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Zweierlei Besatzung

von Thomas von der Osten-Sacken

Liest man dieser Tage irakische Weblogs, deren es noch immer viele gibt, ist man einmal mehr überrascht über den Humor, Realismus und auch die Selbstkritik all jener, die vor einigen Jahren voller Enthusiasmus den Neuanfang im Irak begrüßt haben.
Es lohnt, zumindest einmal pro Woche eine Zusammenfassung der irakischen Blogs zu lesen, die freundlicherweise unter anderem „Dean’s World“ besorgt: http://www.deanesmay.com/posts/1164725546.shtml

Dort findet man dann etwa Überlegungen zur Besatzung von „Neurotic Iraqi Housewife“ (http://neurotic-iraqi-wife.blogspot.com), die so gar nichts mit dem antiimperialistischen Getue in Europa und der arabischen Welt zu tun haben:

„ Question is, how can you get rid of these militias and Terrorists that overtook my country??? And people say we are under occupation. Yes we are under occupation but not by the coalition forces, we are under Militia occupation. Do you hear me??? (…) Don’t you dare say to me that we are occupied by these forces. State your facts clearly. WE ARE UNDER MILITIA/TERRORIST OCCUPATION...OK???”

Richtig: die USA haben versäumt den Milizen und Warlords, die heute große Teile des Irak kontrollieren das Handwerk zu legen. Das ist ihnen zum Vorwurf zu machen.

Wer jetzt aber die Irakis ihrem Schicksal überlassen würde – kürzlich forderte parallel Christian Ströbele einen Abzug der Truppen aus Afghanistan, damit dort Frieden einkehre – überließe das Land der Okkupation der Milizen und Sadristen. Und würde zudem völlig missverstehen, was im Irak in den letzten Jahren geschehen ist: alle Gotteskrieger, seien es nun Sunniten oder Schiiten, die sich innerhalb kürzester Zeit als das entpuppt haben, was sie eh sind: nämlich Mafiosis, Killer und Warlords, haben jede Legitimation verloren.

Ihre vermeintliche Macht fußt auf Terror, Nepotismus und Angst. Wer immer die Möglichkeit hat, sich mit Irakern zu unterhalten, die nicht der direkten Anhängerschaft einer der Milizen entstammen, mag auf Ressentiments, Vorurteile und alles mögliche stoßen, auf eines aber nicht mehr: den Glauben mit islamischen Parteien an der Regierung ließe sich langfristig auch nur eines der Probleme des Landes lösen. Nun das immerhin wäre doch ein idealer Ansatz nun wirklich mit der Transformation des Landes zu beginnen.

Leider geschieht das Gegenteil: Im Moment ihrer größten Schwäche kapitulieren Demokraten, Realisten und Europäer vor den Terrorbanden und Milizen im Irak.


Artikel erschienen am 06.12.2006 auf weaponsofmoderndemocracy.blogspot.com


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