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WADI Projekte: Community-Radio

Reporterinnen an der Basis

Das Frauenradio Zahrat al-Aghwar in Jordanien

Seit 2006 besteht das Community-Radio des engagierten Frauen-Radioprojektes „Zahrat al-Aghwar“ („Blume des Jordantals“), unterstützt von der Hilfsorganisation Wadi und einem etablierten Community-Radio aus der Hauptstadt Amman.

Von Anne Mollenhauer und Tamara Aqrabawe

Nicht ohne Hindernisse

Zwar produziert und sendet das Team von "Zahrat al-Aghwar" schon seit geraumer Zeit, doch die entscheidenden bürokratischen Hürden auf dem Weg zum Frauenradio für das Jordantal sind noch nicht genommen. Die Frauen warten noch immer darauf, dass die jordanische "Audio Visual Commission" ihnen irgendwann eine Sendelizenz für ihre lokale Station ausstellt. Radio Zahrat al-Aghwar muss sich noch immer mit einer Sendung im Rahmen des Programms von Radio al-Balad begnügen.  Dieser Sender wird jedoch in der Hauptstadt ausgestrahlt und kann im Jordantal gar nicht empfangen werden. Also schlossen die Frauen vor einiger Zeit mit dem palästinensischen Sender "Bethlehem 2000", der im Jordantal klar und deutlich ankommt, einen Vertrag über die Ausstrahlung ihrer Sendung ab. Über diesen Umweg findet das Programm nun doch seinen Weg zum Zielpublikum, und das Radioprojekt kann zumindest provisorisch arbeiten.

Der Fokus ist entscheidend

Die wöchentliche Sendung wird in Amman zusammengestellt, befasst sich aber ausschließlich mit Themen aus dem Jordantal. Sie wird neben den Radioübertragungen aus Amman und Bethlehem auch über das Internet verbreitet. 

Das Programm ist sehr auf die Anliegen, Hoffnungen und Nöte der Bevölkerung ausgerichtet und berücksichtigt dabei insbesondere die Frauen.

Jede Sendung folgt einem bestimmten Leitthema. Dieses Thema wird dann mit einem Vor-Ort-Bericht und einigen Interviews ausgiebig beleuchtet. Anschließend wird mit Experten, Betroffenen oder Politikern weiter diskutiert.

Jede Sendung bringt außerdem Lokalnachrichten, greift einen Bericht aus der lokalen Presse auf, spricht über einen bestimmten Missstand oder einen Skandal, und versorgt schließlich die Bauern mit Tips und Informationen aus der Landwirtschaft. Manchmal gibt es auch einen Bericht über die lokalen Eigenheiten, Sitten und Gebräuche  in einer der Regionen des Tals.

Ermutigendes Echo

Die Frauen erfahren im Gespräch mit den Menschen, dass ihre Sendungen auf viel positive Resonanz stoßen, weil sie genau die Dinge thematisieren, die die Menschen unmittelbar angehen und in denen sie sich wiederfinden. Themen wie die Rechte weiblicher Tagelöhner, die Ehe mit ausländischen Männern, Aspekte von Heirat und Ehe im Allgemeinen, Probleme mit Analphabetismus, die Situation weiblicher Arbeiter, Religion und Unglauben, etc. fesseln die Leute und interessieren sie sehr. Manchmal können sie es kaum fassen, dass man nun über dieses oder jenes so offen spricht. Die Unabhängigkeit des Radios ist eine Besonderheit in Jordanien und erhöht dessen Glaubwürdigkeit enorm.

Schon häufiger sind Frauen mit Ideen und Anregungen auf die Radiomacherinnen zugekommen. Sie schlugen z.B. vor, die Problematik der Stromrationierung einmal ausführlich und mit all ihren Auswirkungen auf das tägliche Leben zu beleuchten. Andere Vorschläge, die dann auch umgesetzt wurden, betrafen die Preissteigerungen, die chronische Wasserknappheit und die Mängel in Schulen und Krankenhäusern, sowie weitere Anliegen.

In den anderen Medien werden gerade die kontroversen Themen gern ausgeklammert. Der investigative Journalismus wird in Jordanien nicht sehr kultiviert. Und das traditionell arme und benachteiligte Jordantal mit seinen "randständigen" Problemen findet ohnehin selten Erwähnung in einer der großen Zeitungen oder Radios. 

Zahrat al-Aghwar wird auch in seiner Fürsprecherrolle gegenüber dem Staat geschätzt, denn das Radio hat bereits mehrfach erreichen können, dass bestimmte Probleme des Jordantals endlich bei Entscheidungsträgern in der Hauptstadt Gehör fanden. 

Verschiedene Medien berichteten schon über das neue Jordantal-Radio, 

so u.a. die Zeitungen Al-Ghad,  Al-Quds und die News-Seite
Menassat
"Jordan Valley girl power".

Die Reporterinnnen selbst stellen in ihrer im Jordantal noch Aufsehen erregenden öffentlichen Rolle für junge Frauen, die meistens noch stark in den traditionellen Strukturen verhaftet sind, ein gewisses Vorbild dar. Sie sind schließlich Beweis dafür, dass diese Strukturen durchbrochen werden können, und dass selbstbewusste Frauen in der Öffentlichkeit kein Phänomen sein müssen, das dem "Westen" oder der reichen Oberschicht vorbehalten bleibt.

Gelegentliche Widerstände

Allerdings sind im Jordantal nicht alle so glücklich über  guten Journalismus und die Infragestellung von Autoritäten. Manch ein Politiker findet es noch gewöhnungsbedürftig, sich von einer jungen Frau kritisch interviewen zu lassen. 

Als Asma einmal über Probleme bei der Wasserversorgung in Shounna recherchierte, stieß sie auf organisierten Wasserdiebstahl. Sie meldete den Fall bei der Distriktverwaltung und bekam daraufhin Besuch von der Verwandtschaft des Verdächtigen, die von ihr forderte, die Recherchen einzustellen. Doch Asma weigerte sich. Sie recherchierte weiter und brachte die ganze Story im wöchentlichen Programm. Das Problem mit der Wasserversorgung konnte damit zumindest teilweise geklärt werden. 


Zu den Autorinnen:
Anne Mollenhauer ist seit 1993 Vorsitzende von Wadi e.V. und Tamara Aqrabawe arbeitet für die jordanische NGO AmanNet und ist verantwortlich für die Implemetierung des Frauenradios.


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