zurück


Wen die Irakerin wählt, bestimmt oft ihr Mann

Tausende Frauen haben beschlossen, trotz Lebensgefahr an der Politik des Landes mitzuarbeiten

Das Recht zu wählen ist Iraks Frauen garantiert. Doch die Freiheit der Wahl liegt in den Händen der Männer: Denn Väter oder Ehemänner vieler Irakerinnen werden zumeist darüber entscheiden, für welche Parteien die Frauen am Sonntag stimmen. "Im ganzen Irak gibt es die Tendenz, dass Familien geschlossen für eine Partei wählen. Diese Tendenz ist umso ausgeprägter, je stärker die Stammesstrukturen sind und je dörflicher die Umgebung ist", schildert der im kurdischen Suleymaniya stationierte internationale Wahlbeobachter Thomas von der Osten-Sacken dem KURIER.

Dabei haben nicht alle Frauen klare Vorstellungen von dem, was gewählt wird – Premier oder Präsident? Generell sei das Wissen im kurdischen Norden des Irak, wo schon 1992 zum ersten Mal gewählt wurde, höher als im Rest des Landes, meint Osten-Sacken.

Doch während die Angst vor Attentaten viele Irakerinnen vor dem Urnengang abhalten dürfte, haben Tausende andere beschlossen, trotz Lebensgefahr an der Politik des Landes mitzuarbeiten. Hilfsorganisationen, Frauengruppen und Wahlhelferinnen haben in den vergangenen Monaten unter ständiger Lebensgefahr Frauen über den Urnengang informiert. Ein Viertel der künftigen Nationalversammlung in Bagdad ist Frauen vorbehalten – auf allen Wählerlisten müssen deshalb ein Viertel Frauen stehen. "Alle Parteien, auch die schiitischen, bemühen sich, diese 25-Prozent-Klausel einzuhalten", sagt von der Osten-Sacken.

Ob die ins Parlament gewählten Frauen dann ihre Anliegen durchsetzen können, ist fraglich. Vor allem im Vorjahr hat sich die Lage der Irakerinnen drastisch verschlechtert. Die Gefahr von Attentaten und Entführungen hindert viele, arbeiten zu gehen oder überhaupt das Haus zu verlassen. Ein rechtlicher Tiefschlag konnte gerade noch verhindert werden: Gegen den erbitterten Widerstand der Religiös-Konservativen setzte der Regierungsrat den Fortbestand des bestehenden Zivilrechts durch. Damit bleiben die Verstoßung durch den Ehemann verboten, die Vielehe nahezu unmöglich und das geteilte Sorgerecht für die Kinder bei einer Scheidung.

von Ingrid Steiner-Gashi

 

erschienen am 27.01.2005 im Kurier, Wien


WADI e.V. | tel.: (+49) 069-57002440 | fax (+49) 069-57002444
http://www.wadinet.de | e-mail: