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Die neuen Söldner

Bei aller menschlichen Tragik sollte die Entführung eines österreichischen Söldners im Irak Anlass für kritische Fragen zu den gesellschaftlichen Kosten privatisierter Gewalt sein.

von Thomas Schmidinger

"Berti", wie der junge Angestellte der Crescent Security Group mittlerweile von österreichischen Medien genannt wird, wurde - wie fast alle Angestellte der so genannten "Private Military Companies" (PMCs) - von der öffentlichen Hand, dem österreichischen Bundesheer, ausgebildet. Seine Firma fordert vier Jahre Berufserfahrung in einer Armee, ehe die hochbezahlten Jobs in "Risikogebieten" zu haben sind. Es stellt sich nun die Frage, ob die öffentliche Hand auch die Kosten für die Rettung verschleppter Söldner zu tragen hat und ob Österreich in diesem Falle, wie zuvor Italien oder Deutschland, bereit sein wird mit Lösegeldzahlungen den im Irak entstandenen Gewaltmarkt weiter rentabel zu halten und damit Kapital für weitere Entführungen zur Verfügung zu stellen. Erst die Bereitschaft europäischer Regierungen und Firmen, hohe Lösegelder für europäische Geiseln zu zahlen, machte diese ja zu solch lukrativen Entführungsopfern. Ganz nebenbei wird damit auch der Terror gegen irakische Zivilisten finanziert, denen weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als gefangenen Europäern.

Das Problem mit den privaten Gewaltunternehmern geht jedoch weit über die finanziellen Kosten und Folgekosten des neuen Söldnertums hinaus. Die in den letzten Jahre in unterschiedlichen Teilen der Welt rasch gewachsenen PMCs sind vielleicht der gefährlichste Teil neoliberaler Entstaatlichung, treffen sie doch den Kern jener Sicherheit, die die meisten Menschen dazu bringt Staatsgewalt anzuerkennen: das staatliche Gewaltmonopol. Dabei handelt es sich nicht um eine marginale Entwicklung. Der Irak ist in den letzten drei Jahren geradezu zum Experimentierfeld neuer privat geführter Kriege geworden. Den djihadistischen und post-baathistischen Gewaltunternehmern, die das Land seit drei Jahren mit Anschlägen gegen Zivilisten und Massenentführungen erschüttern, stehen keineswegs nur staatliche Armeen gegenüber, sondern eine ganze Reihe ebenfalls privater Gewaltunternehmer, die zusammen genommen bereits die zweitgrößte Streitmacht im Irak stellen. Selbst für die Sicherheit der "Green Zone" in Bagdad ist mit "Aegis Defence Services" eine private britische Sicherheitsfirma zuständig. Mit AKE, Armor Group, Control Risks Group, Global Risk Strategies und SSA Marine sind weitere britische PMCs groß im Geschäft. Aus den USA haben mit Blackwater, Dyncorp, Air Scan Inc., Custer Battles, Kroll, MPRI, Science Applications International Corp (SAIC), Steele Foundation, Titan und Vinnell sämtliche großen Sicherheitsfirmen des Landes lukrative Verträge im Irak erhalten. Dazu kommen noch weitere PMCs aus Südafrika und anderen Staaten. Der Firmensitz dieser Unternehmen ist dabei jedoch nicht von entscheidender Bedeutung, denn diese neuen Söldnerarmeen, sind eben nicht einem Staat - und damit der öffentlichen Hand - verpflichtet, sondern können von jedem, der bezahlt, gemietet werden. Der Einsatz von PMCs ermöglicht es, einerseits die Zahl der offiziellen Gefallenen zu minimieren, andererseits aber auch politische Verantwortung auszulagern. Im Gegensatz zu regulären Armeeangehörigen unterstehen die neuen Söldner keiner Militärgerichtsbarkeit. Politische Verantwortung für Fehlverhalten oder gar Kriegsverbrechen können damit leichter abgeschoben werden als beim Einsatz regulärer Soldaten. Das Interesse dieser Firmen liegt dabei nicht in der Beendigung von Konflikten, sondern in einer möglichst langen Einsatzdauer, also einer Fortsetzung der Konflikte. Die Geschichte der italienischen Condottieri oder der deutschen Landsknechte bis zum 30-jährigen Krieg zeigt, dass Söldnertum immer nur zur Verlängerung militärischer Konflikte führt. Die spätere Verstaatlichung von Krieg wirkte dem gegenüber tendenziell kriegsverkürzend.

Die gegenwärtige Rückkehr zum Södnertum ist keineswegs auf den Irak beschränkt. In Afrika bieten vor allem südafrikanische PMCs schon seit Jahren ihre Dienste an. Auf den Komoren war es bereits 1989 und 1995 zu Putschversuchen der Söldnertruppe des Franzosen Bob Denard gekommen. Erst im August 2004 wurde Mark Thatcher, der Sohn der "Eisernen Lady" verhaftet, nachdem er mit südafrikanischen Söldnern einen Putschversuch in Äquatorial-Guinea geplant hatte. In einer Reihe anderer afrikanischer Staaten werden Söldner von Warlords und Präsidenten in den letzten Jahren immer öfter herangezogen.

Auch wenn wir in Europa noch weit von den Zuständen in vielen afrikanischen oder lateinamerikanischen Staaten entfernt sind, so sollten wir uns keine Illusionen darüber machen, Europa wäre vor einer solchen Entwicklung gefeit. Private Sicherheitsdienste gehören zu den am schnellsten expandierenden Geschäftszweigen in der EU. Im Gegensatz zur bewaffneten Staatsgewalt von Polizei und Armee entziehen sich diese jedoch jeder politischen und damit auch jeder gesellschaftlichen Kontrolle.

Gewaltmärkte funktionieren wie andere Märkte einer neoliberal verfassten "freien Marktwirtschaft" auch. Wer mehr Kosten vergesellschaften und Gewinne privatisieren kann, hat gewonnen. Auf der Strecke bleiben dabei nicht nur die Marktplätze dieser Gewalt, mögen sie nun im Irak, in afrikanischen Staaten oder in Südosteuropa liegen, sondern langfristig auch die Gesellschaften der Herkunftsländer dieser neuen Söldner.

Thomas Schmidinger ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Vorstandsmitglied der im Irak tätigen österreichischen Hilfsorganisation Wadi.


Artikel erschienenam 23.11.2006 in diePresse.com


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