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»Der Terror ist reaktionär«

Kurdische und irakische Kommunisten lehnen den so genannten Widerstand scharf ab. Ein Gespräch mit Abu Tara von der Kommunistischen Partei Kurdistans

Abu Tara ist Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kurdistans, der kurdischen Schwesterpartei der Irakischen Kommunistischen Partei.

Teile der europäischen Linken bezeichnen die Anschläge und Entführungen islamistischer und arabisch-nationalistischer Untergrundgruppierungen im Irak als legitimen Widerstand gegen die Besatzer. Einige unterstützen diesen »Widerstand« sogar mit Spendensammlungen. Wie bewertet die Kommunistische Partei Kurdistans diese Anschläge?

Wie die große Mehrheit der irakischen Parteien sind wir der Meinung, dass es sich dabei um terroristische Aktivitäten handelt, die einerseits von Überbleibseln des zusammengebrochenen Regimes und andererseits von reaktionären islamistischen Extremisten getragen werden. Der Terror wird auch von einigen Nachbarstaaten finanziell unterstützt, die damit eine freie und demokratische Entwicklung des Irak verhindern wollen. Dieser Terrorismus ist ein weltweites Phänomen und nicht nur ein Problem der Irakis. Er stellt eine reaktionäre Antwort auf den Weltkapitalismus und die Entwicklung der Menschheit dar. Deshalb müssen alle freiheitsliebenden Menschen weltweit, nicht nur Kommunistinnen und Kommunisten, gegen diesen Terrorismus zusammenarbeiten.

Wofür kämpfen die Terroristen?

Letztlich sind es die Folgen des faschistischen Ba’ath-Regimes, die die Basis für die aktuellen Terroranschläge gegen die irakische Gesellschaft legten. Es werden im Irak ja nicht nur amerikanische oder britische Soldaten getötet. Nein, der Terrorismus richtet sich mittlerweile viel mehr gegen irakische Zivilisten. Diese Terrorgruppen kämpfen nicht um Freiheit und Demokratie, sondern gegen jede fortschrittliche Entwicklung. Nach 35 Jahren Gewaltherrschaft, Genozid, Giftgasangriffen und der Ermordung unzähliger kurdischer und arabischer Irakerinnen und Iraker wollen diese Gruppen die irakische Bevölkerung immer noch nicht in Frieden lassen. Dabei erreichen die Terroristen jedoch das Gegenteil von dem, was sie angeblich wollen: Mit ihren Anschlägen geben sie den US-Truppen nur ein weiteres Argument, länger im Irak zu bleiben. Als Kommunistinnen und Kommunisten sollten wir gegen Diktatur und Unterdrückung kämpfen und nicht, wie dies beim jüngsten Irak-Krieg in Europa geschehen ist, ausschließlich gegen den Krieg eintreten. Das Problem hier sind nicht nur die Amerikaner. Die USA, aber auch Europa und einige osteuropäische Staaten, halfen der irakischen Regierung unter Saddam Hussein, sich zu dieser Diktatur zu entwickeln und an der Macht zu bleiben. Wir sind es, die jetzt den Preis dafür zahlen müssen.

Wie sehen sie diesbezüglich die Rolle der europäischen Linken?

Leider haben viele Linke, sozialdemokratische und kommunistische Parteien bis zuletzt zur Diktatur des Ba’ath-Regimes gehalten. Auch heute scheint sich an dieser Position wenig geändert zu haben. Statt Geld für Terroristen zu sammeln sollte die Linke die kurdische und irakische Bevölkerung konkret unterstützen. Die Linken, die den Terrorismus im Irak als »Widerstand« verklären, haben einfach ein völlig falsches Bild von der Situation vor Ort.

Sehen Sie seit der Unabhängigkeit Fortschritte im Kampf gegen den Terror?

Die Kämpfe haben sich zwar regional verschärft, aber seit der Übertragung der Souveränität auf die irakische Regierung wurden auch mehr Terroristen gefangen als zuvor. Das zeigt, dass die Iraker selbst den Terror besser bekämpfen können als die Besatzungstruppen.


Interview: Thomas Schmidinger, Suleymania

erschienen in: Jungle-World Nr. 40 - 22. September 2004


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