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Nicht gesellschaftsfähig

Während der Westen den Dialog mit Syrien sucht, fordert die irakische Regierung die Auslieferung ba’athistischer Führer.

von Thomas von der Osten-Sacken

http://www.jungle-world.com/

Es war der mit Abstand verheerendste Anschlag im Irak in diesem Jahr. Am 19. August gelang es Terroristen unter anderem mit koordiniert gezündeten Autobomben das Außenministerium in Bagdad schwer zu beschädigen. Fast 100 Menschen mussten ihr Leben lassen, über 600 wurden schwer verletzt. Gerade einmal sechs Wochen war es her, dass amerikanische Truppen sich aus den Städten zurückgezogen hatten. Nicht nur bewiesen die Attentäter, dass die irakische Regierung nicht einmal sich selbst beschützen kann, auch die Hoffnung so vieler Iraker auf eine ruhigere Zukunft hat sich vorerst zerschlagen.

Zu einer derart koordinierten Attacke wäre die schwer angeschlagene al-Qaida im Irak alleine nicht in der Lage gewesen. Entsprechend schnell klagten irakische Politiker dann auch die seit 2003 verbotene Ba’ath Partei an, die Anschläge geplant zu haben, und mit unmissverständlicher Deutlichkeit wies Ministerpräsident Nouri al-Maliki auf das Nachbarland Syrien hin, wo ein Großteil der hochrangigen geflohenen irakischen Ba’ath-Funktionäre residiert. Dort entfalten sie, gedeckt, wenn nicht unterstützt vom Regime Bashar al-Assads, eine rege Tätigkeit. Seit langem ist es ein offenes Geheimnis, dass der „irakische Widerstand“ großzügige logistische Unterstützung aus dem westlichen Nachbarland erhält.

Nur Tage vor dem Attentat hatte Maliki in Syrien ein umfangreiches und ökonomisch durchaus interessantes Kooperationsangebot vorgelegt.
Hauptbedingung der Iraker war die Auslieferung von 271 irakischen Ba’ath-Führern. Assad winkte ab und reiste nach Teheran, um die „freundschaftliche Kooperation zwischen beiden Ländern“ zu vertiefen.

Schließlich muss er keinerlei Konsequenzen für die Kooperation auch bei der Unterstützung von Terroristen fürchten. Erst kürzlich klopfte sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Damaskus selbst auf die Schulter, weil er dazu beigetragen habe, dass „Syrien wieder gesellschaftsfähig geworden“ sei.

Doch die irakische Regierung rief ihren Botschafter aus Damaskus zurück, forderte öffentlich die Überstellung mehrerer in Syrien untergetauchter Irakis und kündigte an, den Fall vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen.
„Wer Mördern Unterschlupf gewährt, wird dafür zahlen“, erklärte Maliki und brach damit die informelle Regel, über die Unterstützung terroristischer Aktivitäten diskret zu schweigen.

Auf dezente Diplomatie hatte auch US-Präsident Barack Obama gesetzt, um Syrien in den Nahost-Friedensprozess einzubinden. Der Streit zwischen Irak und Syrien sei eine „innere Angelegenheit“, sagte sein Sprecher Ian Kelly, als stünden die USA beiden Länder äquidistant gegenüber. Maliki versucht derzeit, für die anstehenden Wahlen eine neue, gesamtirakische und säkulare Liste aufzustellen und sich vom Einfluss des Iran zu distanzieren. Während im Iran und in Syrien die Hardliner hofiert und zum Dialog eingeladen werden, lässt Obama die irakische Regierung alleine, kritisiert Michael Young, Herausgeber der libanesischen Tageszeitung <I>Daily Star<I>. Solange aber Syrien und dem Iran de facto freie Hand im Irak gelassen werden, wird es zu einer Beruhigung der Lage nicht kommen. Denn ein stabiler und sich weiter demokratisierender Irak stellt weiterhin eine immense Bedrohung für die Diktaturen und Autokratien der Region dar.

Artikel erschienen in Jungle World vom 10.09.2009


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