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Pressemitteilung

Deutsche Wahlbeobachter/innen im Nordirak: Referendum ist weitgehend reibungslos abgelaufen

http://www.boston.com/globe/



Berlin, 17.10.2005

Wir sind zufrieden mit dem Verlauf des Verfassungsreferendums im Irak und beruhigt, dass nur ein Bruchteil der angekündigten Anschläge und Gewalttaten gegen die wählende Bevölkerung stattgefunden hat. Besonders froh sind wir darüber, dass unsere zur Wahlbeobachtung entsandten Mitarbeiter ihre Aufgabe unversehrt und ohne auf Behinderungen zu stoßen erfüllen konnten.

An dem am vergangenen Samstag abgehaltenen Verfassungsreferendum haben zwei deutsche und eine niederländische Mitarbeiter/innen der Hilfsorganisation WADI als akkreditierte internationale Beobachter/innen teilgenommen. Ersten Berichten zufolge sind Wahl und Stimmenauszählung in den von ihnen ohne Vorankündigung aufgesuchten Wahllokalen weitgehend reibungslos und ohne größere Beanstandungen verlaufen. Bemängelt wurde allerdings, dass nicht genügend Vorkehrungen für Analphabeten getroffen wurden. Außerdem habe es im Vorfeld teilweise Probleme mit der Registrierung der Wähler gegeben. Aufgesucht wurden Wahllokale in Ortschaften des nord-östlichen Irak in einer Region, die bis 2003 unter der Kontrolle der islamistischen Ansar al Islam Miliz stand. Nach wie vor bedrohen islamistische Milizen die mehrheitlich kurdisch besiedelte Region. Ein besonderes Augenmerk legten die Beobachter auf die Möglichkeiten von Frauen, ungehindert und ohne Beeinflussung ihre Stimme abzugeben.

Insgesamt bewerten wir das Referendum als einen Erfolg. Zum ersten mal in der Geschichte des Irak hat die Bevölkerung über die Annahme einer Verfassung entscheiden können. Die relativ hohe Wahlbeteiligung – trotz bekannter Sicherheitsprobleme und Anschlagsdrohungen – und der weitgehend ruhige Ablauf des Referendums belegen den Willen einer Mehrheit der Irakis, über die Zukunft ihres Landes auf demokratische Weise mitzubestimmen.

Bis vor kurzem war die irakische Bevölkerung aus der politischen Entscheidungsfindung systematisch ausgeschlossen worden. Wahlen unter Saddam Hussein kannten nur ein Votum: die 100-prozentige Bestätigung der Diktatur, erreicht durch den Ausschluss großer Bevölkerungsteile, durch Zwang und gezielte Manipulation.

Die jetzige Verfassung, die nach ersten Informationen von der Bevölkerung bestätigt worden zu sein scheint, löst einen Jahrzehnte währenden Zustand der Rechtlosigkeit ab. Bis dato haben irakische Regierung seit Ende der 1950er lediglich auf der Grundlage einer „Übergangsverfassung“ regiert und Gesetze weitgehend dekretär und ohne wirkungsvolle demokratische Kontrolle erlassen. Das Rechtssystem insgesamt ist im Irak unter der Diktatur Saddam Husseins vollständig entwertet worden. Rechtssicherheit und gleiche Gültigkeit von Rechten sind die Voraussetzungen für die schrittweise Normalisierung des Landes unter demokratischen Vorzeichen.

Regierung und Parlament im Irak sind nunmehr gefragt, sich zu einer Annahme des Votums zu verpflichten und nicht von der in letzter Minute in die Verfassung aufgenommenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, diese auch ohne Bevölkerungsvotum durch Mehrheitsbeschluss zu ändern.

Die deutsche Bundesregierung ist hingegen gefordert, den demokratischen Wiederaufbau des Irak nach Kräften zu unterstützen und sich nicht wie ihre Vorgängerin aus der Verantwortung für die Zukunft des Nahen Ostens zu stehlen.


Thomas Uwer

WADI | für den Vorstand


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