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23.03.2003 | Koalition für einen demokratischen Irak (KDI)


www.koalitiondemokratischerirak.de


An

Herrn Günter Verheugen
Mitglied der Europäischen Kommission
Rue de la Loi / Wetstraat 200
B – 1049 Brüssel 20. März 2003


Sehr geehrter Herr Kommissar, sehr geehrter Herr Verheugen,

wenige Tage, nachdem das türkische Parlament der Vereinbarung zwischen der amerikanischen und der türkischen Regierung bezüglich der Stationierung und des Durchzugs amerikanischer Truppenverbände auf türkischem Territorium seine Zustimmung verweigert hatte, wandte sich der türkische Generalstabschef Hilmi Özkök an die Öffentlichkeit und gab der Regierung gegenüber dem Parlament Rückenstärkung, in der Hoffnung, in einer zweiten Abstimmung die Zusage des Parlaments zu erwirken:

Es sei wichtig mit einer starken Militärmacht im Nordirak präsent zu sein, um die Interessen der Türkei wahrzunehmen und in der Post-Saddam-Aera im Irak bei der Neugestaltung des Staates ein Mitspracherecht für die Türkei zu sichern.

Die Arroganz der Militärs sich unaufgefordert in die Politik einzumischen, bestätigt leider unsere Befürchtungen wieder, in welchem Maße die Generäle in der Türkei immer noch Macht ausüben.

Sehr geehrter Herr Verheugen,

die Absicht der Republik Türkei, mit einer gewaltigen Militärmacht nicht nur das Selbstverwaltungsgebiet der Kurden im Nordirak sondern auch die ölreichen Provinzen Kirkuk und Mossul zu besetzen, wird der intenationalen Gemeinschaft verschwiegen.

Gemäß ihrer eigenen Aussagen hat sich die türkische Regierung gegenüber ihren amerikanischen Gesprächspartnern in der Frage der Kosten auch bezüglich der Post-Saddam-Aera im Irak durchgesetzt:

ca. 50.000 Soldaten und Kriegsmaterial in Südkurdistan zu stationieren, mit der Begründung, eine große Welle von Flüchtlingen daran zu hindern, die türkische Grenze zu erreichen;

zu verhindern, dass die föderale Regierung im Südkurdistan einen „unabhängigen kurdischen Staat“ ausruft;

in der „Post-Saddam-Aera“ alle kurdischen militärischen Kräfte im Nordirak zu entwaffnen;

zu verhindern, dass im zukünftigen Irak die Provinz Kirkuk zum kurdischen Selbstverwaltungsgebiet gehört;

zu verhindern, dass in der Post-Saddam-Aera im Irak ein föderaler Staat nach ethnischen Grenzen entsteht;

sich als Schutzmacht der Turkmenen im Irak international anerkennen zu lassen, um für diese Minderheit Sonderrechte zu erzwingen;

sich möglichst am Erdöleinkommen des zukünftigen Irak zu beteiligen.

Um diese Pläne umzusetzen, will die Türkei:

  1. in den sechs kurdischen Provinzen im Südosten der Türkei (Nordkurdistan) selbst wieder den Ausnahmezustand ausrufen;
  2. für den Transport von Truppen und Kriegsmaterial die privaten Transportmittel wie Lastwagen, Busse und Geländewagen insbesondere in den kurdischen Provinzen beschlagnahmen;
  3. durch einen Ausnahmezustandsgouverneur (Supergouverneur) in der kurdischen Metropole Diyarbakir die Umsetzungspläne koordinieren.
  4. mehr als 3.000 Turkmenen durch die türkischen Spezialkräfte in der Türkei militärisch ausbilden;
  5. 300 türkische Lehrkräfte in Südkurdistan einzusetzen, um ihre Assimilationspolitik auch dort zu verwirklichen.

Die kurdischen Parteien im Irak und die demokratische irakische Opposition, einschließlich der Mehrheit der Turkmenen sowie einschließlich der religiösen Minderheiten besonders der Christen, aber auch der Ahl-Haq und der Yeziden sind vehement gegen den Einmarsch und die Präsenz der türkischen Streitkräfte im Nordirak und deren Besetzungspläne. Die Menschen im Nordirak fürchten den Einmarsch der Türken mehr als den Krieg.

Die irakische Opposition, einschließlich der Kurden will den Sturz der Saddam-Diktatur und seines Regimes und einen zukünftigen demokratischen und föderalen Irak, in dem alle ethnischen und religiösen Minderheiten gleichberechtigt zusammenleben. Sie will keine Massenvernichtungsmittel mehr im Irak haben.

Wenn die Türkei ihre Pläne im Irak umsetzt, wird dies unabsehbare Folgen für den gesamten Nahen Osten haben. Die Einmischung Irans und Syriens wird unvermeidbar sein.

Die kurdischen Kräfte werden die Besetzung Südkurdistans durch die Türkei nicht einfach hinnehmen und sich bewaffnet zur Wehr setzen.

Die Folgen wären katastrophal. Wieder wären Hunderttausende Zivilisten auf der Flucht. Wieder herrschten Hunger und Elend in den kurdischen Provinzen des Nordirak. Wieder erfolgte die Zerstörung von wiederaufgebauten Infrastrukturen in Südkurdistan.

Ein Land, das sich als Beitrittskandidat der Europäischen Union verpflichtet hat, im Rahmen der Kopenhagener Kriterien die Minderheitenrechte, hier konkret die Rechte der Kurden im eigenen Land anzuerkennen, darf nicht auf fremden Territorium die dort aufgebaute Selbstverwaltung der Kurden im Nordirak zerstören und seine Assimilationspolitik auch dort installieren.

Eine militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak und die Besetzung eines Teils dieses Staates verstossen gegen das Völkerrecht. Solch ein Staat darf in der Europäischen Union keinen Platz haben.

Aus den oben erwähnten Gründen appellieren wir an Sie persönlich, sehr geehrter Herr Verheugen, an Ihre Kommission und an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die legitimen Forderungen der irakischen Opposition zu unterstützen.

Wir appellieren gleichzeitig an Sie, als guten Kenner der türkischen Politik mit Nachdruck auf die türkische Regierung einzuwirken, damit sie die internationalen Risiken erkennt und ihre Invasions- und Besetzungspläne aufgibt.

Die EU-Erweiterungskommission sollte bis dahin die Beitrittsverhandlungen mit der türkischen Regierung abbrechen.

Wir hoffen auf die aktive Unterstützung Ihrer Kommission und danken Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen.


Internationales Zentrum für die Menschenrechte der Kurden -IMK e.V.
für den Vorstand Dr. Hüseyin Bektas
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Abubekir Saydam (Büroleiter)
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D – 53 137 Bonn
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