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Verständnisinnig

Islam-Konferenz in Beirut

von Thomas v. d. Osten-Sacken und Thomas Uwer

Fast hatte man ihn schon vergessen, den »deutschen Weg«, den Kanzler Gerhard Schröder noch vor Jahresfrist anbot: Dialog statt Konflikt, kultureller Austausch statt »Clash of Civilisations«, Frieden statt Krieg. Bekanntlich kam alles anders, und die Stichwortgeber des Kanzlers, die hauptamtlichen Experten aus der Schule der deutschen Orientwissenschaften, lagen mit allem daneben, was sie prophezeit hatten. Kurze Zeit war es still um sie geworden, und man durfte hoffen, sie seien in irgendeiner Bibliothek verschollen.

Nun aber melden sie sich zurück, als wäre nichts geschehen. Vom 17. bis 19. Februar soll im deutschen Orient-Institut Beirut eine Konferenz unter dem paradigmatischen Titel »The Islamic World and Europe: From Dialogue towards Understanding« stattfinden, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Orient-Institut in Kooperation mit dem Consultative Center for Studies and Documentation (CSSD) sowie der österreichischen Botschaft. Wie kurz der Weg vom »Dialog« zum »Verständnis« ist, zeigt die Liste der geladenen Referenten. Neben den deutschen Experten Michael Lüders, Helga Baumgarten und Volker Perthes referieren u.a. Sheikh Naeem Quasim von der Hizbollah, Tariq Ramadan sowie Azzam al-Tamimi vom britischen Muslim Council. Spannung verspricht auch der Vortrag von Jamal al-Banna, dem Bruder des Gründers der Muslimbruderschaft, der über »Demokratie – ein flexibles Konzept« sprechen wird.

Flexibilität oder doch zumindest Geschmeidigkeit im sprachlichen Umgang mit dem islamistischen Terror zeichnet auch die Konferenz aus, hat doch die Friedrich-Ebert-Stiftung dafür gesorgt, dass nur der reflektierte Islamismus aufs Podium darf, während das vermummte Fußvolk draußen in der Bekaa-Ebene warten muss. »Besatzung und Widerstand«, heißt beispielsweise die Diskussionsrunde mit Michael Lüders und Ali Fayyad vom Hizbollah Think Tank CSSD. Der Untertitel lautet: »eine differenzierte Perspektive«.

Fraglos »differenziert« setzt sich auch der Redner al-Tamimi mit dem Phänomen des arabischen Antisemitismus auseinander und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Araber als Semiten gar nicht antisemitisch sein können. Dass sie gleichwohl etwas gegen Juden haben, dafür »trägt das zionistische Projekt die volle Verantwortung«, schrieb er erst vor anderthalb Jahren in einem Artikel. Differenziert unterscheidet er zwischen dem richtigen Antisemitismus, der sich gegen »die zionistischen Verschwörungen« richtet, und dem falschen, der die Juden auch dann noch ablehnt, wenn Israel längst zerstört ist. »Muslime sollten sich effektiv daran beteiligen, eine Lösung des Palästinakonflikts herbeizuführen«, erklärt Tamimi. »Ein Teil dieser Bemühungen muss sich gegen die jüdischen Gemeinden in der Diaspora wenden.« Verwundert es da noch, dass Tamimi die Hamas für ihre differenzierte Sicht auf die Juden lobt? Ähnlich reflektierte Analysen verspricht Munir Shafiq, einst Marxist, bis er unter dem Einfluss der iranischen Revolution und des Holocaust-Leugners Roger Garaudy zum Islam konvertierte und zum Ideologen des palästinensischen Islamischen Jihad und später der Hamas avancierte.

Nicht fehlen darf bei dieser Versammlung kritischer Geister ein Vertreter der »irakischen Opposition«. Oppositionell ist Abd al-Amir al-Rikabi freilich nur gegenüber dem US-amerikanischen Besatzungsregime, während er unter Saddam Hussein zu jenen Exilanten gehörte, die von der irakischen Staatsführung als genehme Opposition hofiert wurden. So wartet, obwohl man längst schon nicht mehr an sie glaubte, die Zunft der deutschen Experten am Ende doch noch mit einer echten Alternative zur Pax Americana im Orient auf.


erschienen in Jungle World 8, 11. Februar 2004


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