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Hauptsache: Pazifismus

Die Gleichgültigkeit deutscher Friedenswünsche gegenüber den Hoffnungen irakischer Oppositioneller


Wie sich dem Kommentator der Frankfurter Rundschau vom 14.3.2002(1) der unmittelbare Zusammenhang vom Frieden im Nahen Osten, der dann »auch den irakischen Diktator besiegen [kann]« erschließt, möge – hoffentlich – für immer sein Geheimnis bleiben, doch steht er mit seiner Imagination »der Allmacht Israels« durchaus nicht alleine da.

Während jedoch das »Wissen« davon, dass Israel für alle Probleme im nahen und mittleren Osten und auch sonst wo »irgendwie« verantwortlich sei, hierzulande nichts neues mehr ist, wird dagegen die Solidarität mit dem Irak nach 11 Jahren plötzlich wiederentdeckt.

»Kein Blut für Öl«

Hatte die alte BRD im ersten Golfkrieg (Iran/Irak) an Zynismus die anderen westlichen Staaten übertroffen, indem sie an beide Seiten Giftgas lieferte, wurde dann in pazifistischer Eiseskälte im zweiten Golfkrieg 1991 von links bis rechts unter dem Motto: »Kein Blut für Öl« demonstriert. Weder interessierte dabei die reale Bedrohung Israels durch deutsches Giftgas, noch die tatsächliche Deportation und Vernichtung der Kurden durch eben jenes Giftgas.

Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass von der breiten Masse der »Friedensfreunde«, die lautstark ihre Solidarität mit dem »irakischen Volk« proklamierten, die kurzen Momente der Aufstände der irakischen Bevölkerung 1991 – welche die Regierung sofort mit Panzern und Napalm niederwalzte – gar nicht wahrgenommen wurden, so beschäftigt wie sie war, ihr antiamerikanisches Ressentiment auf die Strasse zu tragen.

Und leider scheint es so, als hätte sich elf Jahre später nicht viel geändert. Die letzten Antiimperialisten, welche die sozialistischen Leistungen des diktatorischen Regimes nicht genügend loben können, verbindet mit den Rechten – von NPD, Republikanern zu Mechtersheimer – über Möllemann und Konsorten – hier stehen die deutschen Wirtschaftsinteressen im Vordergrund – die Bewunderung für den Antizionismus des Iraks.

Wie sich dies konkret ausbuchstabiert, konnte man in der jungen Welt (2) nachlesen. Eifrig wurde für Haiders Besuch im Irak Partei ergriffen, allerdings mit der Einschränkung, dass Haider »deshalb noch lange kein Antiimperialist sei«, da er teilweise immer noch Antisemitismus mit Antizionismus gleichsetze (sic!).

Keine Auseinandersetzung mit der Diktatur Saddam Husseins
Im Gleichklang mit restlichen »Friedensfreunden« – also fast allen – erhebt man die Forderung nach der sofortigen Aufhebung aller Sanktionen gegen den Irak.

Und es gibt keine Sekunde des Innehaltens, um sich wenigstens mit den Fakten der Vertreibung und Vernichtung der irakischen Bevölkerung unter dem diktatorischen Regimes Saddam Husseins auseinander zu setzen, geschweige denn mit den Forderungen derer, die alles riskiert und verloren haben: der irakischen Opposition im In- und Ausland.

Um einige dieser Fakten zu nennen: Seit Hussein 1979 die Macht übernahm tobt der ständige Krieg gegen die eigene Bevölkerung, inzwischen sind ca. 5% ermordet worden – wobei die Opfer der zwei Kriege bei dieser Zahl nicht berücksichtigt sind. Zuerst war es der Krieg gegen die Kommunisten, dann der gegen die Feyli-Kurden, sie wurden von ihrem Land vertrieben, ihr Besitz einverleibt circa 10.000 verschwanden.

Während der sogenannten »Anfal -Operation«, dem Krieg gegen die Kurden in den 80er Jahren, wurden 180 000 Menschen vernichtet, Millionen wurden deportiert, und nach dem 2. Golfkrieg wurden dann die Schiiten zum nächsten inneren Feind. Und auch hier wieder dasselbe: Vertreibung, Vernichtung, systematische Zerstörung der Dörfer, Vergiftung und Verminung des Bodens, systematische Folter, Amputation der Gliedmaßen, Vergewaltigung von Frauen, auf den Vorwurf der Prostitution steht Köpfung.

Die Androhung dieses Vorwurfes wird auch des öfteren benutzt um missliebige Intellektuelle vermittels ihrer Frauen und Töchter in Geiselhaft zu nehmen – innerhalb der letzten zwei Jahre wurden ungefähr 2000 Frauen geköpft. Es wurden Schnell- und Sondergerichte geschaffen, die Saddam Hussein direkt unterstehen; innerhalb von Minuten werden die Urteile ausgesprochen, die fast alle auf die Todesstrafe hinauslaufen.(3)

So ist die Entstehung der selbstverwalteten kurdischen Region in Folge des 2. Golfkrieges zwar weniger der internationalen Unterstützung des Kampfes der Kurden gegen die irakische Zentralregierung geschuldet, sondern als eine der größten Fluchtabwehrmaßnahmen der neueren Geschichte zu begreifen.

Jedoch muss zugleich diese »Republik der Staatenlosen«, als Antinomie eines »Staates« schlechthin bezeichnet werden: sie wurde als Fluchtabwehr zugunsten der Nachbarländer kreiert, und doch ist dieser »Nicht-Staat«, der einzige Ort an dem die Menschen dem unmittelbaren Zugriff des Baath-Regimes entzogen sind.

Irakische Oppositionsgruppen

Und aus eben dieser Erfahrung reagiert die irakische Opposition nun auf den Druck von us-amerikanischer Seite auf den Irak, wissend dass dem Westen letztendlich ihre Forderungen herzlich egal sind, aber doch hoffend, dass sich daraus Handlungsperspektiven für sie ergeben können, da nun »Saddam unter internationalem Druck stehe und wir [die Kurden] unter internationalem Schutz«(4).

Hilfe von »außen« sei erforderlich, so Jalal Talibani, Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Massoud Barzani (Kurdische Demokratische Partei) ist da skeptischer und möchte vor allen Dingen wissen, wer die Alternative zu Saddam Hussein sein soll, da er nicht einen Diktator gegen den »nächsten Mann mit starker Hand« ausgewechselt sehen möchte, sondern es das vorrangige Ziel sei, eine Demokratie aufzubauen.

Und ein Vertreter der Kommunistischen Partei (CPI) befragt auf seine Meinung zu einem Krieg zwischen USA und dem Irak, macht deutlich, dass sie zwar nicht die Rolle der Nordallianz in Afghanistan übernehmen werden, jedoch ebenso wenig vorhaben still zu halten und nur als Zuschauer aufzutreten, sondern versuchen wollen, möglichst weitgehend ihre Forderungen nach »einer pluralistischen Gesellschaft und einem demokratischen Land« durchzusetzen.

Die größten Hoffnungen beruhen auf einem Auseinanderfallen der Armee, auf Grund des Druckes von außen, und einem Volksaufstand. Auf die Frage wie realistisch denn ein Putsch in der Armee sei, antwortet der Vertreter der CPI: »Die USA konzentrieren sich auf solch eine Lösung.

Aber sie realisieren, dass ein Putsch in einer terroristischen Diktatur schwierig ist. Die letzten elf Jahre hat es mehrere Versuche in diese Richtung gegeben. Doch alle waren zum Scheitern verurteilt. Dass es schwierig ist, heißt aber nicht, daß es unmöglich ist.« (5)

Funktion der Sanktionen

Einigkeit herrscht darüber, die Sanktionen eben gerade nicht völlig aufzuheben, sondern nur die »nichtmilitärischen‘. Während Barham Salih von der PUK das »oil -for – food« Programm der UN von 1998 als »wahrlich revolutionär« (6) begrüßt, betont die CPI vor allem, dass die »Erfolge der Anti -Embargo – Kampagnen beim Unterlaufen der Sanktionen nur Erfolge für das Regime« brachten.

»Die Behauptung, alles, was im Irak geschieht, sei eine Folge der Sanktionen, ist offensichtlich falsch. Ich glaube, die deutschen Sanktionsgegner sollten sich stärker mit der Realität des Herrschaftssystems auseinandersetzen. Die Diktatur Saddam Husseins hat kein Interesse daran, dass die Sanktionen gegen die Bevölkerung aufgehoben werden. Im Gegenteil: Das Regime will rehabilitiert werden, ohne auf seine bisherige Politik zu verzichten. Das geht nicht mit einer kontrollierten Abrüstung. Deshalb weigert sich die Regierung selbst dort, Zugeständnisse zu machen, wo sie diese Auflagen ohne Probleme längst hätte erfüllen können.«

Pazifistische Eiseskälte

Es bleibt also die Frage, wie dieser Jahrzehnte lange, permanente Krieg gegen die eigene Bevölkerung beendet werden kann. Dies ist für die irakische Bevölkerung selbst, ohne Hilfe nicht zu leisten, deshalb ihr funktionelles Verhalten gegenüber der us-amerikanischen Drohung eines Krieges – da tragischerweise momentan keine andere Option existiert, um den Krieg im Inneren des Landes zu beenden .

Wenn daraus dann, wie z.B. von George Pumphrey (PDS) konstruiert wird, die kommunistische Partei des Iraks stehe auf der Lohnliste des CIA und sei vom »imperialistischen Gedankengut« infiltriert, ist dies nichts als eine »pazifistische Eiseskälte« der die Menschen selbst herzlich egal sind.

Andrea Woeldike


Anmerkungen
(1) FR v. 14.3.02: Reifeprüfung v. Jochen Siemens
(2) junge Welt v. 14.2.02: Schurke des Tages – Jörg Haider auf Irak – Mis- sion. Diese Koalition ist aber durchaus keine neue, sie manifestierte sich schon in der gemeinsamen Unterstützung des »Solidaritätsfluges« nach Bagdad im Juni letzten Jahres, vgl. www.wadinet.de – Dokumen- tation mit kritischer Kommentierung.
(3) Vgl. Alliance Internationale pour la Justice, Paris, oder: Beauftragter für Menschenrechtsfragen des Oppositionsverbandes Iraqi National Con- gress, oder: Thomas Uwer/Thomas v.d. Osten-Sacken: Primat der totalen Kontrolle. In: Iz3W Nr.253. Mai -Juni 2001.
(4) Zit. n. KurdishMedia.com v. 9.2.02
(5) zit.n. Junge Welt v. 9.3.02
(6) vgl. Middle East Review of International Affairs v. 4.12.01
(7) Interview mit Salam Ali: Wir stehen nicht auf der Lohnliste der CIA. In Jungle World 16.5.2001
(8) Weitere Informationen über den Irak und die irakische Opposition siehe: www.wadinet.de

erschienen in: akw-texte, april 2002


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