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Ideologie und Terror des irakischen Ba'thismus

von Andrea Woeldike


Teil 1: Historische Grundlagen

»Alle Personen, die im Politischen, Ökonomischen oder Intellektuellen eine feindliche Einstellung gegenüber der Revolution und ihrem Programm erkennen lassen, besitzen nicht länger die Rechte eines [irakischen] Staatsbürger (Gesetz Nr 35 von 1977)«

Noch vor wenigen Monaten wurde quer durch alle Parteien eine Entsendung von UN-Truppen unter Beteiligung deutscher Soldaten nach Israel gefordert. Sei es nun dem Wahlkampf geschuldet oder nicht, in Bezug auf den Irak ist alles anders: Kanzler Schröder propagiert einen »eigenen deutschen Weg« und der Außenminister Fischer steht plötzlich wieder auf der Seite der Kritiker eines Krieges, wofür er prompt von der taz gelobt wurde, die Opposition hingegen sieht keine militärischen Kapazitäten für einen zusätzlichen Bundeswehreinsatz.

Vornehmlich dreht sich jedoch die ganze Diskussion, sei es bei den Politikern wie auch in den Zeitungskommentaren, darum, ob und wann die USA »einen Militärschlag gegen den Irak führen werden«, weniger interessiert die Frage, wie Hans-Ulrich Klose kritisierte, »wie der Irak an der Produktion chemischer, biologischer und in absehbarer Zeit auch nuklearer Waffen gehindert werden könnte.« (1)

Von der Herrschaftspraxis, bei der Gewalt nicht Mittel sondern Zweck ist, von Ideologie und Terror ist nur in den seltensten Ausnahmefällen zu lesen; anscheinend trifft auch auf den Irak zu, was Hannah Arendt bezüglich totalitärer Systeme beschrieb: das Regime muss sich relativ wenig Sorgen um die Aufdeckung seiner Verbrechen machen, da der beste Schutz in der »Normalität der normalen Welt liege« die sich weigert den »Beweisen« zu trauen. Was bliebe, sind »subjektive, niemals absolut zuverlässige und nachprüfbare Berichte« (2).

In diesem Sinne kommen die Exilirakischen- und Oppositionsgruppen meist nur in dem Zusammenhang »pro oder contra Krieg« zu Wort, wobei wenig von den Hintergründen ihrer Erfahrungen, Befürchtungen und Hoffnungen die Rede ist. Wenn sie nicht gleich als disziplinlos und mediengeil diffamiert werden, deren einzige Gemeinsamkeiten in der »sich angleichenden Sprachregelung« bestände, um ihre jeweiligen Machtambitionen zum Ausdruck zu bringen3.

Nationsbegriff des Ba'thismus

In dem sich neu konstituierenden arabischen Nationalismus während des osmanischen Reichs orientierten sich zu Beginn viele Theoretiker an der Idee des Liberalismus und des bürgerlichen Nationalstaates. Mit dem 1. Weltkrieg und der Aufteilung des ehemaligen osmanischen Reiches unter den Kolonialmächten wurde dieser jedoch zunehmend zu einer apologetischen, reaktiven und völkischen Ideologie, wie sie z.B. in den Schriften von Sati' Husri und Michel Aflaq zu finden ist.

Diese Konzeption eines völkischen panarabischen Nationalismus grenzte sich einerseits gegenüber panislamischen Bewegungen vermittels der Betonung der Säkularität ab, und anderseits gegenüber den Nationsbewegungen, welche sich nicht dem Panarabismus verpflichtet fühlten, denen vorgeworfen wurde sich zu unmittelbar auf den diskreditierten französischen Nationsbegriff zu beziehen. Husri verband in seine Schriften Ideen der deutschen Romantiker mit Ibn Khalduns Geschichtsphilosophie.

Ausgehend von deutschem Gedankengut, wobei jene, welche der Aufklärung sich verpflichtet fühlten von den germanophilen Panarabisten als Kosmopoliten abgelehnt wurden, galten Fichte, Herder und Ernst Moritz Arndt als die Vorbilder für die anzustrebende organische Nation. Ebenso wie diese führt Husri eine Trennung zwischen Staat und Nation ein, wobei zweiteres ein »heiliges, organisches, statisches Gebilde« sei, welches sich in »verschiedenen Formen objektiviere« (4).

Darüber, wie auch über die Sprache und Tradition, als gemeinsames Band einer Nation, versuchte er die eine, gemeinsame panarabische Nation zu begründen. Sprache ist für ihn die Seele und das Leben der Nation, während die Geschichte ihre Erinnerung und ihr Bewusstsein sei. Da die Nation als »nationale Persönlichkeit« bestimmt ist, ein »sozialer Organismus«, deren Mitglieder die »Zellen« seien, welche nur in ihrer Gesamtheit funktionieren könnten, wendet sich der völkische panarabische Nationalismus strikt gegen das Selbstbestimmungsrecht Einzelner. Die konsequente Weiterführung der Ideen der deutschen Romantiker sieht Husri in von Schönerers Pangermanismus.

Zu dieser Vorstellung einer Nation kommen spezifische Elemente der arabischen Kultur hinzu, vor allem in Rückgriff auf den im 14. Jahrhundert lebenden Denkers Ibn Khaldun, der über den Begriff des »Solidaritätsgefühls« einer Gruppe und deren zyklischen Veränderungen schrieb. Diese »Schicksalsgemeinschaft« einer Gruppe wurde von Husri auf das Wesen der Nation übertragen. Das adäquate Mittel zur Nationalerziehung begreift er dann in der logischen Fortführung seiner Vorbilder, im Wehrdienst, denn dort lerne das Individuum seinen Egoismus zu überwinden, für sein Vaterland Opfer zu bringen und eine strenge Disziplin zu befolgen (5).

So beschränkte sich Husris Kritik an der Syrischen Sozialnationalistischen Partei, deren unmittelbares Vorbild die Nationalsozialisten waren, vornehmlich an ihrer Vorstellung der Nation als einem biologischen Organismus, anstatt eines sozialen, sowie die Vernachlässigung des Panarabismus. Bewunderung äußerte er allerdings für die militärische Disziplin dieser Partei.

Sein Schüler und Mitstreiter, sowie Mitbegründer der Ba'thpartei, Michel Aflaq hegte dagegen große Symphatie für das mit den Nationalsozialisten kollaborierenden al-Gailani -Regime, für welches er Spendensammlungen durchführte. Aflaq, wie auch die anderen Gründerväter der Arabischen Partei der Wiederauferstehung bzw. der späteren Arabisch-Sozialen Partei der Wiederauferstehung, strebten über Husri hinausgehend eine Synthese aus Nationalismus und Sozialismus an, als Grundlage dafür diente nicht nur Alfred Rosenbergs »Mythos des 20. Jahrhunderts«, sondern auch direkt eine offene Bewunderung für den Nationalsozialismus gepflegt wurde (6).

Ideologie des Ba'thismus

Wenn er nach einer Definition von Sozialismus gefragt werde, meinte Aflaq, werde er nicht bei Marx und Lenin nachsehen, sondern sein Verständnis von Sozialismus hätte er von André Gide und Romain Rolland, »edlen Seelen, weit über kommunistischer Parteilichkeit stehend« (7), übernommen. In diesem Sinne begriff er Sozialismus und Kommunismus als »eine Lebensart« und »metaphysisches Heilsmittel«, welcher dem arabischen Geist und seiner Seele zur Wiederauferstehung verhelfe, was nicht verwechselt werden dürfe mit dem »verbrecherischen Klasseninteresse«8, das die nationale Einheit gefährde.

Dem panarabischen Nationalismus Husris fühlt sich die Ba'th-Partei zutiefst verpflichtet, und treibt ihn konsequent auf die Spitze. Ein gutes Leben lasse sich allein im völligen Aufgehen in der Nation und der Revitalisierung der »glorreichen arabischen Vergangenheit« bewerkstelligen. Wichtig sei dafür das »abstrakte westliche Denken«, dem der Egoismus und der Genuss inhärent sei, zu überwinden um so der Güte und der Vervollkommnung näher zu kommen, die unmittelbar immer mit dem Opfer und dem Heroismus für die Nation verbunden sind.

Mit drei Begriffen umriss Aflaq seine Theorie, die bis heute noch maßgeblich für die Ideologie des irakischen Ba'thismus sind: Einheit, Freiheit, Sozialismus. Dabei bildet das »arabische Vaterland«, welches »das Ergebnis ihrer aufeinanderfolgenden Wiedergeburten« und »mit »einer ewigen Sendung versehen ist«, (9) eine unteilbare politische und wirtschaftliche Einheit, und soll letztendlich Nordafrika, den Sudan, einen Teil der Türkei, sowie den gesamten Nahen Osten umfassen. In vorderster Front stehen dabei die Palästinenser, die erst »dann auf eine Rückkehr in ihr Heimatland hoffen können, wenn es gelingt, eine einzige arabische Nation zu schaffen« (10).

Erreicht werden kann diese erst durch die ständige Revolution, die den Kampf gegen alle »fehlerhaften Strukturen« ununterbrochen voran treibt um die Gesellschaft zu »gesunden«. Die Freiheit muss solange von einigen wenigen Führern, die den wahren Willen der Nation erkannt haben durchgesetzt werden, bis es der Erziehung durch die Regierung gelungen ist, allen Arabern ihre »wahre Natur« bewusst zu machen. Erst dann sei der Sozialismus die »ideale Ordnung für das arabische Volk«, da diese nur endgültig verwirklicht werden könne, wenn das ganze arabische Volk von den »Einflüssen des Feudalismus, Kolonialismus, Imperialismus und Zionismus befreit« ist.

 

Anmerkungen

  1. FAZ v. 8.8.02: Mit Augemaß. S.10.
  2. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft. München 1986. S. 674f.
  3. Rolf Paasch: Die Schnauzbärte und der Prinz. In: FR v. 15.7.02. S.3
  4. Basam Tibi: Vom Gottesreich zum Nationalstaat. F/M.1987. S. 114.
  5. Ebd. S.137.
  6. Vgl. Robert Wistrich: Der antisemitische Wahn. Ismaning b. München 1987. S.307ff.
  7. Bitar/Aflaq: zit.n. Horst Mahr: Die Baath-Partei. München/Wien 1971. S. 32.
  8. Bassam Tibi: a.a.O. S. 191.
  9. Verfassung der Ba'th-Partei zit.n. Horst Mahr: a.a.O. S. 167.
  10. Ebd. S.136.

akw!-info texte, August 2002


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