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Association for Crisis Assistance and Development Co-operation


Der Emergency Response Fund

Eine Menge Empowerment mit begrenzten Mitteln

Oftmals ist es so, dass man sich direkte und spontane Hilfe vor Ort wünschte - unter Umgehung des üblichen, mit bürokratischem Aufwand und erheblicher Verzögerung verbundenen Prozederes der Projektbeantragung. Der Emergency Response Fund, getragen von Green Cross, Roselo Foundation und Wadi e.V., macht solche kleinen und schnellen Hilfen in der Balisanregion, einem schwer durch die Giftgasangriffe Saddams gezeichneten Landstrich, nun möglich.

In bestimmten Fällen können schon kleine und begrenzte Unterstützungsleistungen sehr viel bewegen; sei es, weil ein akuter Notfall aufgetreten ist, der keinen Aufschub duldet, sei es, weil eine direkte und unbürokratische Maßnahme dazu geeignet wäre, Vertrauen und Zuversicht dort wieder zu wecken, wo das Gefühl, von der Welt vergessen worden zu sein, vorherrscht.

Der ERF wird von einem Komitee verwaltet, das über die Anträge aus den Dörfern entscheidet. Dieses Team besteht aus Mitarbeiter/innen der mobilen Teams von Wadi und einem Experten von CHAK ( “Center of Halabja against Anfalization and Genocide of the Kurds” ). Sie besuchen verschiedene Orte und besprechen erforderliche Maßnahmen mit der örtlichen Bevölkerung. Die Entscheidung, welches Projekt dann realisiert wird, basiert auf Bedarf und Transparenz. Ausschlaggebend ist zum Einen die Dringlichkeit des Vorhabens, zum Anderen die Entschlossenheit der Community, sich an der Umsetzung zu beteiligen.

Ursprünglich sollte das Team nur aus drei Leuten bestehen, doch es war schnell klar, dass ein Vertreter aus der Region mit dabei sein sollte. Zum Einen liegt das entlang iranischen Grenze verlaufende Balisantal teils über 200 Kilometer von der Provinzhauptstadt Suleymania entfernt, zum Anderen sind die guten Kenntnisse eines Einheimischen über Land und Leute geradezu unverzichtbar bei der Arbeit vor Ort. Außerdem fällte es einem Einheimischen leichter,  das tief erschütterte Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Also ernannte Wadi einen Lehrer aus der Gegend zum lokalen Koordinator.

Viele Dörfer, die von den Giftgasangriffen und Anfal-Operationen betroffen waren, befinden sich in entlegenen Gegenden. Gerade die bergige Grenzregion zum Iran war einst Ziel des irakischen Bombardements. Bis heute fehlt es in diesen Dörfern an grundlegenden Einrichtungen. In größeren Orten gibt es mittlerweile Ambulanzen oder Krankenhäuser, doch die Bauern, die oft von wenig mehr als Subsistenzwirtschaft leben, können diese Orte nur schwer erreichen.

2008 wurden die Anfal-Operationen vom irakischen Parlament als Völkermord anerkannt. Hochrangige Verantwortliche wurden zum Tode verurteilt. Doch die Bewohner/innen vor Ort haben von dieser Entscheidung nicht profitiert. Nach wie vor leben sie unter sehr problematischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Bedingungen. Die irakische Regierung und die kurdische Regionalregierung vernachlässigen diese Regionen noch immer.

Wadi hat gute und vertrauensvolle Beziehungen zur lokalen Bevölkerung wie auch zur Verwaltung aufgebaut und in letzter Zeit Projekte in zahlreichen Ortschaften durchgeführt:


Herausforderung in Anab

Das Dorf Anab liegt unweit von Halabja und wurde vor 20 Jahren am selben Tag mit Giftgas bombardiert. Das Wadi-Notfallteam hörte in dem immer noch von Zerstörungen gezeichneten Dorf von vielen Dingen, die dringend benötigt werden: sauberes Trinkwasser, eine weiterführende Schule, eine Bücherei oder ein Spielplatz. Auch die Versorgung des örtlichen medizinischen Zentrums mit sauberem Wasser war ein Punkt.

Für die begrenzten Mittel der Notfallhilfe kam lediglich dieses Projekt in Frage. Doch es war bekannt, dass die Einwohner von Anab kaum zur Kooperation bereit sein würden. Das Misstrauen war zu groß. Zu oft schon hatte man ihnen Versprechungen gemacht und sie nicht gehalten.

Da die Notfallhilfe jedoch in jedem Fall auf dem Prinzip der Gemeinschaftsentscheidung und -beteiligung basiert, wurden lange Gespräche geführt, um wenigstens einige von ihnen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Das gelang, und das Bauvorhaben wurde schließlich mit Hilfe eines Teils der Dorfbewohner erfolgreich realisiert.

Dies sollte trotz oder gerade wegen der geschilderten Schwierigkeiten als ein nicht unbeachtlicher Erfolg gewertet werden, sowohl im Hinblick auf die erreichte Infrastrukturverbesserung, als auch auf die Förderung der Diskussion innerhalb der Dorf-Community. Das schöne Gefühl, mit Unterstützung von außen gemeinsam etwas erreicht zu haben, blieb bei vielen.


Hilfe zur Eigeninitiative

Nicht überall begegneten wir so großer Resignation. In anderen Orten zeigten sich die Menschen sofort sehr kooperativ und waren spontan froh über jede angebotene Hilfe. 

In Balisan , einem großen Dorf im Balisantal, bestand die dringende Notwendigkeit, die Wasserversorgung für zwei Schulen und ein Studentenwohnheim wieder herzustellen. Über 100 Studenten halfen drei Tage lang, einen 500m langen Graben für die neue Leitung auszuheben und zeigten sich anschließend sehr glücklich über das fließende Wasser in ihren Gebäuden.

2009 wurde in Balisan ein Nähkurs eingerichtet, an dem 37 Frauen teilnahmen. Außerdem organisierte Wadi mehrfach Computerkurse für insgesamt 78 Jugendliche.


Kicken gegen die Tristesse

In Askar wurde das Team von Jugendlichen gefragt, ob sie Unterstützung für den Bau eines bespielbaren Fußballplatzes bekommen könnten. Das Projekt konnte in Gemeinschaftsarbeit realisiert werden. Die Freude war groß, denn nun können etwa 40 Jugendliche den Platz nutzen – in einer Umgebung, in der es sonst so gut wie keine Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche gibt.


Abgelegen und vernachlässigt

Am Dorfeingang von Shekwasanan befindet sich ein kleines Gemeindehaus, das zugleich eine Gedenkstätte ist. Zahllose Bilder von Männern, Frauen und Kindern hängen an den Wänden.

Shekwasanan wurde am Abend des 16. April mit Giftgas bombardiert. 130 Menschen starben sofort, 50 weitere wurden verletzt. Die Verletzten wurden in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht, wo die irakische Armee schon auf sie wartete, sie verschleppte und verschwinden ließ.

2008 implementierte Wadi einige Projekte - Computer- und Nähkurse sowie eine kleine Bibliothek - in Shekwasanan. Durch diese Projekte konnten Wadi-Mitarbeiter/innen ein gutes Verhältnis zur lokalen Bevölkerung aufbauen.

2009 blieb Wadi mit dem Dorf in engem Kontakt und das mobile Team sorgte mit einigen Hilfen dafür, dass der Bibliotheksbetrieb aufrechterhalten werden konnte. Außerdem stellte das Team fest, dass sich die Toilette der Grundschule (400 Kinder) in unzumutbarem Zustand befand, und organisierte die Beschaffung von Material und den Bau einer neuen Toilette. Die Dorfbewohner selbst realisierten das Vorhaben in Eigenarbeit.

Zur Zeit plant Wadi den Bau eines Kinderspielplatzes in Shekwasanan. Der Bürgermeister hat dafür ein kleines Stück Land zur Verfügung gestellt. Die abgeschiedene Lage von Shekwasanan erschwert die Umsetzung von Projekten sehr. Jeder Besuch des Wadi-Teams erfordert eine Fahrzeit von insgesamt etwa acht Stunden auf zum Teil schlechten Straßen.


Jugendliche brauchen Anregung

Das Dorf Xate liegt ebenfalls im Balisantal. Es wurde am 16. April 1987 von der irakischen Armee mit Giftgas bombardiert. Sechs Menschen starben und zehn wurden verletzt. Auch sie wurden zum Krankenhaus gebracht und von dort verschleppt.

Die Menschen in Xate waren gleich sehr aufgeschlossen und zeigten sich erfreut über Wadis Hilfsangebot. Nach mehreren Besuchen entschloss sich das Notfallteam, hier einen Computerkurs einzurichten.  2008 wurden fünf Computer samt Zubehör geliefert und die ersten Kurse abgehalten. Seit 2009 werden zusätzlich Fortgeschrittenenkurse angeboten. Auch außerhalb der Kurse können die Computer von den Jugendlichen des Ortes genutzt werden - ein Angebot, von dem reichlich Gebrauch gemacht wird.

In Totme-Balokawa , dem größten Dorf des Tals, leben etwa 400 Jugendliche. Hier plant Wadi, eines der im Krieg zerstörten alten Gebäude wieder herzurichten, um es anschließend als Bibliothek und Jugendzentrum nutzen zu können.


Nur eine Grundschule

35 Menschen starben im Dorf Ware während der Giftgasangriffe, viele andere wurden verletzt. Heute wird dieses Dorf von der kurdischen Regionalregierung vollkommen ignoriert. Es gibt große Probleme mit der Wasserversorgung, die einzige Straße ist sehr schlecht, es gibt weder ein Krankenhaus noch eine Gesundheitsstation und nur eine Grundschule. Die Kinder können keine weiterführende Schule besuchen.

Wadi veranstaltete einige Seminare über demokratische Rechte und bot einen Nähkurs für Frauen an. Andere Projekte sind in Planung; so wird erwogen, sich des Transportproblems für Schulkinder anzunehmen, damit diese nach der Grundschule eine höhere Schule in einem Nachbarort besuchen können.


Eigeninitiative, die Schule macht

Goptapa liegt zwischen Suleymania und Kirkuk, etwa 67 Kilometer von Suleymania entfernt. Das Dorf wurde 1987 bombardiert. 150 Menschen starben durch das Gas. Noch immer leiden die Menschen an den Spätfolgen der Chemikalien. Viele brauchen ständige ärztliche Behandlung.

In Goptapa mietete eine Gruppe Jugendlicher ohne jedwede Unterstützung von außen ein kleines Haus an und eröffnete dort eine Bibliothek. Dann kontaktierten die jungen Leute Wadi und baten um Unterstützung. Wadi steht nun in engem Kontakt mit der Gruppe und versucht, sie nach Möglichkeit zu unterstützen und ihren geringen Bedarf zu decken. Wadi hat Bücher gekauft und z.B. einen Stromgenerator, eine Kamera, Bücherregale und Weiteres mehr zur Verfügung gestellt.

Das Wadi-Team war sehr angetan von der Eigeninitiative dieser Jugendlichen. Herr Omer, ein Mitarbeiter von Wadi, veröffentlichte einige Artikel über dieses Projekt in lokalen Zeitungen und machte es damit weithin bekannt. Nun haben auch andere Leute ihr Interesse an der Initiative bekundet.

Wadi organisierte und vermittelte auch auf anderen Wegen Unterstützung. So organisierte das mobile Team ein Treffen mit dem Gouverneursrat von Suleymania und der Jugendgruppe aus Goptapa. Der Gouverneur versprach ihnen ein größeres Gebäude für ihre Bibliothek. Die Planung hat schon begonnen und bald wird Baubeginn sein. Wir betrachten das als einen unserer größten Erfolge in 2009, denn ohne unser Engagement wäre dies nie zustandegekommen. Wadi konnte noch viele weitere Spender vermitteln und erreichte u. A., dass die Organisation "Azadi Lawan" ("Freiheit für die Jugend") Bücher sowie eine finanzielle Unterstützung von jährlich umgerechnet etwa 1800 Euro zusagte.


Allein gelassen bis heute

In der Nähe von Goptapa, auf der anderen Seite des Flusses Dokan, liegt die kleine Ortschaft Klesa . Vor den Anfal-Operationen lebten 100 Familien hier. 136 Menschen wurden vom irakischen Militär verschleppt und verschwanden für immer. Nur eine Person starb hier durch Giftgas.

Klesa wird von der Regionalregierung sehr vernachlässigt. Selbst das Mahnmal für das Gedenken an die Opfer mussten die Bewohner selbst errichten. Nur noch 40 Familien leben heute in diesem Ort, unter sehr ärmlichen Bedingungen.

Das Wadi-Team besuchte Klesa mehrmals. Die Bewohner/innen erbaten Hilfe beim Bau des Mahnmals, die ihnen gewährt wurde; außerdem wünschten sie einen Wasseranschluss für die kleine Schule. Wasserrohre, eine Pumpe und ein Generator wurden von Wadi zur Verfügung gestellt, dann stellten die Dorfbewohner/innen das Projekt in Eigenarbeit fertig.

Wadi steht in gutem Kontakt mit den Menschen in Klesa und plant in Kooperation mit den lokalen Behörden weitere Hilfen: Die Wasserversorgung des Dorfes muss überholt werden, die Grundschule soll an das Stromnetz angeschlossen werden, außerdem sollen Computer- und Ausbildungskurse eingerichtet werden.


Misstrauen überwinden

Das Dorf Sewsenan liegt im Qaradagh, ungefähr 60 Kilometer südöstlich von Suleymania. Am 22. März 1988 wurde Sewsenan mit Giftgas bombardiert. Bei diesem Angriff kamen 64 Menschen ums Leben, zahlreiche weitere wurden verletzt. Ein großes Mahnmal am Eingang des Dorfes erinnert an dieses Ereignis. 300 Familien flohen damals. Heute leben nur noch 83 Familien hier. Die Menschen leiden noch immer unter dieser Tragödie.

Mitarbeiter/innen des Wadi-Teams haben Sewsenan mehrmals besucht, doch das Verhältnis zu den Dorfbewohner/innen war angespannt. Verschiedendlich schon hatten Organisationen das Dorf besucht und Versprechungen abgegeben, die nicht erfüllt worden waren. Diese Erfahrungen trugen dazu bei, dass die Haltung gegenüber Hilfsorganisationen grundsätzlich durch Misstrauen geprägt war.

Wadi richtete 2008 einen Computerkurs ein, der großen Zuspruch fand. Außerdem half Wadi bei der Reparatur des Stromgenerators, der das Krankenhaus versorgt. Auch die Computerkurse können die Elektrizität aus diesem Generator nutzen, da es in Sewsenan kein öffentliches Stromnetz gibt.

Viele andere Projekte wurden an Wadi herangetragen, doch sie erwiesen sich als zu kostspielig. Stattdessen forderte Wadi die lokalen Behörden auf, Sewsenan in ihre Planungen mit einzubeziehen, etwa um ein Jugendzentrum oder einen Kindergarten zu errichten.

Wadi plant in Sewsenan nun die Restaurierung eines Kinderspielplatzes, der einmal von einem ehemaligen Dorfbewohner, der heute in Großbritannien lebt, errichtet worden war, dann jedoch nach und nach dem Verfall anheim fiel, weil sich niemand für den Platz verantwortlich fühlte.


Networking und Kooperation

In all diesen noch immer unter den Folgen der verheerenden Angriffe leidenden Orten besteht immer auch ein riesiger und dringender Bedarf an umfangreicheren Projekten wie Schulen, Krankenhäusern, Infrastrukturmaßnahmen, etc., die den Rahmen dieser Notfallhilfe sprengen würden. Punktgenaue Kleinprojekte können jedoch unmittelbar wirken und mit relativ geringem Budget Hoffnung und ein wenig Anteilnahme vermitteln.

Die lokalen Gemeinden schätzen die Unterstützung der Dorfbewohner durch das Team sehr und sind daher zur Zusammenarbeit bereit. Sie informieren das Team über erforderliche und fehlende Einrichtungen in den Dörfern, und gemeinsam überlegt man dann, wie diese Mängel abgestellt werden können. Dies kann entweder direkt über den ERF stattfinden oder über Kontakte in die lokale Verwaltung koordiniert werden. Gegebenenfalls versucht Wadi auch, Einzelpersonen oder Organisationen zu finden, die bereit sind, zu helfen.

Wadi bemüht sich auch, Kontakte zwischen den betroffenen Dörfern herzustellen, die oftmals unter identischen Problemen leiden, aber nichts voneinander wissen. Gelingt es den Dörfern, ihre traditionelle Isolation zu durchbrechen, dann können sie sehr von gegenseitiger Hilfe und Unterstützung profitieren.

Das Networking und die individuellen und kollektiven Hilfeleistungen trugen dem Team die Rolle einer "Stimme der Dorfbewohner" ein. Und so befand man, dass es an der Zeit sei, ein unabhängiges Netzwerk der Dörfer, aufgebaut von den Bewohner/innen selbst,  einzurichten. Man berief ein Treffen ein, auf dem Vertreter der Dörfer und Ortschaften der Region zusammenkamen, um das "Komitee zur Beseitigung der durch Giftgasangriffe und Anfal verursachten Nöte" zu gründen. Dieses Komitee wird in Zukunft versuchen, selbstständig lokale Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte zu finden.



WADI - Association for Crisis Assistance and Development Co-operation
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