Zur Kritik der Friedensbewegung
Gedanken zum Thema Irak
Liebe Freundinnen und Freunde,
Um es von vorne herein eindeutig festzustellen, ich bin gegen jeglichen Krieg der USA und ihrer so genannten "Verbündeten" gegen den Irak.
Allerdings wird dieser Krieg kommen, egal ob wir ihn wollen oder nicht. Dabei stellt sich die Frage nach den Konsequenzen für die Menschen und die instabile Ordnung des Nahen Ostens.
Vor diesem Hintergrund halte ich das derzeitige Engagement der deutschen, wie internationalen Friedensbewegung für äußerst bedenklich, wenn nicht vom Ansatz her für falsch.
Die Friedensbewegung hat sich einmal mehr in eine taktische Falle begeben und verliert dadurch an notwendiger Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit. Dies versuche ich im Folgenden zu erläutern.
Für viele ist der lange angekündigte US - Krieg ein imperialistischer Akt zur Absicherung der hegemonialen Ansprüchen der USA, ein Krieg um die arabischen Ölreserven wie des Irak, wie auch geostrategischer Interessen der gesamten (westlichen) Industrienationen (USA + NATO). Diese Betrachtungsweisen sind nicht falsch, aber nur die eine Seite der Münze.
Völlig aus dem Focus der Krieggegner ist dabei der politische und militärische Gegner der USA geraten; das national(faschistische ) Baathisten - Regime um Saddam Hussein. Die Krieggegner konzentrieren ihre Solidarität mit irakischem Volk, ein Volk welches sich in absoluter Geiselhaft eines schwerstkriminellen Regimes mit einem paranoiden Diktator, seine Söhne eingeschlossen, befindet. Diese verständliche Solidarität kann in ihrem Ansatz nicht zwischen Unterdrückten und Despoten trennen und nützt somit keinem einzigen Menschen im Irak. Sie erzeugt im Gegenteil dem Regime einen internationalen Rückhalt, welches es nicht verdient.
Blicken wir doch nur einmal kurz auf die Geschichte des baathistischen Regimes in Bagdad. Seine Geschichte (betrachtet seit dem Putsch vom 17.7.1968 bis heute) ist eine einzige Blut und Terrorspur mit annähernd 2 Mio. Toten unter der eigenen Bevölkerung. Zwei Millionen Menschen, einzig zur Machtabsicherung bestialisch abgeschlachtet, ohne die hunderttausenden von Toten des iranischen - irakischen Krieges (irakischer Giftgaskrieg) hinzu zu zählen.
Beispielhaft erwähne ich nur die Giftgasangriffe gegen die Kurden im Rahmen der "Anfal -Offensive" (Strafaktion) mit dem Angriff auf die Stadt Halabdja, wo das Regime binnen Minuten 5000 Menschen hinmetzelten. Dieser Giftgasangriff war das Fanal eines monatelangen Terrorkrieges gegen die irakischen Kurden. Nach dem Golfkrieg konnten 1991/92 das Regime ungestört hunderttausende von Schiiten des irakischen Südens in den Tod treiben, ohne dass die Weltöffentlichkeit (Kriegsgegner eingeschlossen) ernsthaften Anstoß daran genommen hätte. Solch ein Regime verdient keine Solidarität, auch wenn es propagandistisch gegen die USA und Israel agiert.
An dieser Stelle helfen richtige Hinweise, dass die Giftgastechnologie schließlich aus Deutschland (Pilot Plant u. A. mit Wissen des damaligen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium Möllemann) kam wenig weiter und entlasten das Baathisten - Regime keinesfalls. Diese Zusammenhänge verdeutlichen allerhöchstens, mit wie viel Heuchelei, auch die deutsche Politik bis heute (Schröder/Fischer eingeschlossen) mit der Thematik umgeht.
Auch der Hinweis, dass es in erster Linie die USA waren, die Sowjetunion darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, die Saddam unterstützten und immer gewähren ließen solange er den Interesse beider Mächte im UN - Sicherheitsrat diente. Auch dies scheint mir kein schlüssiges Argument gegen den Krieg zu sein.
Wo liegen dann die Aufgaben der Friedensbewegung?
Gefordert ist ein klares politisches Konzept für die gesamte nahöstliche Region, die Antworten gibt auf:
a.. Eine irakische Gesellschaft nach
einem Ende des baathistischen Regimes,
wie eine Aussöhnung zwischen der
sunnitisch - arabischen Mehrheitsbevölkerung
, den Kurden im Norden und den Schiiten
im Süden aussehen könnte und
welche Gesellschaftsform sich die Menschen
im Irak selbst schaffen können. Die
Frage ist, kann dies gelingen, solange
Saddam und seine Höflinge, die Menschen
in Geiselhaft halten.
b.. Die Kriegsgegner sind dringend aufgefordert,
sich mit den politischen Vorstellungen
der Kurden (KDP und PUK) auseinander zu
setzen. Auch wenn vieles davon nicht unseren
Vorstellungen entsprechen mag, die demokratischen
Ansätze in der kurdischen Autonomiezone
verdienen Respekt und sind zigfach besser
als das Bagdader Getöse. Ebenfalls
verdient die schiitische Opposition die
Solidarität, denn es sind eben nicht
die Statthalter des iranischen Regimes.
c.. Erforderlich ist eine klare Position
in Palästina, Kritik an den politischen
Akteuren, jenseits von den Menschen beider
Nationen, die in ihrer Mehrheit Opfer
sind und nicht Täter. Ressentiments
gegen Juden auf der einen und Muslimen
auf der anderen Seiten, tragen ebenfalls
nicht zur Lösung des Problems bei.
d.. Eine Lösung des gesamten kurdischen
Problems in den vier kurdischen Teilungsstaaten
(Türkei, Syrien, Irak und Iran) Solange
nur partielle Lösungsansätze
verfolgt werden, wird es keinerlei politische
Lösung für die gesamte Region
geben können. Dies sollte sich die
Friedensbewegung ins Stammbuch schreiben,
damit ihre Kritik an den USA und der NATO
nicht ins Leere läuft und den Regimes
in den genannten Ländern ein "Weiter
So" garantiert.
Mit diesen Gedanken versuche ich eine
Reihe von Fragestellungen aufzuzeigen,
auf die derzeit niemand in der Welt eine
abschließende Antwort parat hat.
Dies ist nicht nur ein Defizit der Vereinten
Nationen, der Mächte, die den Sicherheitsrat
stellen, der NATO, sondern auch der weltweiten
Friedensbewegung. Kriegsgegner und Pazifisten
haben auf diesem Gebiet aber die Chance,
die Kräfte welche glauben mit militärischen
Mitteln Lösungen mit kürzester
Halbwertszeit herbei zu bomben, argumentativ
und überzeugend auszuhebeln, sprich
die internationale Friedensforschung und
die nichtmilitärischen Kräfte
sind gefordert.
Wir sind gefordert; Parolen "Kein Krieg fürs Öl", weiße Laken vor den Fenstern usw. sind kein Beitrag dafür, dass den betroffenen Menschen im Irak und Nahen Osten auch nur ansatzweise geholfen wird, noch das ein Bush sich von seinem Wahnsinn abhalten lässt. Wer keinen jetzigen und noch zukünftige US - Kriege wünscht, muss eine Antwort darauf finden, wie Verbrecher vom Schlage eines Saddam endlich und schnellstmöglich von der Bildfläche verschwinden.
Anmerkung:
Diese persönlichen Gedanken sind Ergebnis längerer Überlegungen. Als Mensch, der in Halabdja war, der die unvorstellbaren Zerstörungen der Anfal - Offensive vor Ort gesehen hat, fällt es schwer, einfach nur "Nein" zum Krieg gegen Saddam zu formulieren.
Darüber möchte ich gerne diskutieren und hoffe auf Reaktionen.
Alexander Kauz
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