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Passt!

Der ägyptische Kulturminister Farouk Hosni ist die Idealbesetzung für den Unesco-Vorsitz

von Thomas Uwer

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Stellen Sie sich vor, ein Israeli würde Generalsekretär der Vereinten Nationen … Das geht nicht? Richtig. Damit läßt sich bestenfalls ein schaler Witz einleiten. Ein Jude kann ja auch nicht Papst werden und ein Vegetarier nicht Vorsitzender der Metzgerinnung. Wollte man einen Israeli zum Generalsekretär machen, man müßte die UN erst auf den Kopf stellen und so lange schütteln, bis alle Israel- und Judenhasser rausgepurzelt sind. Nur reichte, was dann an Botschaftern und Sekretären noch übrig bliebe, wohl nicht einmal für eine kleine Schlange vor dem Kaffeeautomaten, von »Ausschuss« oder »Vollversammlung« ganz zu schweigen.

Bewirbt sich also einer um ein Amt bei den UN, so ist er gut beraten, den Verdacht gar nicht erst aufkeimen zu lassen, mit ihm könne es soweit kommen. Farouk Hosni ist genau so ein Kandidat und wer sich ernsthaft darüber wundert, daß jemand, der israelische Bücher verbrennen will und Roger Garaudy nach Ägypten einlädt, damit er dort endlich auch straffrei erklären kann, Auschwitz sei so schlimm nicht gewesen, Generalsekretär der UNESCO werden soll, also jener Unterorganisation der Vereinten Nationen, die sich um Bildung, Kultur und Wissenschaft kümmert, der kennt nicht die UN und auch nicht ihre UNESCO.

Denn so ähnlich sind sich der Minister aus Ägypten und der Kulturverein aus Genf, daß seine Wahl zum Generalsekretär im eigentlichen Sinne eine Berufung wäre. Seit 21 Jahren ist Hosni Bildungsminister in einem Land, dem in Sachen Korruption und Vetternwirtschaft niemand so schnell etwas vormacht, in dem unbotmäßige Internet-Blogger und Journalisten verhaftet (und gerne auch gefoltert) werden, Frauen in Folge mangelnder Bildung, Armut und einem weitverbreiteten Aberglauben unter einer regelrechten Geschlechterapartheid leben und dessen Bevölkerung insgesamt zu einem guten Drittel weder Lesen noch Schreiben kann. Noch besser könnte eine Bewerbung kaum aussehen.

Dafür, daß der Bewerber auch erfolgreich sein wird, sorgt die bei den UN-Organisationen von anderen so gerne abverlangte »Transparenz« und »In-House-Democracy«, in diesem Falle in Form informeller Absprachen, die dem arabischen Block das Recht einräumen, denjenigen Kandidaten zu nominieren, den die übrigen dann auch wählen werden. Wer dies weiß, wird auch die Sorgen arabischer Botschafter verstehen. Wen sollte man schon nominieren? Einen saudischen Prinzen etwa, der die alte Kulturtechnik der Enthauptung mit dem Schwert in seinem Land bewahrt hat? Einen sudanesischen General? Einen syrischen Staatsdichter? Es scheint, als sei der ägyptische Funktionär doch in jeder Hinsicht die beste Wahl.

Zum einen sind ihm die vor einigen Jahren mit großer politischer und medialer Begleitung ausgerufenen »Milleniumsziele« der UNESCO durchaus vertraut. Immerhin hat sich seine Regierung mit allem, was dort gefordert wird – ein allgemeiner Zugang zu Schulen, die Aufhebung der Geschlechterdiskriminierung, die Umkehrung des Trends zum Verlust natürlicher Ressourcen – befasst und konsequent das Gegenteil bewirkt. Zweitens handelt es sich bei ihm, wie der Deutschlandfunk so schön formulierte, um jemanden, »der eine Aversion, sogar Feindschaft gegen Israel hegt …, doch anti-israelisch ist nicht automatisch antisemitisch«. Anders formuliert: Nicht gegen alle Juden hegt er einen Hass, nur gegen die lebenden. Mit »jüdischer Kultur« hingegen können er und auch die UNESCO durchaus leben, vorausgesetzt es handelt sich dabei ausschließlich um Uri Avnery oder Exponate der Altertumsforschung. Daß diese wiederum vor den lebenden Juden bewahrt werden müssen, erkannte man bei der UNESCO bereits vor mehr als drei Jahrzehnten und schloß Israel 1974 aus der entsprechenden regionalen Arbeitsgruppe aus. Israel habe, hieß es zur Begründung, durch seine archäologischen Grabungen und Sicherungen das »historische Gesicht Jerusalems« verändert und betreibe »Hirnwäsche« mit den Arabern in den besetzten Gebieten. Und letztlich passt Hosni auch deshalb so gut zur UNESCO, weil er für jene arabisch-nationalistische Moderne steht, die nicht nur dem heutigen Djihadismus vorausging, sondern stilprägend auch die Strukturen der Vereinten Nationen mitgestaltet hat.

In der Praxis sehen diese Strukturen so aus: Von dem nicht eben geringfügigen Haushalt der Organisation von 544 Millionen US-Dollar in den Jahren 2000 und 2001 flossen nur etwa 30 Prozent in Bildung, dem eigentlichen Aufgabenbereich der UNESCO. Alleine die Weltbank hat im selben Zeitraum mehr als 15-mal so viel in Bildungsprogramme investiert. Wohin die übrigen Gelder fließen legte eine Untersuchung Ende 1998 nahe, die der UNESCO eine »praktisch endemische Korruption« attestierte. Unter anderem seien 40 % der Mitarbeiter nach den von der UNESCO selbst festgelegten Kriterien gänzlich »ungeeignet« und nur dank persönlicher Beziehungen in Amt und Würden gelangt. Überhaupt seien bei einem großen Teil der geförderten Programme keinerlei Ziele erkennbar. Dafür wurden aber etwa 2.000 sogenannte Berater bezahlt, die in keinem Rechenschaftsbericht auftauchten, was wiederum nicht verwundert, stellte sich doch zugleich heraus, daß keiner der Mitarbeiter der internen Rechnungsprüfung über eine entsprechende buchhalterische Qualifikation verfügte.

Das erinnert nicht ganz zufällig an die Bakschisch-Wirtschaft einer syrischen Zollbehörde. Die Vereinten Nationen haben sich spätestens seit den 1960er Jahren zu einer Parallelwelt entwickelt, in der ganz paritätisch vor allem solche Regierungen das Sagen haben, die in der realen Welt meist nicht zu Unrecht unerhört bleiben. In der Vollversammlung, in der jeder Mitgliedsstaat unabhängig von seiner Größe oder politischen Bedeutung über eine Stimme verfügt, rächen sich die marginalisierten Staaten mit strammen Resolutionen an den Supermächten und vor allem den USA für ihre politische Bedeutungslosigkeit. Umgekehrt widmet die amerikanische Außenpolitik dem Gremium traditionell wenig Aufmerksamkeit. Eine der Folgen ist, dass der post- und anti-koloniale Block arabischer und afrikanischer Regimes seit den 1970er Jahren eine beeindruckende Reihe von Resolutionen gegen Israel und die USA verabschiedet hat. Eine andere ist, dass die USA in den Organisationen der UN deutlich unterrepräsentiert sind, während israelischen Mitarbeitern der Zugang zu leitenden Gremien praktisch vollständig versperrt ist. Deshalb befassen sich so viele Ausschüsse, Kommissionen und Organisationen mit den Sorgen der Palästinenser, angefangen bei der in Gaza ansässigen notorischen UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East), die seit 1949 darüber wacht, daß vor einem halben Jahrhundert geflohene Palästinenser weiter Flüchtlinge bleiben, um ihr »Rückkehrrecht« nach Israel nicht zu verlieren, über das 1975 gegründete »Komitee zur Durchsetzung der unveräußerlichen Rechte der Palästinenser«, dessen Name nicht umsonst so klingt, als sei er in einem PLO-Ausbildungslager in der Beka’-Ebene ausgeheckt, bis zum UN-Menschenrechtsrat, der sich seit seiner Gründung 2006 fast ausschließlich mit Israel befaßt.

Zugleich gilt, daß, wer im realen Leben auf die Vereinten Nationen vertraut, bereits verloren hat. Kein Konflikt, den die UN gelöst, keine Krise, die sie verhindert hätten. Noch die solidarischste Gesellschaft korrumpiert, wenn UN-Hilfswerke auftauchen. Die UN sind ein aufgeblähter, weder Transparenz- noch Effizienzerwägungen zugänglicher und von der Außenwelt hermetisch abgeschirmter Apparat, weder fähig, die Realität außerhalb der eigenen Organisation zu erkennen, noch politische Strategien zu entwickeln, die über den schieren Selbsterhaltungstrieb der im Wesentlichen um die Sicherung ihrer Renten bemühten Mitarbeiter hinausgehen. Zu diesen Vereinten Nationen wiederum paßt der Ägypter Farouk Hosni so gut, daß man meinen könnte, sie seien für ihn gemacht worden. Und in gewisser Weise ist das ja auch so.

Artikel erschienen in Konkret 07/2009


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