheoretiker tun, hat sich vom Ziel der allgemeinen menschlichen Emanzipation bis hin zum Kommunismus entfernt. Er hat auch die Sicht auf den menschlichen Fortschritt mit dem Pochen auf den Status Quo und der Erhaltung des Friedens um jeden Preis aufgegeben. Es ist schrecklich, dass sich große Teile der "Linken", im deutsch-völkischen Mainstream mitschwimmend, erneut - uneingestanden - um der eigenen "Seele" willen, solidarisch mit einem Massenmordsystem zeigen und es wie schon die Taliban lieber weiter an der Macht sehen möchten, anstatt zu begreifen, dass der Politikwechsel der USA vielen Menschen - eine zwar unsichere - aber immerhin eine mögliche Chance auf Zukunft bietet. Man sehe nur auf den Nordirak und könnte erkennen, welche Folgen die Zurückdrängung des Despoten hier zeitigte.

Heribert Sommer
Redaktion
Marxistische Kritik

16.2.03


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