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WADI e.V. und KDI (Koalition Demokratischer Irak)

Presseerklärung

Zusammenbruch der Anerkennungsquoten irakischer Flüchtlinge angesichts des drohenden Krieges aufgrund Falschdarstellung des Auswärtigen Amtes

Sicherheit und dauerhafter Schutz für die Opfer irakischer Diktatur in Deutschland gefordert


Der deutsche Sonderweg im Fall des Irak gilt nicht nur für die Außenpolitik. Während eine mögliche militärische Auseinandersetzung am Golf täglich näher rückt, hat die Anerkennungsquote irakischer Asylsuchender im Januar einen historischen Tiefstand erreicht. Nach jüngsten Angaben des Bundesamtes für Migration erhielten im vergangenen Monat lediglich knapp über 12 % der Antragsteller im Erstverfahren einen Aufenthaltsstatus. In den Jahren 2000 und 2001 lag die Quote noch bei rund 65 %. „Der sogenannte deutsche Sonderweg, den die Bundesregierung weist, führt für Flüchtlinge aus dem Irak auf dem direkten Wege zurück in den Verfolgerstaat“, sagt Thomas Uwer, Referent der Hilfsorganisation WADI e.V..

Dass die Anerkennungspraxis exakt zu einem Zeitpunkt umschwenkt, zu dem ein Krieg im Irak absehbar wird, kann kaum als Zufall durchgehen. Verbessert hat sich die Menschenrechtslage im Irak seitdem nicht. Im Gegenteil: Unter dem Druck des angedrohten Systemwechsels versucht das Regime jeden möglichen Widerstand aus der Bevölkerung bereits im Keim zu ersticken. Anerkannte internationale Organisationen schätzen die Opfer von Saddam Husseins Regime seit dessen Regierungsübernahme auf 500.000 bis eine Million Menschen, ohne die beiden Golfkriege mitzuzählen. „Der Bundesregierung geht es offensichtlich darum, Flüchtlingen aus dem Irak jetzt möglichst keinen Status mehr zu gewähren, der ein Hindernis darstellen könnte, wenn es mit einem Regierungswechsel oder einem Embargo-Ende wieder möglich sein wird, in das Land abzuschieben“, erklärt Uwer.

Die Grundlage für den Umschwung in der Anerkennungspraxis legte das Auswärtige Amt. Dessen Bericht über die asylrelevante Lage im Irak stellt die wichtigste empirische Grundlage dar für die Entscheidungen des Bundesamtes und der mit den Klagen von abgelehnten Asylsuchenden befassten Richter. Seit Anfang 2002 wird in diesen Lageberichten plötzlich von „Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen“ im kurdischen Nordirak berichtet, die „Personen aus Zentralirak nicht ab(weisen)“ würden. Seitdem auch gilt die kurdische Autonomieregion im Nordirak als „sichere Fluchtalternative“ auch für solche Iraker, die nicht aus den kurdischen Autonomiegebieten stammen. Uwer, dessen Organisation WADI seit 1993 im kurdischen Nordirak tätig ist, bezeichnet diese Darstellung als „völlig aus der Luft gegriffen“. „Diese Flüchtlingslager der UN sind frei erfunden.“ UNHCR, das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, verfügt über kein Mandat, die „innerirakischen“ Flüchtlinge zu versorgen, denn nach wie vor ist auch der kurdische Nordirak völkerrechtlich ein Bestandteil des irakischen Staatsterritoriums.

Schwerwiegender schätzen beide Organisationen die grundsätzliche Einschätzung einer „inländischen Fluchtalternative“ in den Kurdengebieten ein. Zwar übt der irakische Staat derzeit keine Regierungsgewalt in der Region aus. Allerdings existieren weder völkerrechtlich noch materielle Schutzmechanismen, die eine Sicherheit vor dem jederzeit möglichen Übergriff der irakischen Armee sicherstellen könnten. Aus der „Fluchtalternative“ könnte so schnell eine Todesfalle für Flüchtlinge werden, wenn Husseins Armee an den Kurden Vergeltung übt. Seit Jahren fordern Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen daher in direkten Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt eine Umformulierung der entsprechenden Passagen. „Diese Bedrohung, die einer der Hauptgründe dafür ist, dass Menschen aus der Region fliehen, wird vom deutschen Außenamt schlicht nicht ernst genommen“, erklärt Hans Branscheidt von der Koalition Demokratischer Irak, einem Zusammenschluss irakischer Oppositionsgruppen und deutscher Menschenrechtsorganisationen in der Bundesrepublik. . „Wenn es um das Leben von Flüchtlingen geht, reicht es nicht aus, darauf zu spekulieren, dass diesmal alles gut geht.“

Bereits vor vier Jahren, angesichts des Kosovo-Krieges, musste das Auswärtige Amt einen Lagebericht zurückziehen, der die „Verfolgungswahrscheinlichkeit“ als denkbar gering einstufte. Diesmal geht es um mehr. Im Nordirak bereitet sich die kurdische Regionalregierung auf den Ernstfall vor. In den Achtziger Jahren haben Saddams Truppen hier Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Im Frühjahr 1988 starben über 5.000 Zivilisten in der Stadt Hallabja an chemischen Kampfstoffen. An die 4.000 Dörfer und Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht, mehr als 100.000 Menschen wurden in wenigen Jahren ermordet oder „verschwanden“. Die Region, von der aus sich heute die irakische Opposition auf einen Regimesturz vorbereitet, gilt als eines der wahrscheinlichen Angriffsziele, sollte Hussein im Fall eines Krieges Massenvernichtungswaffen einsetzen.

Davon möchte die Bundesregierung scheinbar nichts wissen. Noch im Lagebericht des Außenamtes vom Herbst 2002 wird erklärt, dass ein grundsätzlicher politischer Wandel im Irak nicht absehbar sei. „Die Bundesregierung scheint an die Macht des Willens alleine zu glauben“, kommentiert Uwer, „dabei ignoriert sie systematisch alles, was ihrer Vorstellung widerspricht, ein Krieg könnte verhindert und die gegenwärtige unhaltbare Situation im Irak aufrechterhalten bleiben.“

Von der Regierung fordern die Organisationen eine ad-hoc Korrektur des Lageberichtes anstelle des zu erwartenden „Entscheidungsstopps“, der lediglich darauf spekuliere, Flüchtlinge nach einem Krieg abzuweisen. Angesichts der tiefen Verstrickung deutscher Unternehmen, die mit Unterstützung der Regierung und teilweise sogar gefördert mit Hermeskrediten einst den Irak aufrüsteten, fordern sie eine großzügige Aufnahme und eine dauerhafte Aufenthaltsgarantie für bereits in Deutschland lebende Flüchtlinge aus dem Irak.


Thomas Uwer
(0172-3052691)
Wadi e. V.
Herborner Str. 62
D-60439 Frankfurt/ M
Tel ++49-69-57002440/ Fax: 57002444
, www.wadinet.de

Hans Branscheidt
(0177- 7321200)
Koalition Demokratischer Irak
Postfach 35
61440 Oberursel


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