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09.05.2006 | Der Standard | Günter Traxler

Waghalsig Richtung Kurdistan

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, lautet eine alte touristische Maxime. Wenn ein dreiköpfiges Cobra-Kommando auf Reisen geht ...

von Günter Traxler

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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, lautet eine alte touristische Maxime. Wenn ein dreiköpfiges Cobra-Kommando auf Reisen geht, dann ist der Erzählfluss gar nicht mehr zu stoppen, und wenn wundert 's, dass er sich im Sinne der Abschreckung, die das Lebenselixier der Truppe ist, in die Spalten der "Kronen Zeitung" ergießt. Cobra-Einsatz im Irak, dichteten Die Reporter Christoph Matzl & Christoph Budin, nachdem sie aus der polizeilichen Schlangengrube von dem heroischen Einsatz verständigt worden waren. Der Zund war heiß, nicht jeden Tag sorgt Cobra in Kurdistan für Recht und Ordnung. Die Christophe mussten handeln.

Da er zurück in den Irak wollte, entführte ein Kurde seinen Sohn aus Wien. Die Ex-Frau, eine jungen Österreicherin, wandte sich verzweifelt an die Behörden und bat um Hilfe. Das Außenamt reagierte rasch und fädelte eine Rettungsaktion ein: Ein "Cobra-Kommando" reiste jetzt Richtung Kurdistan - und holte den verschleppten vierjährigen Buben zurück.

Daran war immerhin richtig, dass ein Kurde seinen Sohn von seiner sorgeberechtigten Mutter aus Wien in den Irak entführt hat. Wichtig an der Geschichte war das Foto vom feschen Cobra-Oberstleutnant Eder, denn er leitete die Aktion, zwar nicht im Irak, aber in Wien, indem er nicht nur die "Krone" von der Schlagkraft seines Kommandos überzeugte, sondern - allzeit bereit - den beiden Frontberichterstattern die Telefonnummer der Mutter mitteilte. Es sollte ja auch der erfolgreiche Abschluss des Cobra-Einsatzes im Irak dokumentiert werden.

Was dadurch geschah, dass die Reporter in einem gnadenlosen Einsatz bei der Frau auftauchten, sie in einem tiefschürfenden Zweiminuten-Interview nach ihrem Befinden fragten, ein Foto mit ihr samt Kind schossen, ein Foto des Entführers abfotografierten und nicht weiter stören wollten. Ergebnis war der Bildtext: Liebevoll drückt die Mutter ihren heimgeholten Buben ans Herz. Der Kindsvater kommt im fotografischen Vergleich mit dem Cobra-Oberstleutnant eher ungünstig weg, halt so, wie die "Krone" einen kurdischen Kindesentführer vorstellt - dunkelhaarig, schnauzbärtig, Sonnenbrille.

Aber zurück zum heldenhaften Cobra-Kommando. Es reiste zusammen mit zwei erfahrenen Mitarbeitern der Hilfsorganisation WADI in die türkische Stadt Diyarbakir. Dort hieß es, eine Strategie für die Rückholung des kleinen Entführungsopfers zu schmieden. "Um eine reibungslose Übergabe des Vierjährigen zu ermöglichen, haben wir auch unseren Verbindungsbeamten Wolfgang Pock, einen in Istanbul stationierten Kriminalisten, ins Team geholt", erklärt Cobra-Brigadier Bernhard Treibenreif den "Krone"-Reportern.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Etwa 300 Kilometer holpriger Straße lag vor uns", schildert Oberstleutnant Wolfgang Eder den Beginn des waghalsigen Einsatzes. Der 42-jährige Cobra-Mann leitete die österreichische Rückholaktion. . . An der Grenze bei Silopi-Habur hieß es Nerven zu bewahren. Inmitten von Hunderten Lastern schummelte sich der Bus bis zum Grenzbalken vor. Dann wurde verhandelt: Eine Stunde, zwei, drei - schließlich dauerte es sechs Stunden, bis das rotweißrote Team den Buben per Auto aus dem Irak abholen durfte.

Mit der "Kronen Zeitung" sind wir stolz auf die Helden von Cobra, die waghalsig und über 300 Kilometer holpriger Straße Richtung Kurdistan ausgezogen sind, ein Kind zurückzuholen. Leider stellen sich, wo Helden sind, immer auch Neider ein, die die Geschichte etwas anders erzählen. In diesem Fall so: Ehrenamtliche Mitarbeiter von Wadi, einer Organisation für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit, erfuhren in Wien von Exil-Irakern von der Entführung. Sie nahmen Kontakt mit der Mutter auf, sie boten Hilfe an, sie wandten sich nicht an Cobra, sondern an das irakische Innenministerium, das Kooperation zusagte, und an das Außenministerium in Wien wegen der nötigen Dokumente.

Dort erfuhren die Wadi-Mitarbeiter, dass auch Beamte des Innenministeriums mitfliegen sollten. Beim Zusammentreffen in Diyarbakir erwiesen diese sich als das Cobra-Kommando, Aus dessen Einsatz im Irak wurde es dann nichts, da die Helden nicht über die Grenze durften. Stundenlang warteten sie in der Türkei im Bus - da hieß es Nerven zu bewahren -, bis das rotweißrote Team von Wadi den Buben per Auto aus dem Irak zurückgebracht hatte - mit voller Kooperation der kurdischen Behörden. Die ganze Strategie für die Rückholung des kleinen Entführungsopfers für nichts geschmiedet, der Einsatz an der Grenze versandet. Schade! Das Kommando ist nicht einmal mit Mutter und Kind im selben Flugzeug zurückgeflogen.

Alle Arbeit und Kosten der Rückholung hatte Wadi, dafür jetzt aber auch den Schaden nach 13 Jahren guter Arbeit im Irak. Die dortigen Behörden sind sauer über den Cobra-Einsatz im Irak. Verständlich, die kennen ja die "Krone" nicht.

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© DER STANDARD; Printausgabe, 9.5.2006


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