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Das Ende der Autonomie?

Irakische Truppen intervenieren in Südkurdistan

Am 31. August griffen militärische Verbände der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) gemeinsam mit regulären irakischen Truppen die irakisch-kurdische Hauptstadt Arbil an, die bis dato unter der Kontrolle der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) stand. Binnen eines Tages brachten sie die Stadt unter ihre Kontrolle. Erstmals seit der Befreiung kurdischer Gebiete im Nordirak und der Einrichtung der sogenannten Schutzzone 1991 war es damit zu einer militärischen Invasion des Saddam-Regimes nördlich des 36. Breitengrades gekommen (siehe Kasten). Die Intervention wurde international verdammt, die USA führten einen Militärschlag mit Marschflugkörpern in Süd- und Zentralirak durch und forderten den sofortigen Rückzug der Truppen aus der "Schutzzone". Mit dem militärischen Eingreifen der USA verschwand auch die Situation in Arbil und den umkämpften Teilen Irakisch-Kurdistans wieder aus dem Blickfeld der Medien. Die Erweiterung der Flugverbotszone in den Süden des Iraks bis nahe an die Grenzen Bagdads wurde derweil zum Medienspektakel und motivierte die selbsternannten Nah-Ost-Experten aller Kanäle zu wilden Spekulationen über einen neuen Golfkrieg. Der aber blieb aus.

Saddam Hussein hat allen Grund, mit dem Verlauf der Dinge zufrieden zu sein. Die kurdische Autonomie, die auf die Befreiung von mehr als 3,5 Mio Menschen vom irakischen Regime aufbaute, existiert nur mehr als Leiche. Der irakische Geheimdienst kontrolliert wieder Arbil und ein Kurde hat ihn dazu eingeladen.

Mehr als ein Jahr lang herrschte Waffenruhe zwischen PDK und PUK. Auf Druck des US-amerikanischen Außenministeriums hatten sich beide kurdischen Parteien im vergangenen Sommer auf einen Waffenstillstand geeinigt, der als sehr labil eingeschätzt wurde. Zwar hatte PDK-Chef Barzani seinen Einfluß auf die Stadt Arbil verloren, dafür kontrollierte seine Partei die irakisch-türkische Grenze und verfügte dadurch über nicht unbeträchtliche Zolleinnahmen aus dem Handel mit der Türkei, die mit dem Kontrahenten PUK nicht mehr geteilt werden mußten. Die faktische Zweiteilung der Region in den PDK-kontrollierten Badinan (im Norden) und den PUK-kontrollierten Soran (im Süden) seit Ende 1994, war für beide Parteien vorübergehend von Vorteil. PDK und PUK bauten ihre administrativen Strukturen aus und verwalten seitdem die jeweilige Region quasi in Alleinherrschaft. Auf beiden Seiten entstanden Ministerien, die vom Apparat der Partei nicht zu trennen sind und mittels derer die Parteien in der Lage waren, sowohl Hilfsmittel zu akkumulieren, als auch lokale Oppositionsgruppen und Bewegungen zu vereinnahmen oder sie im Zweifelsfall auszuschalten (1). Gleichzeitig hatten beide Parteien ausreichend innere Probleme: Barzani stand unter dem militärischen Druck der PKK (2) und konnte sich eine zusätzliche Konfrontation mit Verbänden der PUK nicht erlauben. Diese wiederum arbeitete daran, ihre Fehde mit der militärisch starken Islamistischen Partei beizulegen und als Ersatz für die verlorengegangenen Einnahmen aus dem Grenzhandel mit der Türkei, den Kontakt zum Regime in Teheran auszubauen. In den Hochburgen der Parteien, in Suleymaniyah (PUK) und Dohuk (PDK), herrschte derweil eine geschlossene Normalität inmitten eines allgemeinen Ausnahmezustandes.

UN-Resolution 986

Anfang August dieses Jahres unterzeichneten die USA als letzter Staat mit ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat die UN-Resolution 986, die dem Irak einen begrenzten Ölverkauf ermöglicht. Für diese Einnahmen sollten im Gegenzug Nahrungsmittel, Medizin und allgemeine Hilfsgüter eingeführt werden können. Nur wenige Tage, nach der Unterschrift der USA unter diese Resolution, am 17. August, brachen die Kämpfe zwischen PDK und PUK aus. Zum ersten mal wurden bei Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien Raketenwerfer und andere schwere Waffen eingesetzt. Dieses Militärgerät war von türkischen und iranischen Truppen nach ihren militärischen Operationen im Nordirak 1995 den Parteien überlassen worden. Wieder einmal versuchte das US-amerikanische Außenministerium zu intervenieren - diesmal ohne Erfolg: Die zweimalig vereinbarte Waffenruhe hielt gerade 24 Stunden.

Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung der UN-Resolution 986 und dem Ausbruch der Kämpfe ist kein Zufall. Schon im Vorfeld der abschließenden Verhandlungen zwischen UN-Sicherheitsrat und der irakischen Regierung warnten internationale Organisationen vor den Folgen, die die Durchsetzung der UN-Resolution auf das labile Machtverhältnis im Nordirak haben würde.

Schätzungsweise 300 Millionen US-Dollar (rund 30 % der Gesamteinnahmen) wären nach Inkrafttreten der Resolution halbjährlich in den kurdischen Nordirak geflossen, ein großer Teil davon in Form von Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe. Vor allem bei der Verteilung der Nahrungsmittel sind die Organisationen der UN auf lokale Verwaltungsstrukturen angewiesen, die sowohl die Bedarfslisten erstellen, als auch die Verteilung auf der untersten Ebene abwickeln. Aber auch die Mittel zum Aufbau der Infrastruktur würden zu großen Teilen durch die lokale Administration und die ihr angegliederten kurdischen Hilfsorganisationen fließen, die mit der jeweiligen Partei gleichzusetzen sind. Gleichzeitig steht zu befürchten, daß die wenigen eigenständigen wirtschaftlichen Bereiche der Region und vor allem die Landwirtschaft kollabieren werden, da die meisten Hilfsgüter über Drittstaaten importiert werden sollen. In den selbstverwalteten Gebiete entstände ein Abhängigkeitssystem, ähnlich dem des Iraks vor dem Golfkrieg, daß die Bevölkerung zur Untätigkeit zwingt und die Machtstrukturen der herrschenden Elite konsolidiert. Ein Grund vor allem für Talabanis PUK einen erneuten Vorstoß zu unternehmen und die eigenen Einflußgebiete zu erweitern. Bislang nämlich sitzt Barzanis PDK am längeren Hebel. Neben der türkisch-irakischen Grenze, über die ein Großteil der Hilfsgüter eingeführt werden, steht auch die Pipeline, die das Öl in naher Zukunft über die Türkei zu den Mittelmeerhäfen führen soll, unter deren Kontrolle. Im Frühjahr schon hatte das Bagdader Regime mit Einverständnis der PDK die Pipeline in dem von Barzani kontrollierten Gebiet erneuert.

Größtes Hindernis bei der Realisierung der Resolution 986 war die ungeklärte Machtfrage im kurdischen Nordirak. Jetzt wurde die Frage nach der Kontrolle über die Hauptstadt Arbil für die PDK zu mehr als nur einer Propaganda-Phrase.

Kampf um die Hauptstadt

Ohne irakische Unterstützung hätte die PDK die Hauptstadt Arbil militärisch nicht einnehmen können. Mit dem Eingreifen des irakischen Regimes wußte Barzani gleichzeitig auch die militärische Unterstützung der PUK durch den Iran ausgeschaltet. Entgegen anders lautender Agenturberichte hat sich Teheran vollständig aus dem Konflikt herausgehalten - eine Intervention hätte nur die geschwächte anti-iranische Position der USA gestärkt (3). Durch sein Bündnis mit Saddam Hussein hat Barzani das alte Kräfteverhältnis umgekehrt; war vormals die PDK die militärisch schwächere der beiden Parteien, so befindet sich nun die PUK in einer militärischen Notlage. Entlang der Demarkationslinie befinden sich rund 40.000 irakische Soldaten, die jetzt jederzeit auch von Westen und Norden gemeinsam mit der PDK angreifen können. Von iranischer Seite ist wenig Unterstützung zu erwarten. Die USA haben gleichzeitig unmißverständlich signalisiert, daß nicht die Sorge um das Wohlergehen der irakischen Kurden, sondern strategische Interessen hinter dem Beschuß irakischer Flugabwehrstellungen standen. "Unser Hauptinteresse am Irak liegt im Süden, nicht im Norden", beeilte sich US-Verteidigungsminister William Perry zu versichern und bedeutete den irakischen Kurden, daß ihm an einer militärischen Operation zu ihrem Schutze nicht gelegen ist. "Unser Ziel ist zu allererst unsere strategischen Interessen zu sichern, das heißt die befreundeten Staaten und Alliierten der Region - Israel, Jordanien, Kuwait, Saudi Arabien zu schützen. Zweitens den freien Ölfluß vom Golf zu gewährleisten."

Die Irak-Politik der westlichen Golfkriegs-Alliierten zielt seit 1991 nicht darauf, Saddam Hussein zu stürzen. In Ermangelung einer genehmen Alternative konsolidierte man im Gegenteil das Regime Husseins, mit der ständigen Gefahr, ihn erneut zu einer außenpolitischen Bedrohung werden zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist auch die geplante Durchsetzung der oil for food-Resolution 986 zu sehen. Diese Resolution ist zwar nach Ausbruch der Kämpfe sofort auf Eis gelegt worden, ihre Wiedereinsetzung ist allerdings lediglich eine Frage der Zeit.

Sechs Jahre Embargo haben im Irak zur Verelendung der Bevölkerung und einer weitreichenden Zerstörung der Infrastruktur geführt, die zu einer Implosion des Regimes führen konnte. Die involvierten westlichen Staaten befürchten vor allem, die Situation im Irak könnte ihnen aus den Händen gleiten. "Die amerikanische Politik zielte darauf, den Irak unter Kontrolle zu halten und nicht, die Regierung zu ändern. Es ging nicht darum, den Irakern zu helfen, eine neue Regierung zu installieren. Sie haben Angst davor, was passieren könnte, falls Saddam nicht mehr an der Macht ist", erklärte Dr. Kubba, Gründungsmitglied des proamerikanischen Oppositionsbündnisses Irakischer National Kongreß (INC) in einem Interview am 2. September (4). Die Luftangriffe auf irakische Stellungen in Al-Kut und Bagdad und die Erweiterung der Flugverbotszone im Süd-Irak richteten sich nicht gegen die Aggression Saddams in Irakisch-Kurdistan, sondern nahmen diese lediglich zum Anlaß, eine militärische Expansion des Regimes über seine Grenzen hinaus zu verhindern. Nach dem scheinbaren Rückzug irakischer Truppen aus den kurdischen Gebieten nördlich des 36. Breitengrades erklärte Clinton folgerichtig die amerikanische Mission als erfolgreich beendet. Große Teile des PUK kontrollierten Südens liegen unterhalb des 36. Breitengrades, darunter auch die Stadt Suleymaniyah mit knapp einer Millionen Einwohner. Eine Invasion Saddam Husseins scheint jetzt jederzeit möglich.

Den westlichen Staaten, die in das Geschäft nach der Embargolockerung involviert sind, kann eine Lösung, wie Barzani sie anbietet, nur genehm sein. Seit 1994 versuchen die USA und europäische Staaten auf diplomatischem Wege und mit finanziellem Druck, die innerkurdische Krise zu beenden. Sollte Saddam Hussein jetzt dazu beitragen, einen der beiden Anführer in die alleinige Führungsposition der Region zu heben, so kann dies den westlichen Golfkriegs-Alliierten zur Zeit nur recht sein. Gleichzeitig wäre der Einfluß Irans in der Region praktisch ausgeschaltet.

Lachender Dritter ist in jedem Falle Saddam Hussein. Das Baath-Regime und seine Führungsclique haben in Irakisch-Kurdistan wieder Tritt gefaßt und das auf Einladung Massud Barzanis - dem Sohn des kurdischen und irakischen Volkshelden Mustafa Barzani. Daß die irakischen Truppen Arbil wieder verlassen mußten, dürfte Hussein kaum stören. Der hat im Gegenteil auch in den vergangenen Jahren schon gezeigt, daß er wenig Interesse daran hat, selbst die unkontrollierbare kurdische Region zu verwalten. Ein kurdischer Statthalter hingegen, der die ökonomischen und strategischen Interessen des Regimes vertritt, erspart dem Regime viel Ärger. Daß Barzani diese Rolle bekleiden wird, ist nicht schwer zu erraten: Er ist Saddam auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, denn der Verrat bindet ihn an Hussein und einen schlimmeren Verrat als Saddams Truppen nach Irakisch-Kurdistan zu führen, kann ein Kurde nicht begehen. Wie weit das geht, läßt sich daran sehen, daß Barzanis PDK am 2. September dem irakischen Geheimdienst die Erlaubnis gab, in Salahuddin - außerhalb des irakischen Interventionsgebietes - irakische Oppositionelle zu verhaften. Peshmerga der PDK drangen gemeinsam mit Mitgliedern des irakischen Geheimdienstes Mukhabarat in Häuser des Oppositionsbündnisses INC ein und verschleppten etwa 150 Menschen.

Ein Ende der innerkurdischen Auseinandersetzungen ist nicht in Sicht. Am 5. September nahmen Kämpfer der PUK Hallabja ein, die letzte PDK Enklave im südlichen Teil der Region. Die PDK greift von Westen und Norden an. Die PUK-Festung Koisanjaq ist von PDK und irakischen Truppen schon erobert worden. Die südlichsten Städte Kalar und Kifti sind von irakischen Einheiten umstellt. Die Menschen in Suleymaniyah sind seit dem 30. August von jeder Versorgung mit Medikamenten und Nahrungsmitteln abgeschnitten. Benzin gibt es nur noch für die Wagen der Peshmerga-Verbände. Tausende sind auf der Flucht in Richtung Iran. Inzwischen ist die Einnahme von Suleymaniyah nur noch eine Frage der Zeit, die Menschen flüchten aus der Stadt.

Saddams Terror

In Arbil wütete tagelang der Terror irakischer Truppen und Sonderkommandos. Die Zentren der irakischen Opposition waren die ersten Ziele des irakischen Staatsterrors; schon vor Einnahme der Stadt am Samstag wurde das Gebäude der Kommunistischen Partei Kurdistans von Helikoptern mehrfach bombardiert und fast vollständig zerstört. Die Büros der PUK, der Turkmenen-Partei und des INC wurden gestürmt, geplündert und niedergebrannt. Die Krankenhäuser der Stadt wurden zerstört. Der irakische Geheimdienst Mukhabarat richtete sofort nach der Eroberung seine Zentrale im ehemaligen Gebäude des kurdischen Parlamentes ein und begann mit Massenverhaftungen nach vorbereiteten Listen. Alleine während der ersten Tage sind nach Angaben des INC mindestens 1.500 Menschen verschwunden, 90 bis 100 entdeckte Deserteure wurden bereits am Samstag hingerichtet. Oppositionsparteien berichten von Massenhinrichtungen und systematischem Terror. Selbst lokale Mitarbeiter internationaler Organisationen wurden verhaftet. Ein Teil der Gefangenen wurde in von Saddam kontrollierte Gebiete, nach Kirkuk oder Mossul, verschleppt. Die Mukhabarat Zentrale Mossul hat derweil ganz öffentlich eine Außenstelle in Arbil eröffnet.

Die Menschen in den Städten und Dörfern südlich des 36. Breitengrades wissen, was sie erwartet, sollte es zu einem Einmarsch kommen. Suleymaniyah oder Kifri sind traditionelle Hochburgen des Widerstandes gegen das Baath-Regime. Jetzt sind sie eingekesselt, sollte es zu einer Invasion kommen, dann bleibt ihnen nur eine Waffe: Der massenhafte Exodus in die Berge des Iran und vielleicht eine Neuauflage der Operation provide comfort (5). Damit es nicht ein reines Remake von 1991 wird, werden die irakischen Kurden hier vorauseilend schon der Opferrolle enthoben: In der Wochenzeitung "Freitag" vom 6. September heißt es in einem Interview auf Seite zwei auf die Frage, ob die Kurden nicht damit rechnen müßten, wieder Opfer von Repressionen zu werden: "Eigentlich nicht, da Saddam ja zuletzt bemüht war, die Kurden auf seine Seite zu ziehen (...) Er wollte die Vergangenheit sozusagen in Vergessenheit geraten lassen. Die Unterdrückung der Kurden, das ist eher Geschichte der siebziger und achtziger Jahre, aber bestimmt nicht der Jahre nach 1991" (6).

Thomas Uwer, 9.9.1996
Mitarbeiter von WADI e.V.

Anmerkungen:

1) Im August 1995 z. b. zerschlug die PUK die organisierte Bauernbewegung, verhaftete und ermordete führende Mitglieder der Bauernkomitees.
2) Im August 1995 eröffnete die PKK eine militärische Offensive gegen die PDK.
3) Das State Department hatte Ende Juli 1996 eine Studie veröffentlicht, derzufolge islamistische Terrorgruppen größtenteils finanziell nicht vom Iran, sondern von Privatleuten aus den mit den USA alliierten Golfstaaten unterstützt werden. Der amerikanische Wirtschaftsboykott und der sogenannte Domato-Act wurden von Frankreich und der BRD aus anderen Gründen schon heftig angegriffen (vgl. "The Economist", 17.8.96, und "International Herald Tribune", 16.-18.8.96).
4) Das Interview wurde von der Journalistin Helen Feinberg geführt. "WOZ', 5.9.96.
5) Operation provide comfort war die euphemistische Bezeichnung für die Einrichtung der alliierten Flugverbotszone und die Rückführung kurdischer Flüchtlinge in den Irak.
6) Lutz Herden interviewte Aziz Alkazaz vom Hamburger Orient Institut.


Kasten 1: "Kurdenschutzzone" im Nordirak

Die sogenannte Schutzzone im kurdischen Nordirak ist eine von den westlichen Golfkriegsalliierten eingerichtete Flugverbotszone nördlich des 36. Breitengrades. Große Teile der selbstverwalteten kurdischen Gebiete liegen außerhalb dieser Zone.

Die Golfkriegsalliierten berufen sich dabei auf die von der UN in UNSR-Resolution 688 geforderte Beendigung der Aggression gegen die kurdische Bevölkerung. Einen Schutz stellt diese Zone allerdings nicht dar: Weder sieht sie ein Mandat der involvierten Staaten bei Bodenangriffen vor, noch richtet sie sich gegen Aggressionen von Seiten der Türkei oder des Irans.


Kasten 2: PDK und PUK

Demokratische Partei Kurdistans (PDK):
älteste kurdische Partei in Irakisch-Kurdistan, 1946 unter dem Vorsitz des mittlerweile legendären Kurdenführers Molla Mustafa Barzani gegründet. Heute ist sein Sohn, Massoud Barzani, Vorsitzender der Partei. Die PDK verfügt vor allem im Norden Südkurdistans über Einfluß. In ihrem Parteiprogramm verlangt sie Demokratie für den Irak und Autonomie für Kurdistan.

Patriotische Union Kurdistans (PUK):
1975 nach der Kapitulation der kurdischen Bewegung von Celal Talabani, der auch bis heute ihr Vorsitzender ist, in Syrien gegründet. Die PUK war ein Zusammenschluß von drei verschiedenen Gruppen, zu denen auch die marxistisch orientierte Komala gehörte. Die PUK verlangte Selbstbestimmungsrecht für die Kurden im Irak. Erst auf dem Parteitag 1991 in Sülaymania wurde die Union zur Partei, ebenfalls unter dem Vorsitz Talabanis. Die PUK bezeichnet sich heute selber als sozialdemokratische Partei.

Anmerkung:
Die oft zitierte Unterscheidung, die PDK verfüge über Anhängerschaft in der ländlichen Region und sei stärker feudal orientiert, während die PUK ihre Mitglieder und Wähler aus dem städtischen Kleinbürgertum rekrutiert, halte ich für unzulässig vereinfacht. Tatsache ist, daß eine große Zahl wichtiger Clanführer - neben den Barzanis, die selber einen einflußreichen Clan darstellen - zu den Kadern der PDK zählen, während einige ZK-Mitglieder der PUK in den achtziger Jahren ausgesprochen marxistische anti-feudale Inhalte vertraten.

Die Verankerung in der Bevölkerung läßt sich jedoch mit diesen Kriterien nicht greifen; vor allem die Wahlergebnisse zeigen, daß die Parteien ihre Anhängerschaft eher regional bestimmen können. Zwar sind die feudalen Strukturen im Norden Südkurdistans, wo die PDK verankert ist, wesentlich stärker als im Süden, vor allem in Talabanis Heimatprovinz Sülaymania, doch genauso wie Händler oder Beamte in der Provinzhauptstadt Duhok ihre Stimme für die PDK abgaben, genauso stimmten Bauern im Süden für die PUK.

Bei den beiden Parteien handelt es sich mit Abstand um die stärksten Parteien Südkurdistans.

Aus: "Wie teuer ist die Freiheit?", Lissy Schmidt, ISP-Verlag, 1994


Texte aus: ak 394, 19.09.1996, S. 17f.


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