zurück



Die falschen Verbrecher

Arabische Reaktionen auf den Konflikt in Darfur

von Thomas von der Osten-Sacken

Die Idee von Amnesty International klang bestechend: Kurze Zeit nachdem die Organisation die USA und den »War on Terror« als Hauptursache der desolaten weltweiten Menschenrechtslage identifiziert hatte, sollte in Beirut, sozusagen im Herzen Arabiens, die Studie »Vergewaltigung als Waffe« über Darfur im Sudan vorgestellt werden. Denn, so hieß es in der Ankündigung, »der Nordsudan ist Teil der arabisch-islamischen Welt, und die sudanesische Regierung sowie die von ihr unterstützen Milizen, die furchtbare Menschenrechtsverletzungen in Darfur begehen, profitieren von der Unterstützung oder dem Schweigen der Staaten im Nahen Osten«.

In einen kritischen Dialog mit der arabischen Welt wollte man also treten und lud neben der Presse und dem sudanesischen Botschafter Mohammed Bakhit auch Vertreter libanesischer NGO ein. Frenetischer Beifall wurde, berichtet entsetzt die libanesische Zeitung Daily Star, nicht etwa den Vertretern von Amnesty gezollt, sondern Bakhit, der statt über Darfur lieber über die Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten im Gefängnis Abu Ghraib klagte.

Darfur, so des Botschafters Botschaft, sei lediglich eine weitere imperialistisch-zionistische Verschwörung gegen die arabische Einheit, und außerdem, so fügte eine libanesische NGO-Aktivistin hinzu, gebe es Vergewaltigungen schließlich überall. Die Veranstaltung habe, schreibt Julie Flint im Daily Star, in erschreckender Weise eine Haltung manifestiert, die sie als »Arabismus« bezeichnet: Verbrechen, die nicht von Israel oder den USA begangen werden, seien der Rede nicht wert. Als 1988 die irakische Luftwaffe Giftgas gegen die Kurden einsetzte, fand sich kein Dutzend arabischer Intellektueller, die diesen Angriff verurteilten.

Dabei sah sich sogar die Arabische Liga im Frühjahr diesen Jahres zum ersten Mal in ihrer 59jährigen Geschichte gezwungen, eine Menschenrechtsdelegation in eines ihrer Mitgliedsländer zu entsenden, die nach ihrer Rückkehr aus dem Sudan von »schweren Menschenrechtsverletzungen« in der Region sprach. Der Bericht allerdings wurde auf Druck der sudanesischen Regierung nie veröffentlicht. Im Gegenteil, die arabischen Länder unternehmen seitdem alles, um scharfe UN-Resolutionen gegen den Sudan zu verhindern. Die Organisation der islamischen Konferenz hatte dem Sudan sogar ihre »volle Solidarität« ausgesprochen und die sudanesische Bevölkerung aufgerufen, vereinigt den »gegen sie gerichteten Verschwörungen zu widerstehen«.

Diese Sichtweise dominiert in den weitgehend gleichgeschalteten arabischen Medien. Es sind nur wenige Stimmen, mehr zwar als 1988, aber noch immer lächerlich wenig, die öffentlich die paranoide Ideologie des »Arabismus« kritisieren, wie etwa der syrische Schriftsteller Ammar Abdulhamid, der die Ignoranz und den Rassismus gegenüber nichtarabischen Minderheiten thematisiert. Ausgerechnet aber in der von Saudis finanzierten Zeitung al-Sharq al-Awsat klagt der ehemalige Herausgeber Abd al-Rahman al-Rashed, niemand in der arabischen Welt kümmere sich um das Schicksal der Menschen in Darfur, sie seien schließlich »keine Opfer israelischer oder amerikanischer Aggression«.


erschienen in Jungle World 33, 04. August 2004


WADI e.V. | tel.: (+49) 069-57002440 | fax (+49) 069-57002444
http://www.wadinet.de | e-mail: