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Zu Gast bei Saddam

Jörg Haider sieht sich bemüßigt, den Prozess gegen Saddam Hussein als "fernsehgerechte Show des Siegers" zu denunzieren. Er scheint dabei aber an eine andere "Siegerjustiz" zu denken.

Thomas Schmidinger

Haider sieht im Prozess gegen jenen Mann, der den Irak 30 Jahre lang mit Einschüchterung, Terror und Gewalt regierte, als "Tribunal der Sieger" nach dem "Drehbuch des Pentagon" und hebt anerkennend hervor, dass sich Saddam Hussein nicht "an dieses US-Drehbuch" halten wolle. Dass sich der Mann, der über eine Million seiner Landsleute, Schiiten, Kurden, Kommunisten, als Prostituierte verdächtige Frauen, Juden, Liberale oder Islamisten ermorden und in Massengräbern verscharren ließ, der sein Land in drei sinnlose Kriege geführt hatte, von denen allein der irakisch-iranische Krieg eine weitere Million irakischer und eine Million iranischer Soldaten und Zivilisten das Leben kostete, dass er sich nach wie vor als "Präsident des Irak" sieht, hält er nicht für größenwahnsinnig, sondern für "trotzig, unbeugsam und unbelehrbar".

Haider kritisiert den Prozess gegen Saddam und seine vorerst sieben Mitangeklagten, darunter der frühere Vizepräsident Taha Yassin Ramadan und Saddam Husseins Halbbruder, der frühere Geheimdienstchef Barzan Ibrahim al-Tikriti, als "Realversion der unzähligen fiktiven Gerichtsshows" ohne einen Beleg für Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu liefern.

Tatsächlich mag es berechtigte Bedenken gegen einen Prozess geben, der sich in einem Land abspielt, das tagtäglich von Terror heimgesucht wird und in dem die Sicherheitslage so fatal ist, dass es bisher nicht möglich war die notwendigen Zeugen vorzuladen. Bisher hatte sich das Gericht jedoch gegenüber den Angeklagten korrekt verhalten. Die Angeklagten werden professionell verteidigt, der Prozess war öffentlich und wurde im irakischen Fernsehen live übertragen. Die von Haider kritisierte 30-minütige Verspätung war lediglich auf CNN durch technische Probleme und die notwendige Übersetzung bedingt. Könnte Haider Arabisch hätte er den Prozess im irakischen Fernsehen live und unzensuriert mitverfolgen können.

So legitim es ist, wenn manche Rechtsexperten Saddam lieber vor einem internationalen Gericht sehen würden, so legitim ist der Wunsch der irakischen Bevölkerung ihm dort den Prozess zu machen, wo er seine Verbrechen begangen hat. Für die neue irakische Justiz ist dies eine große Herausforderung. Sie kann dabei beweisen, dass der neue Irak ein Rechtsstaat sein wird. Dazu ist jede kritische Beobachtung der Prozessführung hilfreich.

Die Forderung Haiders nicht nur Saddam, sondern auch George W. Bush vor Gericht zu stellen, hat allerdings neben dem traditionellen Antiamerikanismus des dritten Lagers einen anderen Grund: Die engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der damaligen FPÖ zum irakischen Baath-Regime.

Nicht nur Haider selbst, der über sein gutes Verhältnis zum Baath-Regime sogar ein eigenes Buch ("Zu Gast bei Saddam") verfasste, sondern eine Reihe von Funktionären seiner Partei standen in einem Naheverhältnis zur Baath-Partei. Insbesondere die Irakisch-Österreichische Gesellschaft unter ihrem Vizepräsidenten Ewald Stadler war eine wichtige Drehscheibe des Baath-Regimes zu österreichischen Politikern und Wirtschaftstreibenden.

Im Irak tauchten nach dem Sturz Saddams Dokumente auf, die nicht nur der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen unter den Sozialdemokraten Fritz Edlinger und Karl Blecha eine Verwicklung in illegale Geschäfte mit irakischen Ölgutscheinen vorwarfen, sondern eben auch der FP-nahen Irakisch-Österreichischen Gesellschaft. Sensiblere Waren dürften dabei über die Firma des in Kärnten lebenden irakischen Geschäftsmann Abdul Moneim Jebara abgewickelt worden sein. Der persönliche Bekannte Haiders begann, als sich der Sturz Saddams abzeichnete, in einer ARD-Sendung auszupacken und erzählte, wie biologische und chemische Waffenlabors in den Irak geschmuggelt worden waren.

Nicht nur Saddam "weiß genau, was er sagt und wem er das sagt", wie Haider richtig feststellt. Auch Haider weiß genau, was er sagt und wem er das sagt. Der alte Freund des Baath-Regimes, der nicht nur nach Bagdad fuhr um Saddam - oder sein Double - zu treffen, sondern auch besonders enge Beziehungen zu Naji Sabri, dem Ex-Botschafter des Irak in Österreich und späteren Außenminister unterhielt und diesem nach dem Sturz des Regimes Asyl in Kärnten anbot, verteidigt damit nicht nur seine alten Kameraden in Bagdad.

Vielmehr scheint vor Haiders geistigem Auge eine andere "Siegerjustiz" abzulaufen. Auch dieser Prozess wurde von Richtern geleitet, die von den Siegern eines Krieges eingesetzt wurden um Kriegsverbrecher abzuurteilen. Er fand zwischen 1945-46 in Nürnberg statt und endete nach einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren mit zwölf Todesstrafen, drei Freisprüchen und sieben Haftstrafen. Ich kann nur hoffen, dass die Prozesse gegen Saddam und die anderen Verbrecher seines Regimes denselben rechtsstaatlichen Kriterien genügen werden, wie dieser Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg.


Thomas Schmidinger ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft in Wien, Mitarbeiter der Hilfsorganisation Wadi. Zuletzt erschienen: "Irak - Von der Republik der Angst zur bürgerlichen Demokratie?".

Der Beitrag erschien als Antwort auf einen Gastkommentar Jörg Haiders vom vergangenen Samstag.


erschienen in Die Presse vom 28. Oktober 2005


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