zurück

KOALITION FÜR EINEN DEMOKRATISCHEN IRAK (KDI) - DIE IRAK DEBATTE | 18 / 2003

Fortsetzung Jahr 2000

Deutsche Todeshändler im Irak

„....In fast romantischer Anhänglichkeit gegenüber Deutschland“

Am 29. Juni 2000 trifft sich auf Einladung des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) ein diskret firmierender „Gesprächskreis Irak“ im Berliner Hotel Radisson SAS, dessen bloße personelle Zusammensetzung bereits darlegt, daß die alten Geschäfte mit dem Irak auch von den alten Beteiligten ungebrochen weiter geführt werden sollen.

Anwesend sind die Teilnehmer einer vorherigen (Mai 2000) BDI-Delegationsreise nach Bagdad, die nun in Berlin deren Ergebnisse auszuwerten, damit die angestrebten Verträge unter Dach und Fach gebracht werden können. Artig begrüßt werden sie vom BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. von Wartenberg, in den 8oer Jahren – zur Hochzeit des Techniktransfers zur Giftgasproduktion aus der BRD in den Irak – im Auswärtigen Amt zuständig für die Beschaffung und Bewilligung von Ausfuhrgenehmigungen, nunmehr idealerweise zuständig für die Vermittlung der aktuellen privatwirtschaftlichen Interessen der deutschen Iraq-Lobby.

Von Wartenberg lobt die irakische „romantische Anhänglichkeit gegenüber Deutschland“ und erinnert daran, daß die irakischen Eliten in den 3oer Jahren einmal die deutsche und italienische Sprache gelernt hätten – wohl auch damals schon romantisch verzückt. Dann trägt er daß Schreiben des BDI an den Außenminister Fischer vor, - dem der anwesende deutsche Geschäftsträger in Bagdad, Dr. Claude Robert Ellner -, mit zustimmendem Kopfnicken folgt. Es sei höchste Zeit für „die Durchsetzung nationaler (deutscher) Interessen sowohl in Irak als auch in den UN einzutreten. Insbesondere gegenüber dem UN-Sicherheitsratsmitglied USA, aber auch gegenüber Frankreich und Großbritannien müsse verdeutlicht werden, daß mit der bislang verfolgten Politik in New York deutsche Wirtschaftsinteressen stark beeinträchtigt würden“. „Dr. Ellner ergänzt aus seiner Sicht zunächst mit dem Dank an die Teilnehmer der Reise im Mai, die durch ihre beeindruckende Anzahl und ihr engagiertes Auftreten dem Vertreter der Bundesregierung vor Ort die Arbeit erleichtert habe – nicht zuletzt, weil Präsident Saddam persönlich den Besuch der BDI-Delegation goutiert hätte. In einer Vielzahl von Gesten der Sympathiebekundung und dem Rahmen des Besuchs, der normalerweise nur hochrangigen offiziellen politischen Besuchen vorbehalten bliebe, hätte sich dies wiedergespiegelt. Nach der Kabinettssitzung hätte Präsident Saddam im Fernsehen erklärt, (...) eine Arbeitsgruppe werde unter Tarek Aziz eingesetzt, um die Zusammenarbeit BDI/IFI unterstützend zu begleiten.“

Dann waren die Anwesenden dran. Deren erster Redner, dessen Firma dem früheren Giftgastransfer einen historischen Namen gegeben hatte, der Dr. Michael Fraenzel von KOLB / Pilot Plant, eröffnet den Reigen und beklagt sich darüber, daß neue Verträge nur schleppend in Gang kämen. Dies, obwohl man doch die Angebote über „die österreichische Zweigniederlassung eingereicht habe.“ KOLB weiß, wofür der Name KOLB steht, und lanciert sich über zwischengeschaltete Unternehmen und Töchter mit anderen Namen. Vor allem aber klagen die beiden folgenden Redner und alteingeführten Partnern des Regimes (Terramar; Firma VA Tech) ihrerseits von der Bundesregierung die Lösung der „Gesamtbesteuerung“ ein, weil sie gern in Irak, nicht aber in der BRD versteuern möchten. „Herr Schmid, Dresdner Bank, äußert Mißtrauen und sagt große Probleme voraus, wenn nennenswerte Altforderungen (in beiden Richtungen!) nach Aufhebung des Embargos zur Verhandlung anstünden. Den Reparaturbedarf der Irakischen Ölindustrie könne man zwar auf 30 Milliarden US-Dollar beziffern, der allerdings in 10 Monaten und nicht in 10 Jahren zu decken sei. Dies ließe sich aber auch nicht annähernd im Rahmen von Oil for food Geldern und ohne HERMES-Abdeckungen oder die Hilfe der Banken bewerkstelligen. Herr Schrörs, Firma Atecs Mannesmann, (ebenfalls ein alter Kunde;Red.) betonte, daß das Geschäft nun anlaufe, daß Irak deutsche Produkte wolle. Es müsse möglich, die Vergangenheitsbewältigung – (Altschulden) mit der Zukunft – (Neugeschäft) zu verbinden.“

Es ist wohl dieses Neu-Geschäft und diese Art der „Vergangenheitsbewältigung“, die sich positiv auf die alten Fundamente der Saddam-Diktatur bezieht, was deutsche Unternehmen und ihre Regierung derart mit Ressentiments gegen die US Regierung aufgeladen hat, die deren Beendigung erkennbar schon im Jahre 2000 wollte. Die Abstinenz der Führungen der deutschen Industrie gegenüber einem System-Wechsel in Irak hat schlicht zum Grund, daß einem im Falle der Demokratisierung des Zweistromlandes die privilegierte Geschäftsbeziehung flöten geht. MdB Moosbauer, erstmals Gast in der Runde, regt an, die „französische EU-Präsidentschaft solle sich um eine eigenständige europäische Irakpolitik bemühen, dies wolle er im Auswärtigen Ausschuß anregen.“ Moosbauer, der sehr wohl weiß, daß weit vor allen vorherigen US Beziehungen zum Irak Chirac in der Vergangenheit der Schrittmacher bei der Aufrüstung des Regimes gewesen ist, möchte Frankreich dafür gewinnen, als Türöffner für deren Fortsetzung zu fungieren. Auch in den berüchtigten 80er Jahren hatte die deutsche Industrie einen Großteil der Waffentechnologie für Saddam indirekt über Frankreich abgewickelt.

„Herr Müller, IMAG, forderte staatliche Beihilfen für die Beteiligung an der geplanten Messe in Bagdad. Herr Mayr sprach die bekannte Problematik des Israel-Boykottschreibens an. Herr Dr. Ellner sagte zu, dies mit dem Handesministerium erneut aufzunehmen.“

Moosbauer, MdB/SPD weiter: „BM Fischer sei der französischen Haltung gegenüber aufgeschlossen....es müsse eine neue Definition für Dual-Use-Güter gefunden werden.“

„Dr. von Wartenberg bedankt sich herzlich für die Darlegungen. Bedeutsam wäre, wenn die deutsche Industrie ihre Vorstellungen in die politischen Leitlinien des Bundestages einfließen lassen könnte.“

Dies, daß kann man wohl sagen, ist inzwischen gelungen. Und vollendet ausgedrückt damit ist auch, was die Befürworter darunter verstehen, wenn sie gegenüber dem Irak die Politik des "containment" propagieren.

„Dr. von Wartenberg faßt zusammen: Die Irak-Reise war ein big-event. Im irakischen Fernsehen lassen wir uns gerne feiern, in unseren Medien ist uns etwas mehr Zurückhaltung lieber“.

Oder wie der frühere Geschäftsführer von KOLB Pilot Plant, Dieter Backfisch, es 1991 sagte: „Für Leute in Deutschland ist Giftgas eine furchtbare Sache, Kunden im Ausland stört das nicht.“

Dr. Ellner nimmt am Ende des Treffens, man ist nun humanitär gestimmt, die „spontane Zusage“ der deutschen Wirtschaft auf Einrichtung eines Kinderkrankenhauses in Irak dankend entgegen.

Humanitär orientiert ist in allem, was den Irak angeht, auch die in diesem Fall ebenfalls anwesende „Deutsch-Irakische Gesellschaft e.V.“, deren Heidelberger Vertreter (Bericht in Irak Debatte 19 / 2003) noch in diesen Tagen als Mitglied einer „deutschen Friedensdelegation“ militärtaugliche Magirus und Daimler-Chrysler LKW’s in Bagdad auf die letzte Minute zu verhökern sucht. Die DIG organisierte seit 1991 mindestens 15 humanitär camouflierte Delegationsreisen in den Irak, darunter auch den berüchtigten „Soli-Flug“ nach Bagdad, zusammen mit Jamal Karsli und dem IPPNW-Ehrenvorsitzenden Professor Ulrich Gottstein, Frankfurt, der sich in einem Schreiben an die KDI für die Integrität des Vereinsvorsitzenden, des Marburger Professors Walter Sommerfeld (weiterer DIG-Vorsitzer: Aziz Alkazaz, Hamburg, Orient Institut, der als ideelles Sprachrohr Saddams in Deutschland gilt) verbürgt.

Beim intimen Treffen des Gesprächskreises des BDI war auch Walter Sommerfeld zu Gast: der ansonsten als Mitglied der Irak-Friedensbewegung und Förderer der „Initiative zur Aufhebung des Irak Embargos“ (Karsli, Guillard, von Sponeck) von sich reden macht. Er saß genau zwischen dem Michael Fraenzel (Karl KOLB Gmbh. & Co.KG.) und dem Repräsentanten Herrn Feller von der in allen armen Ländern dieser Welt gefürchteten Geisenheimer Waffenschmiede „Fritz Werner“.

Sie wissen genau, warum sie das sie störende Embargo beseitigen wollen.


Quelle: Alle Zitate aus dem uns vorliegenden Protokoll des Treffens des „Gesprächskreises Irak“, 29. Juni 2000 sowie aus der gleichfalls vorliegenden Teilnehmerliste.


WADI e.V. | tel.: (+49) 069-57002440 | fax (+49) 069-57002444
http://www.wadinet.de | e-mail: