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Open End

Bagdad vor dem Regimewechsel

Von Thomas Uwer und Thomas v. d. Osten-Sacken


US-Marines stehen kurz vor Bagdad, der erste Präsidentenpalast ist gestürmt, der Saddam International Airport unter Kontrolle der Koalitionstruppen, und Gerhard Schröder verkündet in seiner Regierungserklärung den regime change im Irak. Wer immer schon wusste, dass Deutschland heimlich an der Seite der USA im Krieg mit dem Bagdader Regime steht, sieht sich bestätigt. Am Ende will Deutschland doch dabei sein und bleibt sich dennoch treu. Die Heimatfront steht, sie hat sich nur auf den inneren Verteidigungsring zurückgezogen.

Nach 14 Tagen Schadenfreude darüber, dass der von den USA angekündigte Volksaufstand weitgehend ausblieb, macht sich in Berlin nun die Enttäuschung breit, dass es mit dem erhofften »Volkssturm« – so der O-Ton eines ZDF-Moderators – zur Verteidigung Bagdads auch nicht weit her ist. Zwar werden amerikanische und britische Truppen noch nicht von jubelnden Massen begrüßt, der von deutschen Nahostexperten prophezeite Zusammenschluss der Irakis an der Seite Saddam Husseins blieb aber genauso aus. Aller Kritik am Vorgehen der Koalitionstruppen zum Trotz, herrscht unter den verschiedenen oppositionellen Gruppen des Irak Einigkeit über das gemeinsame Ziel, die Diktatur zu beenden.

Grund zum Unmut über die Kriegsführung besteht aus Sicht der Opposition allemal. Der schnelle Vorstoß US-amerikanischer Truppen auf Bagdad hat Städte und Dörfer im Hinterland vorerst unberührt gelassen. In etlichen Dörfern, so berichten irakische Quellen, ist es zu brutalen Vergeltungsmaßnahmen der irakischen Milizen und Eliteeinheiten an der Bevölkerung gekommen, nachdem US-amerikanische Einheiten dort aufgetaucht und von den Bewohnern begrüßt worden, dann aber unverrichteter Dinge wieder abzogen waren. Die angekündigte Verteilung von Hilfsgütern über den südirakischen Hafen Umm Qasr kommt nur stockend voran. Vor allem aber die neuerliche Diskussion darüber, wie der Irak nach einem Ende des Krieges verwaltet werden soll, beschäftigt die irakischen Oppositionsgruppen.

Für sie markiert die Wahl zwischen einer von außen mandatierten Militärverwaltung und einer von Irakern selbst getragenen Regierung den Unterschied zwischen einem Befreiungskrieg und einem Eroberungsfeldzug. Mehr als überfällig war daher die eilfertig nachgereichte Ankündigung der US-amerikanischen Regierung, dem sechsköpfigen Übergangskomitee irakischer Oppositionsparteien nach dem Ende der Kampfhandlungen einen großen Teil der Regierungsverantwortung zu übertragen.

Einer künftigen demokratischen Selbstverwaltung widersetzen sich nicht nur die am engsten mit dem alten Regime verbundenen Elitetruppen, sondern auch jene Staaten des »alten Europa«, die vergeblich versucht hatten, den Sturz Saddam Husseins abzuwenden. Je schwächer der Widerstand der Republikanischen Garden wird, desto lauter ertönen in Deutschland die Rufe nach einer künftigen UN-Verwaltung – womöglich mit deutschen Blauhelmtruppen. So wollen Frankreich und Deutschland, da sie die britisch-amerikanische Militäroffensive nicht verhindern konnten, wenigstens der Bildung einer künftigen proamerikanischen Regierung im Irak vorbeugen, indem sie eine UN-Verwaltung fordern, was nichts anderes wäre als die Fortsetzung des Ausnahmezustandes.

Von einer klaren Vorstellung davon, wer das Land künftig regieren wird, sind die Irakis weit entfernt. Denn auch das amerikanische Establishment zeigt sich in der Frage der Nachkriegsordnung im Irak gespalten. Nur in der Ablehnung einer von Deutschland und Frankreich angeführten UN-Verwaltung sind sich dort alle einig.

erschienen in: Jungle World 16 - 09. April 2003


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