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Sieg im Medienkrieg

Die Truppen der Allianz werden im Irak nicht mit Blumen empfangen, sondern mit einer Intifada-Simulation Saddam Husseins.

Von Thomas von der Osten-Sacken


Für den Deutschlandfunk erscheint gut eine Woche nach Ausbruch des Krieges die Sachlage klar: Anstatt die amerikanischen und britischen Truppen mit Jubel zu begrüßen, leiste das »irakische Volk« heftigen Widerstand, ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei Saddam Hussein um einen »schlimmen Diktator« handele. Statt mit Blumen empfange man die Invasoren mit Kugeln, verlautbarte auch der irakische Informationsminister. Al Jazeera, das eigenen Angaben zufolge über den Krieg aus »arabischer Perspektive« berichte, sendet nonstop Bilder von Saddam Hussein zujubelnden Menschen. Das wirkt authentisch und wird unkommentiert in den Hauptnachrichten von ARD und ZDF übertragen.

Die in den USA verbreitete Hoffnung, beim Marsch auf Bagdad falle der Süden quasi im Handstreich und wie nach Ende des letzten Golfkrieges würden ganze Armeeeinheiten sich ergeben oder rebellieren, hat sich in der Tat als Illusion erwiesen. Saddam Hussein hatte mit Hassan Ali Majid, der 1988 den Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja befehligte, einen seiner brutalsten Kommandeure zum Oberbefehlshaber für den Südirak ernannt. Majid verwandelte die Städte in Festungen und bereitete die ihm unterstehenden Truppen auf eine Guerillataktik vor. Die USA hatten hingegen gehofft, nach dem Überlaufen irakischer Truppen würde eine kontrollierte Übergabe der Städte stattfinden, auch um eine offene und unkontrollierte Revolte der Bevölkerung, wie sie 1991 ausbrach, möglichst zu verhindern.

Bei der »Befreiung« ihres Landes sollten, so die Hoffnung, die Iraker im besten Fall einfahrenden alliierten Truppen zujubeln, selber aber keineswegs aktiv werden. Ein Vorgehen, das bei der irakischen Opposition auf heftige Kritik stößt. Er habe, schreibt der unabhängige oppositionelle Schriftsteller Kanan Makiya in der New Republic, manchmal den Eindruck, ein Teil des US-Establishments führe Krieg gegen Saddam Hussein, ein anderer gegen den Iraqi National Congress.

Denn der seit langem in Washington schwelende Streit über die Beteiligung der Opposition an einer Regierung im Nachkriegsirak wird offenbar auch in Kriegszeiten unvermindert fortgeführt und hat seinen Teil zum bisherigen Kriegsverlauf beigetragen. Während die so genannten Neokonservativen auf Demokratisierung und Entba’athifizierung des Landes setzen und eine enge Kooperation mit der Opposition anstreben, hoffen andere Kräfte im Militär, im State Department und unter den traditionellen Konservativen, dass sich das irakische Militär mehr oder weniger geschlossen ergibt, nur die oberste Ba’ath-Führung gestürzt wird und eine amerikanische Militärverwaltung dann auf weitgehend intakte Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen zurückgreifen kann. Aufstände der Bevölkerung und Racheaktionen an Vertretern der Ba’ath-Partei und der Geheimdienste passen nicht in dieses Konzept.

Trotz des offenkundigen Fehlschlages – die irakischen Eliteeinheiten machen bislang keinerlei Anstalten, sich zu ergeben – bleibt der Aufruf zum Aufstand auch weiterhin aus. »Die Koalition will«, heißt es aus Oppositionskreisen, »keine Aufstände in den Städten.« Hamid Bayati, der Londoner Vertreter des Supreme Council of the Islamic Resitance in Iraq (Sciri), erklärte, die Amerikaner betonten immer wieder, sie wünschten, dass die Bevölkerung zu Hause bleibe und sich auch die Sciri-Milizen, die so genannten Badr-Brigaden, nicht an den Kämpfen beteiligten. Donald Rumsfeld drohte in einer Pressekonferenz sogar, sollten sich diese Brigaden ohne Einwilligung der Koalitionstruppen gegen die irakische Armee wenden, würden sie als »feindliche Elemente« behandelt. Washington fürchtet, ansonsten könne der Einfluss des Iran im Irak zu groß werden, schließlich befindet sich das Hauptquartier von Sciri in Teheran.

Aber auch die den USA weit enger verbundenen kurdischen Parteien klagen über die ausbleibende Unterstützung. Bei einem Oppositionstreffen im nordirakischen Salaheddin protestierten alle anwesenden Parteien gegen die bisherige US-amerikanische Kriegsstrategie. Es gebe, erklärte Hoshiar Zebari, Mitglied des Politbüros der Kurdischen Demokratischen Partei, einen gewaltigen Unterschied zwischen Befreiung und Eroberung. Befreiung hieße, auch Irakis an vorderster Front kämpfen zu lassen. Irakisches Militär ergebe sich gerne irakischen Kämpfern, nicht aber fremden Truppen.

Wohl weniger die Einsicht in diese Argumente als militärische Notwendigkeit veranlasste die USA nun im Norden, ihre Taktik zu ändern. Schließlich blieben die Unterstützung der Türkei und die Eröffnung einer zweiten Front im Norden aus. Inzwischen sind die ersten US-Soldaten in Irakisch-Kurdistan gelandet, und sowohl die KDP wie auch die Patriotische Union Kurdistans konnten einige irakische Stellungen mit amerikanischer Unterstützung einnehmen und ein Stück auf Kirkuk marschieren. Auf einer Pressekonferenz gab der Verbindungsmann Washingtons zur irakischen Opposition, Zalmay Khalilzad, bekannt, die Kurden, die über schätzungsweise 70 000 leicht bewaffnete Milizionäre verfügen, seien nun auch offiziell Verbündete der Koalition.

Aber das Misstrauen gegenüber den USA sitzt in der irakischen Opposition tief. Der Vorsitzende des INC, Achmed Chalabi, etwa fürchtet, dass die USA einen »rein amerikanischen Sieg erringen wollen und die Irakis außen vor lassen«. Wie wenig man ihnen auch in der Bevölkerung traut, mussten die US-Truppen im Südirak erleben, wo sie glaubten, schon in den ersten Tagen als Befreier bejubelt zu werden. Nun hören sie immer wieder, sie hätten die Menschen 1991 verraten, und solange Saddam Hussein an der Macht sei, glaube man nicht, dass sie es diesmal ernst meinen.

Die Taktik Saddam Husseins geht also doppelt auf. Sie erschwert den weiteren Vormarsch, zwingt Briten und US-Amerikaner in Häuserkämpfe und ist vor allem ein unschätzbarer Sieg im Medienkrieg. Denn es gelingt der irakischen Führung, den Krieg im Süden als eine Art zweite Intifada gegen die »zio-imperialistische« Invasionsarmee erscheinen zu lassen. Die Bilder von Selbstmordattentätern, Guerilleros und kämpfenden Zivilisten, die sich später als Mitglieder von Spezialeinheiten entpuppen, sollen wie eine Kopie des palästinensischen Aufstandes wirken. So soll der Eindruck entstehen, nicht Saddam Husseins Einheiten, sondern die Bevölkerung selbst kämpfe entschlossen gegen die verhassten USA.

Dass Munir Magdeh, ein hoher Fatah-Offizier im Libanon und Kritiker Arafats, nach Angaben der Jerusalem Post Selbstmordattentäter nach Bagdad geschickt hat, rundet das Bild ab. Die Iraker, auch wenn sie unter der Diktatur litten, verlautbarte die ägyptische Al Ahram, stünden doch heldenhaft gegen die fremden Invasoren zusammen. So könnte ein neuer Mythos entstehen, der alle Pläne der irakischen Opposition konterkarieren könnte. Ihre Berichte über den Terror allerdings, der in den Städten des Irak herrscht, von Massenexekutionen, Zwangsrekrutierungen und Ausgangssperren, stören dabei nur.

erschienen in: Jungle World 15 - 02. April 2003


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