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29.06.2007 | Die Standard

Irakisch-Kurdistan: FGM-Verbot in Aussicht

WADI Österreich berichtet von Kampagne, die bei Abgeordneten und Regierungsbeamten Unterstützung findet

Ein Verbot weiblicher Genitalverstümmlung in der kurdischen Autonomieregion des Irak scheint immer wahrscheinlicher, meldet WADI-Österreich, Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit. Irakisch-Kurdistan könnte damit schon bald über das erste Verbots-Gesetz in der gesamten Region verfügen.

Entsprechende Rückmeldungen habe die Kampagne "Stop FGM in Kurdistan" aus dem Regionalparlament und aus Regierungskreisen erhalten, heißt es in einer Aussendung von WADI. Der Frauenausschuss des kurdischen Regionalparlaments habe sich bereits hinter die Forderung nach einem rechtlichen Verbot weiblicher Genitalverstümmlung gestellt. Unterstützung eralte die Gesetzesinitiative auch von prominenten Politikerinnen und Politikern der Region. Ein entsprechender Gesetzantrag solle nach der Sommerpause eingereicht werden, hieß es weiter. Geprüft werde noch, ob das rechtliche Verbot weiblicher Genitalverstümmlung gesondert eingebracht wird oder im Zusammenhang mit weiteren Gesetzinitiativen, die sich gegen häusliche Gewalt gegen Frauen richten.

Demokratische Initiative

Die bisherigen Erfolge im Kampf gegen FGM seien auf vorbildlich demokratischer Weise erreicht worden und damit ein Beispiel für mögliche zivilgesellschaftliche Aktivitäten im Irak und Irakisch Kurdistan, erklärte Falah Muradkin, Projektleiter von WADI im Irak. "Noch nie hat es eine Petition ans Parlament gegeben, die auf so große Resonanz gestoßen ist." Sowohl Parlament als auch Exekutive hätten von Anfang an auf den öffentlichen Druck positiv reagiert und auch die Medien der Region die Kampagne mit Aufmerksamkeit verfolgt. Wie Cheman Rashid, Vertreterin von WADI in der kurdischen Hauptstadt Erbil erklärte, sei diese Kampagne nicht nur für Irakisch-Kurdistan wichtig: "Es gibt Indizien, dass FGM in der ganzen Region verbreitet ist. In den anderen Ländern, wie Syrien oder dem Iran existiert allerdings keine Öffentlichkeit. Schon jetzt kontaktieren uns viele Frauen aus anderen Ländern der Region und wünschen uns viel Erfolg, denn sie hoffen, dass auch dort ähnliche Initiativen entstehen könnten."

13.500 UnterstützerInnen

Die Gesetzesinitiative geht zurück auf die Kampagne "Stop FGM in Kurdistan", die im April mit einem entsprechenden Appell an die Öffentlichkeit trat und in kurzer Zeit über 13.000 Unterstützer und Unterstützerinnen fand. "Stop FGM in Kurdistan" ist ein Zusammenschluss von lokalen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, Ärztinnen und Anwältinnen und wird unterstützt von der deutsch-österreichischen Hilfsorganisation WADI. Erst 2005 hatte die Hilfsorganisation, die seit Anfang der 1990er Jahre Programme zur nachhaltigen Förderung und Gleichstellung von Frauen in der Region unterstützt, die Existenz weiblicher Genitalverstümmlung im Nordirak öffentlich gemacht. Befragungen in den vergangenen Jahren in 116 verschiedenen Dörfern haben ergeben, dass von 3665 befragten Frauen und Mädchen 2403 verstümmelt waren - dies entspricht einer Quote von 65 Prozent.

Beginn einer öffentlichen Diskussion

Die Kampagne, die unter anderem mit großflächigen Anzeigen in lokalen Zeitungen und Fernsehspots auf das Problem aufmerksam macht, hat FGM zu einem Thema gemacht, über das gesprochen wird. Ungleichbehandlung und Gewalt gegen Frauen werden derzeit breit diskutiert im kurdischen Nordirak. Wie Genitalverstümmlung, so ist auch die sogenannte "Gewalt der Ehre" ein verbreitetes und gleichwohl verschwiegenes Problem der Region. Angesichts der aktuellen Diskussionen hat die kurdische Regionalregierung eine Gesetzesinitiative auch hierzu angekündigt.

Verbote alleine reichen nicht aus

Ein rechtliches Verbot weiblicher Genitalverstümmlung wäre ein großer Erfolg für die Kampagne, so WADI. Die beteiligten Organisationen seien sich gleichwohl einig, dass Verbote alleine das Problem nicht lösen können. FGM ist eine gesellschaftlich tief verwurzelte Praxis, die im Nordirak u.a. als "Tradition", oder als vermeintliche "islamische Vorschrift" begründet wird. Aufklärung und Unterstützung müssten daher mit dem Verbot einhergehen, Ursachen und Wirkungsweisen von FGM genauer untersucht werden, betont WADI. Eine von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA), der Austrian Airlines (AUA), der Schweizer Caritas und weiteren SpenderInnen unterstützte Studie wird in den nächsten beiden Jahren erstellt. Gemeinsam mit der Studie soll ein Aufklärungsprogramm durchgeführt werden. (red


© Die Standard, 29.06.2007


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