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epd Entwicklungspolitik

Rezension

Saddam Husseins Letztes Gefecht?
Der lange Weg in den III. Golfkrieg
Herausgeber: Thomas von der Osten-Sacken/ Aras Fatah
Konkret Verlag, Hamburg
ISBN 3-930786-3-6
Euro: 14.8o

Bis zum kürzlichen Erscheinen dieses unverzichtbaren Samplers gab es nicht ein einziges Buch in deutscher Sprache, das die Totalität der Herrschaftsverhältnisse im Irak genetisch aufschlußreich beschrieben hätte. Nichts zur Genese der Baath-Partei Saddam Husseins, nichts Substantielles zur Funktion und Wirkungsweise und vor allem Struktur des gewaltigen Unterdrückungsapparates, nichts zur Soziologie der Gesellschaft – erst recht kein Wort zur Existenz einer innerirakischen Opposition. Diese mangelhaften Voraussetzungen finden Ausdruck in einer allgegenwärtigen Irak-Debatte, in der jeder mitreden kann, der nur einigermaßen imstande ist, die topoi „Saddam“, „Bush“, „USA“, Embargo“ in irgendeinen beliebigen Zusammenhang zu arrangieren, der auf bloße Meinung und meist nur auf pure Projektionen hinausläuft: was eben gerade deshalb so gut geht, weil keiner wirklich etwas weiß. Mit dieser ernüchternden Feststellung eröffnet auch das Vorwort des hier sehr empfohlenen Readers: „Dabei ist doch der Irak nicht nur wegen seiner Rohstoffvorkommen eines der bedeutendsten Länder des Nahen Osten, sondern zugleich das Land, in dem all jene negativen Seiten des arabischen Nationalismus zur Herrschaft gelangt sind, unter deren Hegemonie die gesamte Region erstarrt scheint. Dennoch sind zwischen 1992 und 2002 keine handvoll deutschsprachiger Bücher über den Irak veröffentlicht worden, schenkt keines von ihnen der Geschichte und Entstehung der ba’thistischen Herrschaftsform, der politischen Entwicklung im Lande und dem Anteil des irakischen Regimes selbst am Konflikt besondere Aufmerksamkeit“. Erstaunlich schließlich auch, daß selbst die Aufarbeitung deutscher Beteiligung an der Aufrüstung des Regimes mit chemischen Waffen vorrangig amerikanischen Organisationen überlassen blieb. Die sozialpsychologischen Modi der Verleugnung und Verdrängung, die sich in politischen und intellektuellen Unterlassungen äußern, möchten allerdings in Zusammenhang stehen mit der unbewältigten großen Wunde des ersten Giftgasangriffes der Menscheitsgeschichte auf die Bewohner einer ganzen Stadt: im kurdischen Halabscha. Von diesem black out sind Teile der deutschen Friedensbewegung nicht ausgeschlossen, die anläßlich ihres Irak-Kongresses im November in Berlin die Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG) mit ihrem Präsidenten Jürgen W, Möllemann als Sponsor und Mitveranstalter beteiligten, der als früherer Staatsminister im Auswärtigen Amt in den 80er Jahren genau diese Technologietransfers in den Irak protegierte und verantwortete. Dessen Beitrag am Todeshandel im obigen Reader deshalb ausführlich referiert wird. Als ob es kein schreiender Widerspruch wäre, einerseits die Parole „Keine Spürpanzer Fuchs an den Golf“ zu manifestieren, andererseits gleichzeitig mit einem Politiker zu koalieren, dem die Düsseldorfer Finanzbehörde soeben nachweist, seine Schwarzgeldkonten mutmaßlich mit Schmiergeldern für den Verkauf von eben diesen Geräten in den Nahen Osten gefüllt zu haben.

Der „konkret“-Sampler“, der eine erste wissenschaftliche Grundlage für die Analyse der Herrschaftsverhältnisse unter einer Diktatur abgibt, liest sich unter Berücksichtigung des fortgesetzten deutschen Anteils an ihrer Stabilisierung sogar wie ein spannender Polit-Krimi. Ein weiterer großer Vorzug: Nicht Autorinnen und Autoren mit „Meinungen“ äußern sich, sondern international anerkannte Ressourcepersonen sowie kompetent ausgewiesene Analytiker aus der Region selber. Schließlich werden jenseits von bloßer Kriegsbeschwörung und monokausalen Erklärungsversuchen (Öl!) auch erste Perspektiven für einen demokratischen Irak entwickelt. Für eine Zeit ohne Saddam Hussein. Ganz gleich wie und wodurch sein Regime eines Tages fällt.

Hans Branscheidt

 


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