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These elections are too early

Suaad Abdulrachman lebt in Suleymaniah und ist die Koordinatorin der Frauenprojekte der Hilfsorganisation WADI.
MALMOE hat sie befragt...

... zur aktuellen Lage im Irak:

Die Situation im Norden unterscheidet sich sehr von der im Süd- und Zentralirak. Es ist hier ruhig und die Wirtschaft entwickelt sich, auch wenn noch vieles falsch läuft. Wir sind alle sehr froh, dass Saddam weg ist und dass die Menschen hier das erste Mal seit 35 Jahren ohne Angst leben, obwohl das Thema Terrorismus natürlich sehr präsent ist. In anderen Teilen des Irak hingegen hat es in den letzten 8 Monaten massive Rückschritte gegeben, weil Terroristen mit islamistischem oder ba'thistischem Hintergrund versuchen, die Entwicklung des Landes zu bekämpfen. Oft sind Frauen Opfer dieses Terrors, denn häufig werden gezielt Aktivistinnen angegriffen, die für ein besseres Leben der Frauen kämpfen. Im letzten Jahr wurden ja mehrere Frauenkonferenzen organisiert, zu denen Teilnehmerinnen aus dem ganzen Land gekommen sind. Die meisten waren sehr interessiert an Veränderungen und unseren Reformvorschlägen. Doch auf der anderen Seite sind die islamistischen Kreise sehr einflussreich, sie wollen die Zeit zurückdrehen. Es ist ein schwerer Kampf.

... zur veränderten Situation der Frauen:

Frauen sind immer noch Bürgerinnen zweiter Klasse und werden aus vielen Lebensbereichen ausgeschlossen, das Bildungsniveau ist äußerst schlecht, Gewalt und Missbrauch sehr verbreitet. Unter Saddam Hussein wurden Frauen als Objekte behandelt, sie litten unter dem Regime und unter männlicher Gewalt ohne irgend eine Möglichkeit, sich zu verteidigen. In einer kürzlich durchgeführten Studie des 'Women Information and Culture Center' wurden allein in den 1980er Jahren 3979 Fälle von Frauenmord festgestellt. Aber man kann davon ausgehen, dass die Zahl viel höher ist. Das andere große Problem ist häusliche Gewalt. Sehr viele Frauen werden missbraucht, geschlagen oder ihrer fundamentalen Rechte beraubt, etwa das Haus zu verlassen, wann sie möchten. Viele Frauen dürfen sich ihren Ehemann nicht selbst aussuchen. Unverheiratete Frauen müssen bei ihrer Familie bleiben und werden dort oft missbraucht. Nach 1991 wurde die Situation etwas besser, weil das Regime die Kontrolle über den Nordirak verloren hat. Aber häusliche Gewalt und die so genannten "Ehrenmorde" blieben eine verbreitete Praxis. Die Folge davon ist, dass sich Frauen häufig selbst das Leben nehmen wollen. Allein in der Gegend von Suleymaniah wurden im Jahr 2002 119 Fälle von Selbstverbrennung registriert.

Aber im Unterschied zur Vergangenheit werden diese Probleme nun offen diskutiert, zum Teil auch in den Medien, es gibt Hilfe und verschiedene Schutzeinrichtungen für diese Frauen. Zu Saddams Zeiten gab es überhaupt nichts dergleichen, der Missbrauch von Frauen wurde sogar gesetzlich gedeckt. Erst jetzt werden erste Schritte zur Unterstützung der Frauen unternommen, langsam wird auch ein gesellschaftliches Bewusstsein für dieses Problem geschaffen. Zu Saddams Zeiten wurden Frauen, die getötet oder missbraucht wurden, eher als Angeklagte denn als Opfer behandelt. Eine solche Sicht wird auch heute noch in großen Teilen der Gesellschaft geteilt, aber jetzt können wir Strategien dagegen entwickeln. Was Frauen jetzt am meisten brauchen, ist neben Sicherheit jede Form von Empowerment. Wir müssen diese Gesellschaft in all ihren Bereichen verändern, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen gleichberechtigt behandelt werden.

... zur Wiederwahl von George W. Bush:

In Kurdistan wird Bush von vielen unterstützt, die Leute waren froh über seine Wahl. Die Amerikaner haben uns von Saddam Hussein befreit und bekämpfen tagtäglich die Terroristen, die auch unsere Feinde sind. Zu Kerry hatten wir kein großes Vertrauen, denn wir befürchteten, dass er die Truppen zu früh zurückzieht.

... zu den irakischen Parlamentswahlen am 30. Jänner:

Ich glaube, dass diese Wahlen zu früh stattfinden und nicht viel verändern werden. Die Veränderungen müssen in der Gesellschaft stattfinden. Ich gebe daher nicht sehr viel auf diese Wahlen, ich denke, dass andere Veränderungen in der Gesellschaft wichtiger sind. Hier in Kurdistan sehen das die meisten so, nur im Süden wollen die schiitischen Parteien diese Wahlen so schnell wie möglich durchführen, um sich die Mehrheit zu sichern.

 

erschienen in malmoe, 05. Januar 2005


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