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Iraks Kurden gegen Militärputsch

Altes Dilemma


von thomas uwer und thomas v. d. osten-sacken

Es ist das alte Dilemma der irakischen Opposition, dass sie auf Hilfe von außen angewiesen ist, wenn sie Saddam Hussein stürzen will, und dabei zugleich an Staaten gerät, die mit dieser Opposition nichts zu tun haben wollen.

Während die europäischen Staaten, die einst dafür sorgten, dass Saddam Husseins Armeen so schwer zu bezwingen sind, an der kurdischen Opposition im Norden des Landes lediglich interessiert, ob diese künftig bereit sein wird, abgelehnte irakische Asylbewerber aufzunehmen, jagt in Washington ein halbgarer Plan zum Militärputsch gegen Saddam Hussein den anderen. Bei der so verzweifelten wie hektischen Suche nach möglichen Nachfolgern Saddam Husseins aus den Reihen des Militärs ist man dort jüngst auf den ehemaligen General Nizar al-Khazraji gestoßen, der im vergangenen Jahr für Aufsehen sorgte, als er in Dänemark mit einer Anzeige wegen Völkermord konfrontiert wurde. Dass Khazraji, der in den achtziger Jahren mit verantwortlich für die Militärkampagnen des Regimes gegen die kurdische Bevölkerung im Norden des Landes und auch für den Giftgasangriff auf die Stadt Halabja war, nunmehr als möglicher Kandidat gehandelt wird, hat die Opposition in die Offensive gedrängt.

Ungewöhnlich deutlich sprachen sich in der vergangenen Woche die beiden Anführer der großen kurdischen Parteien, Mustafa Barzani (KDP) und Jalal Talabani (PUK), gegen derartige Pläne aus. Ein Militärputsch, mit dem lediglich Personen ausgetauscht würden, fände nicht ihre Unterstützung. Ohne die Unterstützung der Kurden aber ist jeder Plan für einen künftigen Irak Makulatur.

Damit wird erneut das Versagen der US-amerikanischen Irak-Politik deutlich, die 1991 weder Saddam noch die Opposition wollte und jetzt mit beiden auskommen muss. Faktisch sind die Kurden, deren ungewollte Unabhängigkeit man immer nur so weit unterstützte, wie sie keine Gefährdung darstellte, zum wichtigsten Faktor eines Irak ohne Saddam Hussein geworden.

Denn während völlig unklar ist, wie die Bevölkerung in der Mitte und im Süden des Irak reagieren würde, und sich vor allem im Südirak ein Aufstand schnell auch gegen die »Befreier« richten könnte, verfügen die kurdischen Parteien nicht nur über organisierte militärische Verbände, sondern nach elf Jahren Selbstverwaltung mittlerweile auch über die organisatorische Erfahrung beim Aufbau einer zivilen Verwaltung, die für jede kommende Regierung lebenswichtig wäre. Entsprechend wichtig ist die Rolle der Kurden innerhalb der Opposition. Hamid al-Bayati vom Hohen Rat der islamischen Revolution im Irak (SCIRI) erklärte kürzlich, die Kurden hätten bewiesen, dass die Iraker sich selbst demokratisch regieren könnten.

Mit ihren neuerlichen Initiativen reagieren die kurdischen Parteien allerdings auch auf die mögliche Gefahr, die von den unausgereiften Umsturzplänen der US-Regierung derzeit ausgeht. Das oppositionelle Vorbild Kurdistan würde bei jedem Putschversuch die Hauptlast eines Gegenschlags der irakischen Regierung tragen. Die Option, nach einem Sturz wieder in Zeiten häufig wechselnder Militärregierungen zurückzufallen, die im Irak seit jeher versucht haben, ihre Stärke aus einem Sieg über die Kurden zu beziehen, ist genauso wenig verlockend wie die Möglichkeit eines gescheiterten Umsturzes. Statt eine zweite Nordallianz zu geben, verlangen die Oppositionsgruppen im Irak, selbst über eine künftige Regierung und den Weg dorthin zu entscheiden.

Derweil zögern die USA, aus der Not eine Tugend zu machen. Der Zuspruch zur irakischen Group of Four aus KDR, Puk, Sciri und dem nationalkonservativen National Accord aber wächst auch in Washington. Nicht zuletzt mangels Alternativen. Denn mit Kandidaten wie Khazraji würde man zwar den erwünschten Volksaufstand auslösen, allerdings nicht nur gegen die alte, sondern auch gegen die neue Regierung.

In jungle world 27/2002 v. 26. 06. 2002


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