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Frankfurter Rundschau - 17.05.2001

UN wollen Irak die Einfuhr ziviler Güter erlauben

Resolutionsentwurf sieht Lockerung der Sanktionen vor / Auch Großbritannien und USA sind dafür


Von Pierre Simonitsch


Elf Jahre nach der irakischen Invasion in Kuwait wollen die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegen Irak lockern. Großbritannien wird mit Unterstützung der USA im UN-Sicherheitsrat einen entsprechenden Resolutionsentwurf einbringen.

GENF, 17. Mai. Die US-Regierung gibt damit nach Ansicht von Diplomaten dem Druck zahlreicher Staaten, der Vereinten Nationen und einem Teil der öffentlichen Meinung nach, wonach das Handelsembargo der irakischen Zivilbevölkerung große Not beschert hat, während das Regime Saddam Husseins eher gestärkt wurde. Der Resolutionsentwurf berührt aber nach der Analyse von Sachkennern nicht die tragenden Pfeiler der Haltung Washingtons gegenüber Bagdad - nämlich die Flugverbotszonen für die irakische Luftwaffe, die Kontrolle der irakischen Finanzoperationen im Ausland und die Verhinderung einer Wiederaufrüstung Iraks.

Die Liste der Waren, deren Ausfuhr nach Irak verboten bleibt, soll kleiner werden. Künftig sollen alle Güter, die eindeutig der irakischen Zivilbevölkerung zugute kommen, ohne die heute üblichen bürokratischen Hindernisse verschifft werden können. Der UN-Sanktionsausschuss soll seine Aufmerksamkeit auf Produkte konzentrieren, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen benötigt werden.

Nicht zufriedenstellend gelöst wurde offenbar das Problem, dass bestimmte Güter sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen können. Die bisherigen Regeln waren so eng gefasst, dass der Sanktionsausschuss sogar den Export von Bleistiften mit Graphitminen und von medizinischen Kühlfahrzeugen unterband. Eine Grauzone wird bestehenbleiben und den Kontrolleuren Ermessensspielraum lassen.

Schon 1996 hatte der UN-Sicherheitsrat in seinem Programm "Öl für Nahrung" den Irakern erlaubt, eine alle sechs Monate neu festgelegte Menge Erdöl zu exportieren und mit einem Teil des Erlöses Lebensmittel, Medikamente und Maschinenbestandteile einzukaufen. Kaufverträge in Höhe von mehr als drei Milliarden Dollar wurden aber durch den von den USA dominierten Sanktionsausschuss der UN aus verschiedenen Gründen unbefristet verzögert.

Der Resolutionsentwurf wird nach Berichten aus Diplomatenkreisen den Flugverkehr für Personen und Fracht zwischen Irak und dem Rest der Welt wiederherstellen. In jüngster Zeit waren unter Missachtung des Embargos vorwiegend russische und französische Verkehrsflugzeuge in Bagdad gelandet.

Das strikte Embargo war in den vergangenen Jahren immer mehr durchlöchert worden. Die irakischen Nachbarstaaten Türkei, Iran und Jordanien trieben offen Handel mit Irak. Diese Länder beklagten sich, dass sie die größten Opfer für die von den UN verhängten Sanktionen bringen müssten. Im Sicherheitsrat selbst forderten Russland, China und Frankreich eine Lockerung des Embargos gegen Irak. Nach US-Quellen tragen die mit einem Vetorecht ausgestatteten ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates den vertraulichen Resolutionsentwurf mit.

Unklar ist, ob sich Irak mit der recht bescheidenen Lockerung der Sanktionen zufrieden gibt, die ohnehin nur den Realitäten Rechnung trägt. Die Regierung in Bagdad hat immer die völlige und endgültige Aufhebung der Strafen zur Vorbedingung für eine weitere Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gemacht. Nach irakischer Darstellung sind die Sanktionsbeschlüsse hinfällig, weil das Land sämtliche Massenvernichtungswaffen abgerüstet habe.


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