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Talkshow live aus Teheran

Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad inszeniert ein Geiseldrama mit Happy End

von Thomas von der Osten-Sacken

http://www.jungle-world.com/

An Gesprächsbereitschaft ließ Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad es nicht mangeln, nachdem der Iran 15 britische Marinesoldaten im Schatt al-Arab mehr oder weniger gekidnappt hatte. Elf Tage lang wurden die Briten in Teheran in Einzelhaft festgehalten, wobei, unabhängig von der Frage, ob sie nun in irakischen oder ira­nischen Hoheitsgewässern festgenommen wurden, ihre Behandlung die Genfer Konventionen verletzte. Angaben der Soldaten zufolge wurden sie bedroht, erlebten eine Art Scheinexekution und wurden gezwungen zu erklären, sie seien in iranischem Hoheitsgebiet festgenommen worden.

Das allerdings störte in der deutschen Medienberichterstattung vor allem jene wenig, die ansonsten routiniert Guantánamo mit Nazi-Konzentrationslagern vergleichen. Dabei operiert die Britische Ma­rine unter dem Schutz der UN. Denn sie kontrolliert im Schatt al-Arab Schiffe, um Waffen- und Ölschmuggel gemäß Resolution 1?723 des UN-Sicherheitsrats zu verhindern. Hatte der Iran schon zuvor erklärt, er betrachte eine Resolution der Vereinten Nationen gegen sein Nuklearprogramm als »illegal«, so zeigte er mit der Geiselnahme der Briten einmal mehr, wie wenig ihm die UN be­deuten, wenn sie gerade nicht die USA oder Israel verurteilen. Denn dass die Festnahme der Soldaten vorbereitet gewesen ist und im Zusammenhang mit dem wachsenden internationalen Druck auf Ahmadinejad zu sehen ist, daran lässt sich kaum zweifeln. Inszeniert wurde das Ganze deshalb auch als Geiselnahme für die Medien – vor allem die arabischen und iranischen.

Statt auf die Provokation angemessen zu rea­gieren, gaben die UN und vor allem die EU windelweiche Erklärungen ab, bei einem Treffen in Bremen lehnten die EU-Außenminister sogar einen Antrag ihres britischen Amtskollegen ab, weitere Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Und der UN-Sicherheitsrat rang sich zu einem Aufruf durch, der eine »baldige Lösung des Problems« forderte.

So konnte Ahmadinejad die Freilassung der Briten als großzügige Geste des »iranischen Volkes« inszenieren. Ob das Ende der Affäre, bei der angeblich das Vereinigte Königreich keine Zugeständnisse gemacht hat, aber als Sieg des iranischen Präsidenten in die Geschichte eingehen wird, ist fraglich. Wer innerhalb der iranischen Polykratie die Festnahme angeordnet hat, ist unklar. Denn Angehörige des iranischen Establishments zeigen sich keineswegs begeistert von Ahmadinejads Außenpolitik und fürchten eine wei­tere Isolation des Iran.

Während also iranische Medien von einem Sieg über Großbritannien sprechen, meint etwa Patrick Clawson vom Washington Institute for Near East Policy, die Iraner hätten im Gegenteil sehr wenig Nutzen aus dem Ganzen gezogen: »Sie haben es geschafft, die USA davon zu überzeugen, dass sie dieselben Leute geblieben sind, die 1979 die amerikanische Botschaft besetzten. Sie haben die Europäer davon überzeugt, dass Iraner ein wenig wild und unberechenbar sind. (…) Und sie haben ihre eigene Bevölkerung davon überzeugt, dass revolutionä­rer Aktivismus vor praktischer Politik steht.«

Verfolgt man allerdings die deutsche Medienberichterstattung, so haben sich die Europäer einmal mehr darin bestätigt, dass Verhandlungen zu jedem Preis gut sind, auch mit Geiselnehmern.


Artikel erschienen in Jungle World 15 :: 11. April 2007


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