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Bessere Witze

Der Karikaturenstreit im Irak

von Thomas von der Osten-Sacken

http://www.jungle-world.com/

Auch der Irak blieb vom »Cartoon Bruhaha«, wie der Islamwissenschaftler Oliver Roy es im Magazin Newsweek nannte, nicht verschont. Während der schiitische Ayatollah Ali al-Sistani sich merklich bei seinen Verurteilungen zurückhielt, nutzen andere die Gunst der Stunde. In zwölf Stücke würden sie jeden Dänen zerschneiden, der ihnen in die Finger komme, kündigte die Islamische Armee an, ein Stück für jede erschienene Karikatur des Propheten. Auf seine Art ganz staatstragend reagierte dagegen Transportminister Salim al-Maliki. Sein Ministerium habe alle Verträge mit Dänemark und Norwegen storniert, sagte der Anhänger des extremistischen schiitischen Predigers Muqtada al-Sadr. Außerdem werde er künftig keine Spenden aus diesen Ländern mehr akzeptieren. Ein Boykott von Hilfsgeldern, kommentiert lakonisch der Blogger Iraq the Model, sei äußerst intelligent, außer den Irakern nämlich schade er niemandem.

Selbst im sich säkular gebenden Suleymaniah gelang es der Islamischen Liga Kurdistans, ein paar Hundert Anhänger zu einer Demonstration gegen Dänemark zu bewegen. Auch das kurdische Regionalparlament in Arbil verurteilte die Karikaturen. Gerade bei vielen Intellektuellen und Journalisten allerdings herrschte nur blankes Entsetzen angesichts der Bilder des demonstrierenden Mobs in Syrien, dem Libanon und dem Iran.

Seit längerem erscheinen in Suleymaniah verschiedene unabhängige Zeitungen, die mit Kritik an der Regierung und der Verfasstheit der Gesellschaft nicht sparen. Viele Redakteure würden sich auch gerne von den Reaktionen des islamischen Mobs und der arabischen Regierungen deutlich und öffentlich distanzieren. Nur wagt das auch hier noch niemand. So versucht die Wochenzeitung ­Bayani, durch nüchterne und distanzierte Berichterstattung die Ereignisse indirekt zu kommentieren. »Mehr können wir uns nicht erlauben«, sagt eine Redakteurin, »schließlich haben wir keinen Wächter vor unserer Redaktion.«

Die Angst vor der Gewalt islamischer Fanatiker ist leider noch immer zu groß. Selbst wer im Geheimen über die Karikaturen schmunzelt, muss sich öffentlich zurückhalten. Denn erst vor kurzem hat der Rat der Religionsgelehrten in Suleymaniah eine Fatwa gegen den Schriftsteller Meriwan Halabjaye verhängt, der es gewagt hatte, verschiedene islamkritische Schriften zu veröffentlichen. Zur offenen Solidarität mit Dänemark rufen bislang nur einige wenige Internetseiten auf. »Kurdistan muss Dänemark zur Seite stehen, denn zu lange schon ist es das Opfer von Zensur«, steht im Weblog Mizgin geschrieben.

Andere Formen des Widerstands existieren kaum. Wer im herrschenden Klima der Angst und Hysterie offen für Presse- und Meinungsfreiheit und gegen die Bigotterie der Regimes eintritt, muss überall im Nahen Osten noch immer um sein Leben bangen. Dabei haben die Bilder von Demonstranten aus Gaza, Damaskus und London, die etwa die Enthauptung dänischer Journalisten fordern, noch eine zusätzliche Wirkung. Auf keinen Fall näm­lich möchte man im kurdischen Nordirak, wo die Menschen gerade versuchen, sich gemäßigt und prowestlich zu geben, mit diesen fanatischen Muslimen identifiziert werden.

Das Verrückteste an der Sache sei allerdings, meint der Journalist Awat Rizgar, dass es in der Region viel bessere und deftigere Witze über Mohammed und den Islam gäbe. Warum so viele Europäer sich für ein paar vor Monaten veröffentlichte Karikaturen entschuldigen, statt vehement die Pressefreiheit gegen Islamisten und andere Feinde der Freiheit zu verteidigen, kann er jedenfalls nicht verstehen.


Artikel erschienen in der Jungle World Nr. 7 vom 15. Februar 2006


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