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"Sie wollen ihre Zukunft mitbestimmen"

Wahlbeobachter konstatiert großes Interesse der Iraker

Thomas von der Osten-Sacken, Sie halten sich als Wahlbeobachter im Nordirak auf. Wie schätzen Sie die Sicherheitslage dort ein?

Die Situation ist in den kurdischen Provinzen in Norden im Vergleich zu anderen Gebieten im Irak relativ ruhig. Aber auch hier wurden die Sicherheitsvorkehrungen in den letzten Tagen verschärft. Denn der sogenannte irakische Widerstand und terroristische Gruppen wollen nicht nur im Zentral- und Südirak mit Anschlägen diese Wahlen beeinträchtigen. Sie wollen die Gewalt auch in den Norden bringen, wo die Sicherheitskräfte bisher sehr effektiv gearbeitet haben.

Sind noch andere internationale Beobachter im Einsatz?

Einige Organisationen haben Beobachter im Norden und im schiitischen Süden. Im Zentralirak gibt es keine oder nur wenige. Leider ist die Zahl der Beobachter generell sehr gering, nicht vergleichbar mit den Wahlen in Palästina. Dabei haben die Iraker großes Interesse daran, dass ausländische Beobachter prüfen, ob die Wahlen frei und fair verlaufen, erhoffen sie sich doch von den Wahlen einen großer Schritt in Richtung eines unabhängigen und demokratischen Irak.

Können unter solchen Bedingungen überhaupt Wahlen stattfinden, die die Bezeichnung demokratisch verdienen?

Sicher kann man sich streiten, ob es sinnvoll ist, die Wahlen jetzt und in dieser Form abzuhalten. Umfragen der Washington Post in der letzten Woche zufolge aber haben in Bagdad fast 80 Prozent der Bevölkerung gesagt, sie wollen wählen gehen. Denn obwohl in einigen Dörfern und Städten manche noch nicht genügend über das Prozedere informiert sind, weil auch der Wahlkampf schwierig war - viele scheinen dennoch das Gefühl zu haben, dass sie auf diese Art ihre eigene Zukunft mitbestimmen können.

Nehmen die kurdischen Provinzen eine Sonderrolle ein?

In den kurdischen Provinzen Suleimanija, Dohuk und Erbil konnten sich die Bürger schon 1991 von der Diktatur befreien. Trotz interner Kämpfe sind diese Gebiete daher auch viel weiter entwickelt, und wegen der relativ besseren Sicherheitslage strömt jetzt auch viel mehr Kapital aus dem Ausland hierher als in andere Landesteile.

Die schiitischen Parteien werden wahrscheinlich die Mehrheit der Mandate im Parlament bekommen. Wenn die Schiiten den Irak in einen Gottesstaat verwandeln wollen - wie werden sich die Kurden verhalten?

Bis ein neues Grundgesetz angenommen wird, bleibt die Übergangsverfassung in Kraft. Sie wurde unter Mitwirkung der USA ausgearbeitet und hat viele Sperrklauseln, mit denen eine neue diktatorische Entwicklung verhindert werden soll. Wenn sich zum Beispiel die Bevölkerung von drei Provinzen in einem Referendum gegen die neue Verfassung ausspricht, kann diese nicht angenommen werden. Sollte das neue Übergangsparlament zu sehr auf die Scharia und einen Gottesstaat setzt, können die Kurden also ihr Veto einlegen.

Auf welche Weise werden Sie am Wahltag aktiv?

Unser Team besteht aus zwei Ausländern und zwei Irakern. Wir werden vor dem Wahltag schon Wahllokale besuchen und prüfen, ob sie vorschriftsmäßig eingerichtet sind, ob die Wahlzettel bereit liegen. Am Wahltag selbst wollen wir in vielen Orten der Provinz mit den Wählern sprechen. Nach Schließung der Wahllokale kontrollieren wir, dass keine Wahlurnen verschwinden und dass korrekt ausgezählt wird.

Interview: Martina Doering

 

© 2005 BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG, 28.01.2005


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