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Presseerklärung

Deutsche Hilfsorganisation setzt auf die Stärkung von Frauenrechten im Irak

Jüngst aus dem Irak zurückgekehrte Mitarbeiter sprechen sich für langfristige Hilfen beim Aufbau demokratischer Gesellschaftsstrukturen aus und kritisieren die Katastrophenmentalität der deutschen Hilfspolitik

http://www.boston.com/globe/


04.07.2003

Seit zehn Jahren ist die deutsche Hilfsorganisation WADI e.V. im Irak tätig. 1992 gegründet als Bündnis für Mitarbeiter verschiedenster Hilfsinitiativen, die zuvor im Zentral- und Südirak aktiv waren, unterstützt die Organisation seitdem soziale Initiativen, Frauenprojekte und Demokratisierungsprogramme im Nordirak, wo die Regierung Saddam Husseins keinen Einfluss auf die Entwicklungsprogramme nehmen konnte. Das Ziel der Arbeit: Dauerhafte Perspektiven schaffen für Menschen, die über Jahrzehnte unter Diktatur und Krieg gelitten haben. Zwei Mitarbeiter des Vereins sind nun aus dem Irak zurückgekehrt, wo sie mit irakischen Partnerorganisationen Programme in jenen Gebieten planen, die noch vor kurzem unter der Gewalt des Ba’thregimes gestanden haben.

„Es ist schockierend, in welchem Ausmaß die Diktatur alle Möglichkeiten zerstört hat, ein einigermaßen normales Leben zu führen“, beschreibt Thomas Uwer, einer der beiden Mitarbeiter die Situation im Lande. Mehr als dreißig Jahre hat die Ba’thpartei im Irak geherrscht und sich in alle Belange der Menschen einzumischen versucht. Wer sich entzog und verweigerte, der wurde verhaftet, verschwand oder wurde einfach ermordet. Familien wurden auseinandergerissen und zwangsumgesiedelt. Zehntausende haben traumatische Erlebnisse durchlitten, sind selbst zum Opfer von Gewalt geworden oder mussten erleben, wie man ihre nächsten Angehörigen tötete. „Die Angst gehörte zum Herrschaftsinstrumentarium des Staates“, sagt Uwer.

Genau deshalb, so glauben er und sein Kollege Thomas von der Osten-Sacken, muss die Demokratisierung des Landes mit der Schaffung demokratischer Strukturen in den alltäglichen Bereichen des Lebens einhergehen. „Die Befreiung von der Diktatur“, sagt von der Osten-Sacken, „bedeutet zu aller erst die Freiheit der Menschen in ihren konkreten und alltäglichen Lebensbereichen.“ Im Zentrum ihrer Arbeit stehen daher die Frauen des Irak, die unter staatlicher genauso wie unter häuslicher Gewalt zu leiden hatten. Gewalt, die bis zum Mord reicht. Den „Honor-Killings“, Morden aus „Ehre“, fallen jährlich hunderte Frauen zum Opfer. Unter Saddam Hussein waren diese Morde Ende der Achtziger Jahre legalisiert worden, wenn ein „moralisches Vergehen“ der Frau ins Feld geführt werden konnte.

In den kurdischen Gebieten des Nordirak unterstützt WADI seit Jahren Frauenzentren, Anlaufstellen zur psychologischen und sozialen Beratung und Schutzhäuser für Opfer von Gewalttaten. In Kooperation mit dem neugegründeten Frauennetzwerk „Iraqi Network for the Empowerment of Women“ (INEW), dem 18 irakische Frauenverbände und Initiativen angehören, soll diese Arbeit nun auch auf andere Landesteile ausgedehnt werden. Nur wenige Tage nach dem Sturz des Saddam Regimes suchten die ersten arabischen Frauen aus dem Zentralirak in die kurdischen Frauenhäuser. Einige waren Opfer systematischer Vergewaltigung durch irakische Sicherheitskräfte, andere hatten ihre Familien verloren und waren von den lokalen Behörden an die Zentren weiter verwiesen worden.

Bereits seit Ausbruch des Krieges unterhält WADI mehrere mobile Frauenteams, die erste Hilfe in jenen Regionen leisten, die bislang nicht erreicht werden konnten. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Stadt Kirkuk, wo kurdische, arabische, turkmenische und assyrische Ansprüche aufeinandertreffen. Hier arbeiten für WADI lokale Ärztinnen und Sozialarbeiterinnen aus allen Bevölkerungsgruppen. „Diese Frauen“, sagt von der Osten-Sacken, „sind nicht nationalistisch, sondern sie arbeiten für andere Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion.“ Das für Kirkuk geplante Zentrum vereint daher Schutz und Betreuung von Gewaltopfern, Beratung und Dienstleistungen (wie eine kostenlose gynäkologische Sprechstunde), mit Aufklärung und der Stärkung von Frauenrechten durch die Unterstützung von Initiativen und Zeitungen mit Büroräumen und Material. Neben Kirkuk sollen auch in Mosul, Bagdad und anderen Städten des Irak ähnliche Zentren entstehen.

Dem dringend erforderlichen Wiederaufbau werden deutsche Organisationen und Regierungsstellen nach Meinung der beiden WADI-Mitarbeiter kaum gerecht. Die deutsche Hilfe beschränke sich – wo sie überhaupt stattfindet – alleine auf das Verteilen dringend benötigter Güter, ohne eine längerfristige Perspektive im Blick zu behalten. Nach über dreißig Jahren Diktatur stehe das Land vor einem entscheidenden Neubeginn. Innerhalb des Nachkriegsirak gelte es daher demokratische und zivile Strukturen zu unterstützen, anstatt in der Pose erfolgloser Kriegsgegnerschaft zu verharren.

WADI unterstützt neben dem Programm zur Stärkung von Frauenrechten Projekte für Opfer von Folter und staatlicher Gewalt sowie Bildungsprojekte. Für konkrete Informationen stehen Ihnen die Mitarbeiter Thomas Uwer und Thomas von der Osten-Sacken zur Verfügung. Projektbeschreibungen und Hintergründe finden Sie auch auf unserer Website unter www.wadinet.de.

Anne Mollenhauer (0179-7378426)

Thomas Uwer (030-4411352/0172-3052691)


WADI e.V. | tel.: (+49) 069-57002440 | fax (+49) 069-57002444
http://www.wadinet.de
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