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Heilige Allianzen

Arundhati Roy und der »globale Widerstand«

von Thomas v. d. Osten-Sacken und Thomas Uwer

Einen Tag bevor über 20 Irakis von einem Selbstmordattentäter in Bagdad zerfetzt wurden und gut einen Monat nachdem Zehntausende im Irak gegen den Terror des so genannten irakischen Widerstandes auf die Straße gegangen waren, nahm sich die zur Prophetin der Antiglobalisierungsbewegung avancierte Arundhati Roy des Landes an. Auf dem Sozialforum in Mumbai forderte sie ihre Zuhörer auf, angesichts des von den USA im Irak veranstalteten »Projektes des Neoliberalismus« zum »globalen Widerstand gegen die Besatzung zu werden«. George W. Bush nämlich schicke sich an, so die einst vom Feuilleton der FAZ für Deutschland entdeckte Inderin, den Irak so zu kolonisieren, »wie es mit Afghanistan geschieht, mit Tibet geschieht, mit Tschetschenien geschieht, wie es in Osttimor der Fall war und in Palästina noch der Fall ist«. Ein neuer Imperialismus sei über die Welt gekommen, der auf Rassismus fuße, »über E-Mail ausgeführt werden kann« und zugleich »Genozide« wie die Verhängung des UN-Embargos über den Irak als Teil seines »Projektes« verstehe. Im Irak profitierten US-Firmen und andere »interessierte Companies« von der »Zerstörung des Landes«. Während weltweit Millionen von Menschen zugrunde gingen, erklärten die Imperialisten den »Protest gegen weitere Verarmung« zum Terrorismus.

Wer wissen will, wo die Antiglobalisierungsbewegung ihrer inneren Logik zufolge landen muss, kann sich die Mühe ersparen, sich durch Tausende unleserliche Papiere zu quälen. Eine sporadische Lektüre von Roys Elaboraten reicht aus.

So hat die Forderung, Krieg um jeden Preis zu verhindern, mit der »zehn Millionen Menschen auf einer eindrucksvollen Demonstration öffentlicher Moral« im vergangenen Jahr auf die Straße gingen, sich inzwischen selbst in eine Kriegserklärung verwandelt: Die in Mumbai versammelten Aktivisten müssten sich nach dem Sturz Saddam Husseins als »selbst im Krieg befindlich betrachten«. Gegen einen Feind, der keine Hemmungen zeigt, sich mit E-mails, Genoziden und Neoliberalismus die Welt untertan zu machen, helfen »Feiertagsproteste« nicht weiter. Und da momentan der von ehemaligen Ba’ath-Kadern und radikalen Islamisten erfundene und getragene »irakische Widerstand« noch medienwirksamer auftritt als die palästinensische Intifada, scheint er zum neuen antiimperialistischen Hoffnungsträger der Bewegung zu werden. Mit Arundhati Roy findet sich nun endlich eine prominente Fürsprecherin, die ihm jene globalisierungskritischen Weihen verleiht, die ihm bislang fehlten – anders als Sprengstoff oder Freiwillige, um etwa UN- und Rotkreuzeinrichtungen in die Luft zu jagen.

Die Martialität der Sprache dieses Widerstandes, die bevorzugt zu Jihad und Blutbad aufruft, scheint somit ebenso wenig wie seine Taten einem Bündnis gegen den Imperialismus mehr im Weg zu stehen. Eine »Irakische Kommunistische Partei – Kader« (nicht zu verwechseln mit der KP des Irak), die von Teilen der deutschen Friedensbewegung als genuiner Ausdruck des Kampfes der Irakis gegen Imperialismus und Kolonialismus hofiert wird, dürfte sich daher auch Arundhati Roys Solidarität sicher sein: »Wir religiösen Menschen«, erklärte die der Ba’ath-Partei nahe stehende Gruppe kürzlich, »die Salafiten und Nicht-Salafiten, die Ba’athisten, arabischen Nationalisten und alle säkularen Patrioten (…), die Irakis und Nicht-Irakis unter uns sind eins. Uns schweißt eine heilige Allianz zusammen. Unser Feind ist der Imperialismus und sein Produkt, der Zionismus. Unser augenblickliches Ziel ist die Befreiung Iraks, Palästinas und Afghanistans.«


veröffentlicht in: Jungle World 6 - 28. Januar 2004


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