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Puk vs. PKK

Erneute Kämpfe im Nordirak

von Thomas v.d. Osten-Sacken

Der am 4. Oktober geschlossene Waffenstillstand zwischen der Patriotischen Union Kurdistan (Puk) und den im Nordirak operierenden Einheiten der PKK währte nur kurz. Schon zwei Monate später gab die PKK bekannt, dass die Puk sie mit 4 000 Kämpfern erneut angegriffen habe. Während die Offensive, bei der die Puk mehrere hundert Milizionäre verlor, erfolglos blieb, haben diesmal türkische Einheiten direkt in die Kämpfe eingegriffen. Dies gab Adel Murad, ein Sprecher der Puk, am 20. Dezember in der arabischsprachigen Londoner Zeitung Shark Al Awsat zu. Seinen Angaben zufolge soll es sich um 700 Soldaten und 80 Fahrzeuge der türkischen Armee handeln; ein Korrespondent derselben Zeitung meldete, er habe zusätzlich türkische Raketenwerfer und Radarsysteme auf dem Weg in das Puk-Gebiet beobachtet. Schon Mitte Dezember meldete die PKK, türkische Kampfhubschrauber hätten ihre Stellungen im Puk-Gebiet angegriffen.
Die PKK, die in den kommenden Tagen eine Großoffensive gegen ihre Stellungen befürchtet, sieht in dem kurdisch-türkischen Kampfbündnis eine "internationale Verschwörung gegen uns und den Irak". Während der Kämpfe zwischen PKK und Puk im September deutete sich bereits eine mögliche Allianz zwischen dem Irak und der PKK an. Zumindest verknüpft die PKK-Propaganda seitdem ihr Schicksal mit dem Saddam Husseins. Erst kürzlich erklärte das PKK-Führungsmitglied Duran Kalkan im kurdischen Sender Medya-TV, dass es den "USA in der Region allein um die Sicherheit Israels geht", weshalb der Irak und die PKK zerschlagen werden müssten.
Nachdem Abdullah Öcalans Annäherungsversuche an die Türkei fehlgeschlagen sind und sich die militärische Lage der PKK hoffnungslos darstellt, bleiben ihr kaum weitere Optionen übrig, als Aufrufe an die Solidarität des "kurdischen Volkes" im Kampf gegen den Imperialismus und Zionismus zu verfassen. Der Rückgriff auf klassische Verschwörungstheorien ist dabei nicht nur Ausdruck ideologischer Schwäche, er scheint auch der Enttäuschung geschuldet zu sein, dass die Türkei nicht die PKK als Allierte akzeptiert hat. Noch im Herbst 2000 nämlich hatte Öcalan angeboten, gemeinsam mit der türkischen Armee die "Verräter im Nordirak" - wie er die kurdischen Parteichefs Massud Barzani und Jalal Talabani bezeichnete - zu vernichten.
Zugleich schlug der Versuch der PKK fehl, nach der Absage an den bewaffneten Kampf "nur-politische" Partei zu werden. Die jüngsten Vorschläge der türkischen Regierung, den Kurden kulturelle Rechte einzuräumen, richteten sich explizit gegen die PKK und waren der Versuch, dieser die letzten verbleibenden Inhalte zu nehmen. Selbst diesem Vorhaben legte jetzt der türkische Generalstab einen Riegel vor. Derartige Rechte seien besonders gefährlich, diktierte er der Regierung, da sie das kurdische Nationalbewusstsein förderten. Stattdessen setzt das Militär offensichtlich verstärkt auf die endgültige militärische und politische Zerschlagung der PKK.
Zur Verfolgung dieses Ziels scheint sie auch bereit zu sein, das labile Gleichgewicht im Nordirak nachhaltig zu gefährden. Bislang nämlich galt das Puk-kontrollierte Gebiet als Einflussbereich des Iran, erst im Sommer vergangenen Jahres näherten sich die Puk und die Türkei bei einem Besuch des Puk-Vorsitzenden Talabani in Ankara an. Der Iran, der weiterhin Kontakte zur PKK pflegt, beobachtete schon damals diese Entwicklung mit Sorge. Ein Bündniswechsel der Puk würde in Teheran deshalb als feindlicher Akt wahrgenommen werden. Entsprechend heftig kritisierte die iranische Regierung den Einmarsch der türkischen Truppen und drohte mit Konsequenzen. Diese Drohung wurde zumindest von den Bewohnern des Puk-Gebietes sehr ernst genommen, die seither ein militärisches Eingreifen iranischer Truppen fürchten und in der Folge eine unkalkulierbare grenzübergreifende Eskalation des Konfliktes.

erschienen in der "jungle world" vom 3. Januar 2001


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