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17.06.2004 | Die Welt

Fußnoten Irak

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In einer Veröffentlichung der Hilfsorganisation WADI.e.V. wird die deutsche Außenpolitik in Sachen Irak kritisch unter die Lupe genommen: "Lässt man ein gutes Jahr danach noch einmal die Argumentation der deutschen Regierung Revue passieren, mit der sie sich gegen den Irakkrieg ausgesprochen hat, und destilliert die ideologischen Untertöne heraus, so bleiben im Wesentlichen zwei praktische Argumente bestehen. Das erste besagt, dass eine Besatzung durch ausländische Truppen, zudem amerikanische, keine gerechten Verhältnisse schaffen könne, weil sie die Souveränität des irakischen Staates untergrabe und alte Feinde zu neuen Verbündeten im Kampf gegen die Befreier mache. Demokratie könne nicht einfach geliefert werden wie Waffen, und wenn die Iraker sie wollten, dann müssten sie diese selbst schaffen. Das zweite Argument knüpft daran an, wenn auch deutlich pessimistischer. Mit Verschwinden des einenden und starken Staates würden die inneren Widersprüche zwischen Volksgruppen und Religionen offen ausbrechen, das Land w! ürde im Bürgerkrieg versinken."

Diesen Eindruck widerlegen nach Auffassung der Autoren nicht nur Umfragen unter Irakern, sondern auch die Erfahrungen der Kurden: "Nicht zuletzt der kurdische Nordirak verfügt längst über eigenständige Verwaltungsstrukturen, die sich einer zentralen Steuerung entziehen. Was sie für eine Demokratisierung so wertvoll macht, den Kern einer Gesellschaft zu bilden, innerhalb derer politische Macht vielzentrig verteilt ist, stellt zugleich ihre Schwäche dar. Sie eignen sich genauso wenig als nationale Parteien, wie für die avisierte Übernahme zentralstaatlicher Kontrolle durch die Iraker selbst, die als Königsweg der Befriedung gehandelt wird."

Nun können allerdings auch die Autoren von WADI.e.V. sich nicht gänzlich des Eindrucks erwehren, dass es noch gewisse Schwierigkeiten im Irak - und, weitergehend in der gesamten Region, an deren Lösung man sich jetzt machen muß.: "Der Funke Wahrheit, den der deutsche Pessimismus gegenüber einer Demokratisierung des Irak enthält, liegt darin, dass es sich tatsächlich um ein Projekt handelt, das nicht binnen weniger Monate abgeschlossen sein wird. Denn nichts weniger müsste in Frage gestellt werden, als die Grundlage nahöstlicher Despotie überhaupt, die in der Konzentration aller Macht in einem bürokratischen Staatsapparat liegt. Eine vielzentrige Gesellschaft aber setzt die Existenz von Institutionen, Gruppen und nicht zuletzt auch Klassen voraus, deren Entstehung im arabischen Nahen Osten über Jahrhunderte verhindert wurde." ML


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